Hallo,
ich hatte letzten Montag meinen quartalsmäßigen Besuch bei
meinem Diabetologen. Mit der Kollegin, die meine Fußuntersuchung machte hatte
ich dabei ein Gespräch. Ich stellte fest, dass ich sicherlich teilweise wieder
zu wenig meinen BZ (Anm.: Wenn ich daheim bin und meine Rhythmus habe, messe
ich teilweise nur einmal) gemessen habe, dies aber als ausreichend ansehe, weil
ich mit dem tierischen Insulin ein hervorragendes Medikament habe, bei dem ich
sehr genau zu niedrige Blutzuckerwerte spüre. Ich stellte auch fest, dass die
Gespräche mit dem Arzt häufig um dieses Thema gehen und darum, dass er mich auf
neue Geräte in der Diabetestherapie aufmerksam macht, ich aber sehr glücklich
mit meiner derzeitigen Ausstattung bin. Dass außerdem in den Gesprächen sehr
viel Privates gesprochen wird, was ich auch als Privatpatient über die Rechnung
zu bezahlen habe (90 % zahlt die Versicherung, 10 % ich selbst – bei ambulanten
Behandlungen).
Unten zu sehen ist der Schriftverkehr per Mail, der sich
daraus ergab. Auf meine letzte Mail hat sich der Dr. nicht mehr gemeldet. Ich
denke, das ist ihm zu viel. Meine Frage an Euch: Was haltet Ihr davon, zu einem
„ganz normalen“ Arzt zu wechseln, statt einen Diabetologen zu konsultierten?
Fest steht, ich empfinde auch die Haltung meines jetzigen Diabetologen zu wenig
flexibel (entweder so wie er sagt oder gar nicht).
Freue mich auf Rückmeldungen.
Volker
Hier der Schriftverkehr:
23.01.2017
Sehr geehrter Herr Henkel,
wie ich gestern Ihre Tagebücher gesehen habe, habe ich mir überlegt, dass die Betreuung von Typ 1 Diabetikern schwierig ist. Unser Problem ist, dass wir sehr schwer gegen eingefahrene Gewohnheiten ankommen. Wahrscheinlich muss auch das DMP Programm in dieser Beziehung auf psychologischer Basis weiterentwickelt werden.
Umgekehrt weiß ich auch, dass es von Ihrer Seite schwierig ist.
Aus meiner Sicht ist das DMP Programm mit den vierteljährlichen Terminen trotzdem ein Minimalkonsens, der eingehalten werden muss! Denken Sie bitte an das Thema Autofahren und Unterzuckerung!
Ihre Äußerungen in der Praxis heute fand ich nicht angemessen. Denken Sie bitte nicht, dass die Betreuung von privaten Typ 1 Diabetikern für uns ein Geschäft ist.
Fazit: in meiner Praxis geht es nur nach den Regeln, die im DMP Typ 1 vorschrieben sind!
Freundliche Grüße
Dr.W.
23.01.2017
Lieber W.,
ich möchte hier nicht zu weit ausholen und bedanke mich für Ihre Zeilen. Ich habe eine Einstellung, die nicht repräsentativ ist. Ich setze den individuellen Umgang mit dem Diabetes höher ein, als die Nutzung immer neuer Geräte. Der Mensch lässt sich immer mehr von Automaten, Geräten, technischen Neuerungen usw. abnehmen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er damit sehr viel persönliches Körpergefühl, sehr viel Eigenverantwortung verliert. Dies ist für mich eine ganz allgemeine These. Ich hoffe, Sie können nachvollziehen, welche Gedankengänge dies bedeutet.
Die Gespräche mit Ihnen sind aus privat-persönlicher Sicht angenehm. Allerdings darf ich bezüglich meiner vergangenen Erfahrungen feststellen, dass sich diese inhaltlich beim Thema Diabetes wiederholt haben. Natürlich auf Basis Ihrer studierten ärztlichen Strategie mit dem Hinweis auf mehr Messungen und immer wieder auf technische Weiterentwicklungen bei Geräten für die Diabetestherapie. Kurzum, diese Hinweise werden auch zukünftig von Ihnen kommen. Fest steht, dass diese Gespräche finanziell von Ihnen abgerechnet werden und damit eine Belastung für Krankenkassen (gesetzlich oder privat) und natürlich auch für mich (10 % Eigenanteil) sind. Ich denke, hier sollten die Kosten im Auge behalten werden. Zumindest ist meine private Krankenkasse in diesem Jahr um 25 % teurer geworden, was mich motiviert mein Bestes zu tun, um diese Erhöhrungen zukünftig nicht weiter ausufern zu lassen. Dies natürlich auch, was den Umfang der ambulanten Behandlungen in Ihrer Praxis angeht.
Ich danke Ihnen für die Hinweise auf Unterzuckerungen im Straßenverkehr. Glücklicherweise habe ich durch meine eigenen Recherchen das tierische Insulin gefunden, das bei mir weiterhin diese Gefahr (im Gegensatz zu den von ärztlicher Seite aus favorisierten gentechnischen Insulinen) auf ein kleinstes Maß reduziert.
Regeln sind gut, W. Aber diese sollten auch immer wieder individuell selbstkritisch durchleuchtet werden. Nichts gegen Sie. Frühere von mir konsultierte Diabetologen haben auch nach den DMP-Regeln gearbeitet. Dies haben diese sicherlich auch mit bestem Gewissen gemacht. Leider war dieser Weg bei mir (was das Insulin betrifft) eine Sackgasse. Immerhin sind Sie gedanklich offen für diese Erfahrungen und ich freue mich, wenn Sie Patienten mit einer ähnlichen Diabetesgeschichte wie bei mir, den Versuch tierisches Insulin zu nehmen vorschlagen. Es könnte für solche Patienten eine unheimliche Verbesserung Ihres Diabetes mit sich bringen. Ich glaube zwar, dass ich auch bei Ihnen in dieser Hinsicht gegen eine Wand spreche (wie bei den meisten Diabetologen), aber mein Hinweis ist einfach einer aus individueller Selbsterfahrung.
Was den von Ihnen angesprochenen "vierteljährliche Minimalkonsens" angeht bin ich anderer Meinung. Ein einigermaßen bewusster Diabetiker achtet auf seine Therapie. Bei "Problemfällen" halte ich eine öftere bzw. den von Ihnen angesprochenen "vierteljährlichen Minimalkonsens" bei der ambulanten Behandlung für angebracht. Alle Anderen (zu diesen zähle ich mich auch), werden Ihr möglichstes Tun um einen adäquaten Blutzucker-Tagesspiegel zu erhalten, also Über- und Unterzuckerungen zu vermeiden. Bei Ihnen reicht meiner Meinung ein halbjährlicher Besuch beim Diabetologen aus.
Nochmals herzlichen Dank für Ihren wohl gemeinten Worte und ein
sonniger Gruß von
Volker Henkel
23.01.2017
Sehr geehrter Herr Henkel,
Das hört sich alles sehr gut an.
Fakt ist, dass wenn Sie morgen einen schweren Unfall in einer Hypo bauen zuerst nach dem Namen Ihres Diabetologen gefragt wird. Aus meiner Sicht kann ich eine Betreuung nur verantworten, wenn es nach den vorgeschriebenen Richtlinien geht.
Ihre Alternative ist das, was Typ 1 Diabetiker vor den DMPs gemacht haben: lassen Sie sich Ihr Insulin vom Hausarzt verschreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. W.
23.01.2017
Lieber W.,
einen Hausarzt habe ich nicht. Das sind bisher Sie.
Ich habe Ihnen in der Anlage ein Schreiben angefügt, das ich Ihnen unterschrieben senden werde. Lassen Sie mich wissen, ob das eine Entlastung für Sie ist. Lassen Sie mich ebenso wissen, wenn Sie als Arzt die weitere Behandlung von mir als Patient wünschen. In diesem Falle muss ich das dieser Mail angefügte Schreiben nicht an Sie senden.
In diesem Sinne freue ich mich auf Ihre Antwort.
Volker Henkel
23.01.2017
Lieber Herr Henkel,
ich habe vor einiger Zeit einen Patienten an einer schweren Unterzuckerung verloren.Er hatte Alkohol getrunken, eine prolongierte Hypoglykämie und Erbrochenes aspiriert.Baujahr 1961. Langjähriger Typ 1 DM. Sehr selbständig.Ich musste mit seiner Lebensgefährtin hat nach dem Vorfall mehrmals sprechen.Das kann man nicht einfach wegschieben. Und bei Ihnen denke ich an die Geschichte mit der Pizza…
Sie erinnern sich.
Ich will Sie nicht bevormunden. Aber ich glaube, dass Sie jemanden brauchen, der sich die Sache ansieht und auf Ihre Messfrequenz achtet.
Wir sind keine Beamten. An dieser Sache ändert auch Ihr Schreiben nichts. Überlegen Sie es sich nochmal.
W.
24.01.2017
Lieber W.,
ich glaube an Ihre Verantwortungsbewusstsein und nehme dies mit Ihrer Erzählung von Ihrem Patienten verstärkt wahr. Ich bin ein Mensch, der an mehr glaubt, als es der Intellekt und der Geist des Menschen ist. Sprich, die Wahrnehmung des Bauches, der Gefühle und metaphysischer Wahrnehmungen. Ein Gebiet, zu dessen Wahrnehmung der Mensch meiner Meinung nach leider immer mehr seine Tuchfühlung verliert. Für einen Mensch, der sich zu stark von seiner geistig-intellektuellen Basis definiert, wird dies sicherlich nie nachvollziehen können.
Wann und wie das Leben endet, welche Erfahrungen ich mache, das ist vorhergesehen. Darauf habe ich keinen Einfluss. Das Leben ist ein Prozess, bei dem ich mit den Erfahrungen die ich mache lernen darf, meine Persönlichkeit zu erleben.
Ich könnte hier noch weiter ausholen, was meine Anschauung ist. Ich will damit erstens sagen: Das Ende des Lebens ist nicht Schlimmes. Schon auf Basis dessen, dass ich das irdische Leben erleben durfte. Wann und wie ich sterbe, das entscheide nicht ich, sondern Kräfte, auf die auch die Medizin keinen Einfluss hat. Ganz davon abgesehen habe ich mit dem Schweineinsulin ein hervorragendes Medikament, das mit den gentechnischen Insulinen und deren negativen Auswirkungen auf mich, mit nichts zu vergleichen ist.
Ich glaube Ihnen, dass Sie kein Beamter sind. Überlegen Sie sich bitte, dass es Zugänge zu diesem wunderschönen und einmaligen Leben gibt, die außerhalb einer geistig-intellektuellen Ebene liegen und das es Kräfte gibt, die höher liegen als jene, auf denen der Mensch seine einmalige evolutionäre Entwicklung definiert und damit glaubt, diese seien das Non Plus Ultra.
Mit meinem gestern als Ansichtsexemplar an Sie gesendeten Schreiben will ich Sie nur von Ihrem Verantwortungsbewusstsein befreien. Ich habe nicht gesagt, dass ich den Modus einer ambulanten Behandlung pro Quartal nicht weiter respektiere. Allerdings werde ich mich nicht mehr auf eine Waage stellen, bei der eine Computerstimme in mein Gehör dringt. Beim Messen des Blutzuckers wird es bei mir immer wieder Tage geben, an denen es nicht sehr häufig vorkommt (vor allem, wenn ich nur daheim bin). Und zu meiner Argumentation mit den Kosten stehe ich weiterhin. Es ist angenehm, sich mit Ihnen über die Fotografie zu unterhalten. Aber es ist nicht in Ordnung, wenn ich dafür Kosten habe, die zu 90 % meine private Krankenkasse trägt.
Oki.
Einen wunderschönen Morgengruß sendet Ihnen
Volker Henkel
24.01.2017
Lieber Herr Henkel,
Ein Wiederholungsrezept bei Hausarzt kostet 3 Euro.
Ich denke, diesen Weg sollten Sie einschlagen. Praxis W gibt es nur im Gesamtpaket mit Wiegen, Arztkontakt und DMP Programm.
Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Dr.W.
24.01.2017
Lieber W.,
danke für Ihren Ratschlag. Wobei ich jetzt nicht genau weiß, ob Sie mich damit vor die Wahl stellen: Entweder machen wir es so wie ich und es die Regeln der heutigen DMP vorsehen oder Sie suchen sich bitte einen anderen Arzt ? Zu letzterem hätte ich keine Lust, mache es aber natürlich, wenn es von Ihrer Seite gewünscht wird. Einen Hausarzt habe ich bisher nicht.
Ich schrieb Ihnen mit unten stehender Nachricht: Ich habe nicht gesagt, dass ich den Modus einer ambulanten Behandlung pro Quartal nicht weiter respektiere. Allerdings werde ich mich nicht mehr auf eine Waage stellen, bei der eine Computerstimme in mein Gehör dringt (das sollte übrigens auch ironisch gemeint sein, obwohl mir diese künstliche Stimme wirklich weh tut). Beim Messen des Blutzuckers wird es bei mir immer wieder Tage geben, an denen es nicht sehr häufig vorkommt (vor allem, wenn ich nur daheim bin). Damit habe ich Ihnen meiner Meinung nach mitgeteilt, dass ich dem von Ihnen erwähnten "Minimalkonsens" nachkomme. Beim Messen des Blutzuckers erscheint mir Ihre Auffassung weiterhin zu einseitig eingefärbt. Immerhin messe ich ja nicht täglich nur einmal, sondern es gibt auch Tage, an denen ich 4-mal oder sogar schon 5-mal gemessen habe. Eben flexibel, von der Situation an einem Tag abhängig. Ich habe nicht die Einstellung auf eine kategorische Fixierung, so und nicht anders geht es, weshalb ich mir diese Flexibilität einräume. Wobei mir wieder die Diabetologen einfallen, die immer meinten mir ein gentechnisches Insulin geben zu müssen und mir keine Tipp gaben, was für ein wunderbar hilfreiches Medikament das tierische Insulin ist. Und das eben wohl auch nach den allgemein anerkannten DMP-Regeln. Ich bitte Sie diesen Einwand einfach zu akzeptieren, der mich dazu bewegt, dass auch allgemein anerkannte Regeln hinterfragt werden sollten. Der Mensch ist ein Individuum und als solches kann er (auch nicht medizinisch) in eine fixe Regelung gepackt werden.
Aber ich will Ihnen nicht weiter die Zeit rauben. Ich freue mich auf eine Antwort auf die eingangs dieser Mail von mir gestellten Frage. Die Computerstimme der neuen Waage in Ihrer Praxis stelle ich mir einfach als Sopranstimme in einem Solo einer Oper vor, um damit auch den Humor als wichtiges Element des mir geschenkten Lebens zu genießen.
Herzlicher Gruß von
Volker Henkel
Name des Arztes anonymisiert. Team IC.