Zwei Diabetes-Patienten-Organisationen?

  • Hi!


    Ich war gerade mal auf der Suche nach Selbsthilfegruppen, Diabetes-Organisationen und so.


    Dabei bin ich auf den Deutschen Diabetiker Bund https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Diabetiker_Bund gestoßen und dann noch auf die Deutsche Diabetes-Hilfe https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Diabetes-Hilfe_–_Menschen_mit_Diabetes


    Das einzige, was ich rauskriegen konnte war, daß sich vom DDB wohl welche abgespalten haben zu dem anderen Verband.


    Kann da wer Licht ins Dunkel bringen? Warum diese Aufspaltung? Welchen Verband haltet Ihr für sinnvoller, wo seid ihr Mitglied / wo sollte man mal drüber nachdenken?

  • Hallo Tarabas,


    erst einmal Danke für Deine Frage, das ist ein wichtiges Thema. Vorab wollte ich Dir gerne schreiben, dass ich im Vorstand der Deutsche Diabetes-Hilfe - Menschen mit Diabetes (DDH-M) bin. Ich möchte aber gerne schreiben, was uns ausmacht, nicht warum ich die anderen bzw. deren Weg nicht so ideal finde.


    DDH-M wurde im Juni 2012 eigentlich gegründet, um die versprenkelte Selbsthilfe zusammen zu führen. Denn es gibt ganz viele Gruppen, die viele tolle Sachen machen, aber alle alleine. Das Problem dabei ist, dass die größte Selbsthilfeorganisation knapp 20.000 Mitglieder hat (wir haben übrigens rund 18.000 Mitglieder), damit kann man aber in der Politik relativ wenig erreichen. Deswegen bedarf es eines gemeinsamen Dachs. Das ist uns bisher aber nur in Teilen gelungen, wir arbeiten aber weiter an dem Ziel. Wir verfolgen davon abgesehen ein ganz anderes Konzept als der DDB. Wir sind Mitglied in dem Bündnis diabetesDE. diabetesDE ist ein Bündnis der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG = Ärzteverband), dem Verband der Diabetesberatungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD = Diabetesberaterverband) und uns. Wichtig ist dabei, dass das Engagement für die Betroffenen sowohl in der Gesellschaft, als auch in der Politik und den Medien nur zusammen mit den Ärzten und Beratern funktionieren kann. Deswegen gehen wir einen Weg mit den anderen und nicht gegen die anderen. Letztlich eint uns ein Ziel, nämlich für die Menschen mit Diabetes ein besseres Leben zu schaffen. Auf dem Weg haben wir eine Menge erreicht, Diabetes ist inzwischen ein wichtiges Thema in der Politik. Beim Koalitionsvertrag wurde darüber gesprochen und die Regierung tut langsam etwas. Zwar ist sie derzeit "nur" auf dem Präventionstrip unterwegs, was natürlich zu wenig ist, aber es ist besser als gar nichts und von dort kann man die nächsten Ziele anpeilen. Solche Erfolge sind möglich durch Kampagnen wie "Diabetes stoppen - JETZT!", bei der alle an einem Strang gezogen haben und die sehr erfolgreich bei den Politikern ankam (guck Dir mal die Bilder mit den Politiker auf http://www.diabetes-stoppen.de an). Das ist ganz kurz das Ziel, was wir verfolgen.


    Zu uns, wir haben derzeit rund 18.000 Mitglieder und derzeit fünf Landesverbände, die neun Bundesländer abdecken (Bremen, Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), Nord (Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein), Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz). In den anderen Bundesländern sind wir über ein Netz von Regionalbeauftragten aktiv. Ein wichtiges Anliegen ist uns Transparenz und Öffentlichkeit. Wir wollen nicht hinter verschlossenen Türen arbeiten und uns dem Vorwurf aussetzen in die eigenen Taschen zu wirtschaften. Deswegen veröffentlichen wir jährlich einen Geschäfts- und Transparenzbericht, den Du auch auf unserer Webseite findest. Der Bericht für 2014 erscheint in Kürze, da wir im Vorstand wirklich ausschließlich ehrenamtlich neben einem Vollzeitberuf arbeiten (das unterscheidet uns auch von den anderen) hat sich das etwas verzögert. Zudem sind wir von Amnesty International für die Transparenz zertifiziert worden.


    Für die Frage, warum wir besser sind, bin ich glaube ich der falsche. Am besten fragst Du dort mal nach. Ich persönlich denke, dass dieses ständige gegeneinander keinem hilft, sondern vielmehr uns Betroffenen schadet. Eigentlich müssten die Organisationen eng zusammenarbeiten, was derzeit leider nicht möglich ist. Dabei gibt es schon keine echte Konkurrenzsituation, in Deutschland gibt es 6-8 Mio Betroffene, alle Organisationen zusammen vertreten rund 40.000 Betroffene (ca. 0,5%), deswegen kann man kaum von Konkurrenz sprechen. Wichtig ist aber, dass sich die Betroffenen organisieren und mit anderen zusammen für ihre Rechte und für eine besseren Versorgung kämpfen. Wenn Du man auf CGM, Analoginsuline und Tresiba schaust, gibt es einen riesigen Bedarf, nicht zuletzt auch bei Teststreifen für Typ-2er. Da können wir nur viel erreichen, wenn wir möglichst viele Betroffene hinter uns bringen. Darum sollte man sich als Diabetiker fragen, ob man sich nicht für eine der beiden Organisationen entscheiden sollte.


    Wenn Du noch Fragen hast, beantworte ich Dir die natürlich sehr gerne!


    Viele Grüße
    Jan

  • Neben den schon genannten Gruppen gibt es noch "Die Insuliner" http://www.insuliner.de/insublog/wordpress/about/. Diese Selbsthilfegruppe steht glaube ich nicht in Konkurrenz zu den beiden anderen Gruppen.


    Bei Diabetes Selbsthilfegruppen oder -organsiationen gibt es ein grundlegendes Problem: Es gibt zwei Krankheiten mit dem Namen Diabetes. Nämlich Typ 1 und Typ 2 (und zusätzlich noch ein paar Sonderformen). Die überwiegende Mehrzahl der Menschen mit Diabetes hat Typ 2. Früher wurde dieser Diabetestyp auch Altersdiabetes genannt. Eine politisch wirksame Vertretung dieser Mehrheit ist aus Mangel an Interesse der Betroffenen nicht möglich. Eine kleine Minderheit hat Diabetes Typ 1. In diesem Kreis gibt es mehr Menschen die sich potentiell organisieren und als Interessenvertretung auftreten würden.


    Von den nicht betroffenen Menschen bzw. der Politik wird die Gruppe der Menschen mit Diabetes als eine große Gruppe gesehen. Wenn man alle Menschen mit Diabetes nach ihren Interessen fragen würde, dann käme ein Ergebnis dabei heraus, dass die Menschen mit Typ 1 Diabetes verständnislos zur Weißglut treiben würde.

  • Ich finde es ja toll, dass es die DDG, den DDB, die Deutsche Diabetes Hilfe gibt. Sie tun viel für uns Diabetiker im Bereich der Politik. Das ist wichtig und sollte auch weiterhin gemacht werden.
    Ich glaube aber nicht, dass die Deutsche Hilfe es schafft, die vielen Selbsthilfevereinigungen zu einen. Das ist viel zu unrealistisch, weil die einzelnen Vereinigungen ihre eigenen Ziele haben, die sie verfolgen und die oft unvereinbar sind mit den Zielen anderer Vereinigungen.
    Was mir bei diesen Riesen-Vereinigungen fehlt ist die Arbeit an der Basis. Für Kinder, auch für Jugendliche, wird im Bereich Diabetes viel getan. Da gibt es Schulungswochen, Camps, Schulungswochenenden. Aber: meist mit Firmen-Sponsoring. Dadurch werden die Kinder, deren Eltern, die Jugendlichen wieder beeinflußt und sie haben oft keine Chance, unabhängig ihre Meinung zu bilden. Es sollte viel mehr gemacht werden ohne Firmen-Sponsoring.
    Für uns Erwachsene mit Typ 1 aber gibt es recht wenig, was in diesem Bereich getan wird, viel weniger noch als für Kinder, Teens und deren Eltern. Allenfalls gibt es Selbsthilfegruppen vom DDB, irgendwo in Deutschland. Fragt man dann nach, sind es meist Selbsthilfegruppen für Typ 2 Diabetiker.
    Wir erwachsenen Typ 1 Diabetiker aber brauchen auch Selbsthilfegruppen, wir brauchen auch Camps, wir brauchen auch Freizeiten, Treffen (ein (verlängertes) Wochenende), wo wir uns austauschen können, andere Diabetiker und Angehörige kennenlernen können, Zeit miteinander verbringen können. Am besten wäre das ohne Firmen-Sponsoring, um unabhängig sein zu können. Gruppen bei Facebook und so Foren wie dieses hier sind ein Ansatz, aber nicht ausreichend.
    Die einzigen, von denen ich weiß, die Selbsthilfegruppen organisieren, Freizeiten, Treffen für uns erwachsene Typ 1 Diabetiker, sind wir Insuliner. Wir organisieren das ohne Firmen-Sponsoring, denn wir wollen uns unsere Unabhängigkeit bewahren. Unabhängigkeit heisst, wir wollen uns unsere eigen Meinung bilden über die für uns verfügbaren verschiedenen Medikamente auf dem Markt, die verschiedenen Hilfsmittel, Techniken, Geräte und wir wollen diese Meinung auch frei äußern dürfen in der Politik, gegenüber den Pharmariesen, gegenüber anderen Diabetikern, ohne dafür gegängelt zu werden. Ausserdem sollten unsere Bedürfnisse auch berücksichtigt werden, was leider nicht oft geschieht.
    Verfolgt man die Gespräche beispielsweise in den Facebook-Gruppen, so kennen viele (erwachsene) Typ 1 Diabetiker keinen anderen Diabetiker in ihrer Gegend. Das ist sehr schade. Auch jugendliche Typ 1 Diabetiker fragen immer wieder nach Diabetikern in ihrer Gegend. Die Selbsthilfegruppen von uns Insulinern sind zwar ein Ansatz, aber auch nicht ausreichend. Wo bleiben da der DDB, die DDG, die Deutsche Diabetes Hilfe? Vergesst die Arbeit an der Basis nicht über Eure ganze politische und "Vereinigungs-Arbeit"!


    Gruß,
    Surferin

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