• Liebe Mitmenschen,
    ich versuch mich mal an einer Erklärung, warum uns so 'hirnlose' Dinge bei Hypos passieren. Wir handeln so 'hirnlos' weil wir dann tatsächlich so etwas wie hirnlos sind.


    Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass eine Hypo für den Körper eine ernste Notfallsituation ist. Eure Ausführungen haben das ja auch deutlich dargestellt. In Notfällen reagiert unser Körper aber im Grunde noch immer ähnlich wie damals, als wir vor zigtausend Jahren noch in Höhlen hausten: Mobilisierung aller Reserven für Flucht oder Kampf. Außerdem wird alles in dem Moment nicht zwingend Notwendige runter gefahren (darum kann man sich ja auch vor Angst in die Hose machen, weil der Körper sich des 'Ballastes' entledigen möchte). Und in diesem Rahmen wird auch ein Teil der Großhirnfunktionen deutlich zurück gefahren. Eigentlich ein toller Trick, der ja offensichtlich evolutionär seine Vorteile hatte. Stellt euch einfach 2 verschiedene Urmenschen vor, die auf ein Raubtier treffen. Einer reagiert körperlich wie oben beschrieben und kämpft oder rennt um sein Leben. Der Zweite lehnt sich entspannt zurück und lässt die Situation erstmal auf sich wirken. Von welchem dieser Vorfahren stammen wir wohl ab?


    Dazu kommt eine zweite Tatsache. Je länger eine Reaktion auf eine bestimmte Situation in unserem Kopf existiert (oder sagen wir als funktionierend verinnerlicht wurde), desto Größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir im Notfall darauf zurück greifen. Und etwas, dass wir seeehr früh lernen, ist, dass die Eltern uns in der Not helfen. Im Rahmen des weiteren Lebens lernen wir dann, dass man sich auch selber helfen kann bzw. wir müssen akzeptieren, dass Mama und Papa eben nicht immer da sind, um uns den Hintern zu retten. Wenn schon nicht die Eltern ständig als Retter zur Verfügung stehen, dann aber unser Heim. Was bleibt ist die Erkenntnis: In der eigenen Wohnung ist man sicherer als draußen. Und so bleibt für die Meisten von uns das 'Zuhause' eine gefühlt und erfahren sichere Zufluchtstätte.


    In einem Notfall ist also der Drang nach Hause für das nur noch eingeschränkt funktionierende Hirn 'viel besser' als der im Vergleich dazu meist relativ neue Lerninhalt, bei Hypo Traubenzucker zu futtern.


    Liebe Grüße vom Arbyter

    Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht!

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  • Also ; ich habe auch über den ersten Beitrag geschmunzelt.. Bin leider genauso über mein damaliges Hündchen gefallen.


    Und es stimmt : hat man keinen Traubenzucker zur Hand , dann kommt man schnell in so Hypo-Situationen. Ich für meinen Teil bin noch ärger dran. Ich merke kaum noch etwas.
    Durch die lange Diabetesdauer schwitze ich seltenst . Kann mich noch gut unterhalten und bin zu Scherzen aufgelegt. Die meisten Leute um mich herum spüren von meiner Situation gar nichts . Selbst in meiner Diabetologenpraxis rannten alle wie wild herum und schoben mir Glucose in den Mund. Die Arzthelferinnen waren völlig sprachlos , wie gelassen ich mit ihnen über den Wert von 30 mg/ dl diskutierte ...


    Jetzt kaufte ich mir Cargo-Hosen und bin begeistert.
    Angefangen von Hundebeutelchen und Tempos habe ich meine Traubenzuckerplättchen in vielen Taschen stecken . Die klimpern zwar immer , wenn ich schneller laufe , aber das ist mir egal.
    Außerdem sehe ich eh aus wie ein wandelnder Schrank. :D
    Eben quadratisch , praktisch , gut ;)


    viele Grüße von mir und der süßen NIKKI

  • Außerdem sehe ich eh aus wie ein wandelnder Schrank.

    Wir sind doch nicht dick, wir haben nur eine vergrößerte, erotische Nutzfläche!


    Liebe Grüße vom Arbyter

    Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht!

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  • Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich da noch ein psychologisches Problem: ich möchte andere nicht mit meinen Hypos belästigen. Sie sind mir unangenehm, daher wurstele ich möglichst unauffällig vor mich hin, statt einfach zu sagen, was los ist. Ich befürchte, dass ich dann erst noch umständlich erklären muss, worum's geht, weil zwar alle wissen, dass ich Diabetes habe, aber kaum einer damit praktische Erfahrung hat. Mein Göga macht da die absolute Ausnahme, den weihe ich gern ein, damit ich einen Verbündeten habe.


    Lg Hubi

    "Sing this corrosion to me!"

    (Stoßseufzer eines unbekannten Seglers)

  • Dazu kommt eine zweite Tatsache. Je länger eine Reaktion auf eine bestimmte Situation in unserem Kopf existiert (oder sagen wir als funktionierend verinnerlicht wurde), desto Größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir im Notfall darauf zurück greifen.

    Darum ist es glaube auch gut wenn man versucht bei UZ immer das gleiche zu essen, auch wenn man Traubenzucker nicht mehr sehen mag.
    So kommt man vielleicht nicht in diese Gedankenschleifen wo man sich ewig überlegt welche Farbe Smarties man nun essen soll.

  • Darum ist es glaube auch gut wenn man versucht bei UZ immer das gleiche zu essen, auch wenn man Traubenzucker nicht mehr sehen mag.

    Guter Ansatz: Immer das Gleiche zu tun, führt irgendwann zu einem Automatismus. Und auch gleich bei den ersten Anzeichen TZ futtern, bevor die Denkfähigkeit weiter eingeschränkt wird. Messen kommt erst danach. Falls man sich getäuscht hat: Ein Schuss Insulin ist ein kleineres Problem als der Schuss aus dem Glukagon-Set!


    Ich hoffe allerdings, das bei uns engagierten Diabetikern Hypos so selten sind, dass sich damit kein effektives Training machen lässt. Und sich regelmäßig einmal täglich bewusst in den UZ zu schießen ist auch keine brauchbare Option.


    Es gibt aber duchaus eine Möglichkeit, den Griff zum Traubenzucker ungefährlich zu trainineren. Wir haben vermutlich alle 'unsere Stellen', an denen wir eine Notfallration TZ (oder was auch immer) für bestimmte Situationen deponieren: Hosentasche, Nachttisch, Auto, Handtasche et cetera. Das Training besteht nun darin, immer wieder in der Situation, in der man auf diese Notfallration zugreifen würde, ganz bewusst zu prüfen, ob sie noch da ist. Dabei kommt man sich anfangs naturgemäß etwas 'albern' vor, weil man ja 'weiß', dass der TZ noch da sein 'muss'. Der Trick dabei: Durch das stets wiederholte Prüfen steigt die Wichtigkeit für das Gehirn (die Verarbeitungstiefe steigt, wie die Profis das wohl nennen) und wird innerhalb weniger Wochen zum Automatismus. Und damit steigt die Wahrscheinlichkeit enorm, dass dieser Griff nach dem TZ auch in einer Notsituation automatisch erfolgt.


    Einfaches Beispiel: Sowie ich die Wohnung verlasse, habe ich immer 2 Plättchen TZ dabei. Die befinden sich immer an der gleichen Stelle, nämlich der für Jeans so typischen 'Kleingeldtasche' oberhalb der rechten Hosentasche. Immer bevor ich die Haustür hinter mir schließe, fühle ich nach, ob der TZ da ist. Und auch wenn ich dann unterwegs bin, geht meine rechte Hand immer mal wieder an diese Stelle um zu fühlen, ob er noch da ist.


    Gleiches mit dem Nachttisch: Wann würde man auf diese Notration zurück greifen? Wenn man wach wird und die Hypo bemerkt. Also trainiert man das. Wenn man schlafen geht, erst mal ganz normal hinlegen und zudecken. Dann bewusst nochmal aufrichten, schauen und fühlen, ob der TZ da ist. Wenn man mal nachts wach wird, fühlen, ob er noch da ist. Morgens beim Aufwachen, erster Griff: Fühlen, ob er noch da ist.


    Im Auto: Einsteigen, Tür schließen, prüfen ob der TZ noch da ist. Immer! Zwischendurch, wenn man mal stehen bleiben muss (rote Ampel, Gegenverkehr vorbei lassen, was auch immer), prüfen ob der TZ noch da ist. Immer wieder, bis es in Fleisch und Blut übergegangen ist.


    Egal wo, immer wieder ganz bewusst fühlen, ob die Notration da ist. Irgendwann passiert es dann ganz automatisch. Und dann erfolgt der Griff dort hin eben auch im Notfall.


    Liebe Grüße vom Arbyter

    Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht!

  • Egal wo, immer wieder ganz bewusst fühlen, ob die Notration da ist. Irgendwann passiert es dann ganz automatisch. Und dann erfolgt der Griff dort hin eben auch im Notfall.

    ...oder eben nicht, weil das Hirn bei einer (schwereren) Hypo mit einem Schlitten fährt. :D


    Es grüßt
    #Pessimismus-Hobbit

  • Hi Hobbit,


    weißt du, ich bin seit frühester Kindheit mit verschiedenen Allergien geschlagen. Einige Allergene gehen bei mir heftigst auf die Atmung. Und glaub mir: Wenn du merkst, wie sich von jetzt auf gleich die Bronchien verkrampfen, du kaum noch atmen kannst, sich das Gefühl des langsam Erstickens einstellt und du entsprechend von Panik ergriffen bist, ist's auch nicht mehr so weit her mit dem klaren Denken. Auch das ist nämlich einen Notsituation für den Körper mit entsprechenden Folgen. Das Hirn brauch nämlich nicht nur Glukose sondern auch Sauerstoff. So ein Automatismus funktioniert aber dennoch, wenn er nur lang genug präsent ist. Ich hab mein Notfallspray jedenfalls immer noch sofort aus der Tasche ziehen können.


    Auch wenn ich persönlich noch relativ neu im 'Hypo-Geschäft' bin, habe ich meine Herzdame fast 15 Jahre mit einem Typ 3 c begleitet. Und auch bei ihr hat die Methode funktioniert.


    2 Personen lassen zwar keine statistisch abgesicherte Aussage bezüglich der Grundgesamtheit zu, aber dennoch. Selbst pessimistisch gesehen: Wenn nur 1/3 der hier Lesenden das ernsthaft für sich ausprobiert und es vielleicht davon nur bei der Hälfte funktioniert, dann sind immer noch ganz schön viele Leute im Kampf gegen Hypos einen Schritt weiter.


    Liebe Grüße vom Arbyter

    Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht!

  • Hallo,



    da ich auch Asthmatiker bin, mal eine Frage:



    Arbyter hattest du schon einmal beides zusammen? Ich bis
    jetzt einmal und das im Frühjahr beim Rasenmähen, da hört der Spaß echt auf.
    Hoffe das bekomme ich so schnell nicht wieder. Da ich „nur“ ein allergisches
    Asthma habe, habe ich das Spray auch nicht immer dabei und dann dreht das
    Gehirn echt voll im Kreis ……. Konnte mich absolut nicht entscheiden, wo ich zuerst
    hingehen soll (muß) :whistling: ?(
    Gruß
    Udo

  • da ich auch Asthmatiker bin, mal eine Frage: Arbyter hattest du schon einmal beides zusammen?

    Hi Udo,


    nein, beides parallel hatte ich bisher noch nicht. So lang mein Typ2 mit Tabs im Rahmen blieb, gab's für mich keine Hypogefahr. Bin erst seit knapp. 2 Monaten mit ICT zugange, weil nach dem Tod meiner Herzdame die BZ-Werte tierisch abgingen.


    Bei mir ist das Asthma auch ausschließlich allergisch bedingt. Ich weiß aber eins ganz sicher: Seit ich einmal wirklich kurz davor war, dass im Hirn das Licht ausging, gehe ich keinen einzigen Schritt außerhalb der Wohnung mehr ohne das Spray in der Tasche. Und so bald ich auch nur ansatzweise das Gefühl habe, da kommt was, gibt's einen Hub davon. Auf Grund dieser Erfahrung verfahre ich genau so mit TZ bezüglich Hypo. Da muss ich selbst auch noch arg trainineren. War vorhin nur mal kurz beim Doc, kam wieder, und stellte fest: Shit, der Griff nach dem TZ im Auto fehlte.


    Aber im Zweifel, sollte mich mal beides parallel erwischen, wird bei mir immer erst das Spray kommen. Aber nicht aus irgendwelchen vernünftigen Überlegungen heraus, sondern einfach, weil mich das Spray schon wesentlich länger begleitet und der Griff danach wirklich seit Jahren wie von selbst passiert.


    Liebe Grüße vom Arbyter

    Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht!