So, das habe ich den Stuttgarter Nachrichten gefunden.
Halb genörgelt, halb informiert.....
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Diabetes
Von klein auf zu viel Zucker
Andrea Wyrwoll,
28.09.2014 14:00 Uhr
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Etwa 30000 Kinder sind an Diabetes Typ 1 erkrankt – viele von ihnen tragen eine Insulinpumpe am KörperFoto: Fotolia
Erziehung ist nicht leicht. für Eltern von Kindern mit
Diabetes Typ 1 ist sie noch schwerer. Sie müssen ihre zuckerkranken
Kinder anregelmäßiges Essen und Insulingabe erinnern.
Stuttgart/Hannover - Bevor bei Familie Beißwenger gegessen werden
kann, müssen sich ihre Söhne nicht nur die Hände waschen, sondern auch
auf einen Knopf drücken. Die beiden Jungs von Petra Beißwenger haben
Diabetes Typ 1. Das bedeutet, dass ihr Immunsystem die insulinbildenden
Zellen der Bauchspeicheldrüse als feindlich einstuft und sie bekämpft.
Der Körper braucht das Hormon Insulin jedoch, um Zucker aus dem Blut in
die Zellen zu bringen. Insulinmangel führt dazu, dass der Blutzucker
steigt; behandelt man das nicht, kommt es zu Organ- und
Nervenschädigung. Also müssen sich die beiden Jungs Insulin selbst
zuführen. Jeden Tag. Vor jedem Essen.
Damit die richtige Menge an Insulin abgegeben werden kann, muss
Beißwenger vor dem Essen berechnen und abschätzen, wie viel Nudeln und
Gemüse ihre beiden Jungen essen werden. „Das ist nicht einfach“, sagt
sie. Denn wenn ihre Söhne eine bestimmte Menge Insulin gespritzt haben,
muss die passende Portion Nudeln gegessen werden. Sonst kommt es zu
einer Unterzuckerung. „Wenn die Kinder mal nicht essen wollen, muss man
sie zwingen. Das ist purer Stress.“
Petra Beißwenger unterstützt andere Eltern bei der Stuttgarter
Diabetes-Initiative und berichtet von verzweifelten Eltern. „Es belastet
die Eltern, ihrem weinenden Kind drei- bis viermal am Tag eine Spritze
geben zu müssen“, sagt sie. Die Mütter und Väter würden sich fühlen, als
würden sie ihrem Kind etwas Furchtbares antun, obwohl sie wüssten, dass
es lebenswichtig sei. Auch Beißwenger kennt das Problem mit den
Spritzen bei Kleinkindern. „Meine Söhne waren zwei und vier Jahre alt,
als bei ihnen Diabetes diagnostiziert wurde.“
Thomas Danne weiß um die Belastung für die Familien. Der Kinderarzt
betreut im Krankenhaus Auf der Bult in Hannover Kinder mit Diabetes.
„Viele Mütter hören nach der Diagnose auf zu arbeiten, damit sie ihr
Kind betreuen können“, sagt er. Die Familien seien deshalb auch
finanziell schlechtergestellt. „Leider weigern sich aber immer noch
viele Kindertagesstätten, Kinder mit Diabetes aufzunehmen“, sagt Danne.
Die Erzieher wollten den Kindern kein Insulin zuführen.
Auch Petra Beißwenger hat schon gehört, dass zuckerkranke Kinder ihre
Tagesstätte verlassen mussten. „Die Betreuer haben sich komplett
verweigert, es war ihnen zu viel Verantwortung.“ Doch sie kennt auch
andere Beispiele: Viele Lehrer und Erzieher würden sich schulen lassen,
wie sie mit Kindern mit Typ-1-Diabetes umgehen müssen. „Denn für die
Kinder ist es so wichtig, trotz Krankheit mit den Freunden zusammen zu
sein“, sagt Beißwenger. Eltern können für ihr Kind eine Begleitperson
beantragen, die die Insulingabe beaufsichtigt. Ab der zweiten Klasse
seien die meisten Kinder auch schon sehr selbstständig. Probleme mit
Mitschülern haben Diabetes-Kinder selten zu befürchten: „Die Kinder
fragen nach, lassen es sich erklären, und dann hat sich die Sache für
sie erledigt.“
„Die Kinder sollen ein normales Leben haben“, sagt auch der
Kinderarzt Danne. Patienten kommen alle sechs Wochen zu ihm in die
Sprechstunde, um die Insulinmenge neu einzustellen. „Denn durch Stress,
Sport oder das Wachstum verändern sich die Werte“, sagt er. Bevor es auf
den Fußballplatz oder ins Schwimmbad geht, müssen die Betroffenen ihren
Blutzucker messen und etwas essen, damit es zu keiner Unterzuckerung
kommt. „Für die Jungs ist es lästig, daran zu denken, wenn alle aus der
Umkleide stürmen“, sagt Beißwenger. Für sie selbst ist die Situation
belastend. Erste Anzeicheneiner Unterzuckerung sind Schwindel und
Übelkeit. Im schlimmsten Fall fallen sie in ein Koma, welches
lebensgefährlich sein kann. „Diese Angst habe ich schon, wenn die Kinder
alleine unterwegs sind“, sagt sie. Diese Gedanken kommen zur
alltäglichen Erziehung hinzu. „Man will die Kinder auch nicht
bevormunden, wenn man sie ständig an Mahlzeiten und Blutzuckermessen
erinnert.“
Die Ursachen für die Krankheit sind ungeklärt. „Es ist wie ein
Puzzlespiel“, sagt der Kinderarzt. Die einzelnen Forschungsergebnisse
müsse man zusammensetzen, bis sich ein Krankheitsbild ergebe. In
Finnland gibt es die meisten Kinder mit Diabetes Typ 1. In Deutschland
sind 300 000 Menschen erkrankt, davon 30 000 Kinder. „Wir wissen, dass
bestimmte Viruserkrankungen das Risiko fördern“, sagt Danne. Etwa 20
Gene stehen im Zusammenhang mit der Stoffwechselstörung. Fest steht,
dass Diabetes keine Erbkrankheit ist. „Eltern dürfen sich nicht die
Schuld geben.“ Sicher ist: Zu viele Süßigkeiten spielen keine Rolle –
anders als bei Diabetes Typ 2, der hauptsächlich aufgrund von ungesunder
Ernährung, zu wenig Bewegung und Übergewicht gefördert wird.
Eine britische Studie belegt, dass nur wenige Eltern die
Hauptsymptome Müdigkeit, häufigen Toilettenbesuch, starken Durst und
Gewichtsverlust mit der Zuckerkrankheit in Verbindung bringen. „Wenn das
trockene Kind wieder einnässt, kann das ein erstes Zeichen sein“, sagt
Danne. Er empfiehlt dann einen Arztbesuch.
Wird dann Diabetes diagnostiziert, ist die Insulingabe die einzige
Behandlungsmöglichkeit. Eine Heilung gibt es nicht. Es gibt zwar erste
Versuche mit künstlichen Bauchspeicheldrüsen die Krankheit zu
therapieren. Das Gerät misst automatisch mit einem Sensor den Zucker im
Fettgewebe und gibt die richtige Insulinmenge ab. Doch bis das Gerät
Marktreife hat, dauert es noch. Bis dahin müssen Betroffene auf Pen oder
Pumpe zurückgreifen.
Nach Angaben der Deutschen Diabetes-Hilfe benutzen 95 Prozent der
Diabetiker einen Insulin-Pen. Der Pen sieht aus wie ein Kugelschreiber,
ist aber unauffälliger als eine herkömmliche Spritze und lässt sich
leichter transportieren. Doch auch mit einem Pen lassen sich die
Nadelstiche nicht vermeiden. „Es ist nicht einfach, einem Zweijährigen
viermal am Tag eine Spritze zu geben“, sagt Petra Beißwenger. Der Pen
mache es nicht leichter. Deswegen ist sie, wie viele andere Eltern, auf
die Insulinpumpe umgestiegen. „Seit 2000 wird die Pumpe auch bei Kindern
eingesetzt“, sagt Danne. Die Kinder tragen die Pumpe am Gürtel. Ein
kleiner Schlauch führt ins Fettgewebe. Die Insulinabgabe kann
programmiert werden. „Wenn Insulin benötigt wird, muss das Kind einfach
auf den Kopf drücken“, sagt Danne.
Die Pumpe hat Petra Beißwenger viele Sorgen genommen, aber sie muss
trotzdem vor jeder Mahlzeit das Essen abwiegen, damit ihre Söhne sich
die richtige Menge Insulin geben können. „Von Diabetes kann man keinen
Urlaub machen.“
Der Landesdiabetikertag findet am Sonntag, 28. September, in der
Stuttgarter Liederhalle von 9 bis 16 Uhr statt. Mehr Infos unter
http://www.diabetestour.de. Betroffene Eltern und Kinder finden Hilfe unter
http://www.stuttgarter-diabetes-kinder.de.