Neue Leitlinie (der DDG) für Diabetiker im Straßenverkehr

  • Zugriff auf medizinische Daten ist unter Gesundheitsdatenschutz ebenfalls nicht möglich. Anbieter für die Speicherung personenbezogener Gesundheitsdaten, z.B. Abbott, haben in ihren Datenschutzerklärungen entsprechende Passagen. Eine Weitergabe an Dritte ist demzufolge gesetzmäßig ohne Einverständnis des Betroffenen nicht zulässig.

    Hast du zu dieser Aussage eine (juristische) Quelle?

    Denn in der oben verlinkten Leitlinie steht exakt das Gegenteil, nämlich das die Daten beim Hersteller gerade nicht von der Schweigepflicht geschützt sind und daher problemlos beschlagnahmt werden können.


    Auch Abbott hält sich in der von dir zitierten Datenschutzerklärung (Punkt 8) die Option offen, die Daten auf "Anfragen von staatlichen Behörden" herauszugeben. Sie behalten sich sogar das Recht vor, die Daten herauszugeben, wenn sie "glauben, dass dies notwendig ist".

  • das fiese dabei ist, dass wir ja gar keine Möglichkeit haben, zu widersprechen, weil wir ansonsten nicht auswerten und keine Therapieentscheidungen treffen können. Ich könnt kotzen

    Blutzucker ist die Autobahn, Gewebszucker ne Nebenstraße!

  • Auf der Seite https://www.datenschutzbeauftr…eitergabe-nach-der-dsgvo/ wird es langatmig erläutert.


    Polizei und Ermittlungsbehörden erhalten auf personenbezogene Daten demnach nur genehmigten Zugriff, wenn es um die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder die Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit geht.


    Einen Diabetiker finde ich da nicht wieder. Abbot würde die Daten im Falle eines genehmigten Behördenzugriffs herausgeben, die Chance für die Genehmigung dürfte aber m.E. gegen Null gehen, weil keine Grundlage für einen genehmigungsfähigen Beschluss vorliegt.

  • Also aus meiner Erfahrung bzw. Lehre werden Leitlinien bei Gerichtsverfahren immer mit einbezogen. Ich kenne es allerdings als S3 Leitlinie als geschultes Medizinpersonal. Will sagen, ich habe die Leitlinie gelernt und das auch unterschrieben. Wenn es zu einem Verfahren kommen würde (Gott behüte), käme die Frage "Warum haben Sie sich nicht an die Leitlinie gehalten?" auf jeden Fall. Natürlich immer im Zusammenhang mit dem Einzelfall.


    Diese Leitlinie ist eine S2e Leitlinie (Evidenzbasiert (S3 bedeutet Evidenz + Konsensbasiert)) - ist also von ihrer "Gültigkeit" her schwächer, und so lange keiner von uns etwas unterschreibt, kann kein Gericht davon ausgehen dass wir diese kennen. Da würde wahrscheinlich eher der Diabetologe Ärger kriegen bzgl verpasster Schulung.


    Weiß nicht ob es jetzt wirklich weiterhilft. Aber das juckte mir in den Fingern 8o

  • jetzt malt mal den Teufel nicht an die Wand. Datenschutz ist Gesetz. Und in der Richtlinie steht nur, dass man theoretisch an die Daten in der Cloud könnte. Praktisch sind daran sehr hohe juristische Hürden geknüpft. Das geht nicht wegen einem Bagatellunfall.


    Und zwischen grober und normaler Fahrlässigkeit bestehen gravierende Unterschiede. Um grob fahrlässig zu handeln, muss man bewusst jegliche Vernunft ausschalten und z. B. besoffen oder bekifft fahren.


    Und einen berechtigten Drittschaden muss die Haftpflichtversicherung immer erst mal zahlen. Die Regressforderung beim Versicherungsnehmer ist begrenzt auf 5000 Euro, also nichts existentielles.

  • Richtig, Drittschäden werden immer bezahlt, Regress gegenüber den Schäden Dritter geht auf max 5000€.


    Wobei das Problem sein könnte, dass du (a) auf deinem Schaden bei Vollkasko komplett sitzen bleibst und (b) bei eigener Invalidität mit Folgeschäden hässliche Angriffspunkte für "wir zahlen nix" ggf. zahlungspflichtiger Versicherungen bietest. Was am Ende auch ein Problem sein kann.

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    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • Das Problem bei grob fahrlässigem Verhalten bzgl Kaskoschäden besteht öfter als man glaubt. Da reicht das Überfahren einer roten Ampel oder Diebstahl des nicht verschlossenen Autos.

  • Und zwischen grober und normaler Fahrlässigkeit bestehen gravierende Unterschiede. Um grob fahrlässig zu handeln, muss man bewusst jegliche Vernunft ausschalten und z. B. besoffen oder bekifft fahren.


    Die Frage ist, ob man bei einem BZ Wert kleiner 69 automatisch grob fahrlässig handelt? Wie auch immer die Behörde dann an diesen Wert gekommen sein mag. Gerade wenn man CGM einsetzt kann man evtl davon ausgehen, dass die Werte zum Zeitpunkt des Unfalls bekannt waren.

    Closed Loop Open Mind

  • Die Frage ist, ob man bei einem BZ Wert kleiner 69 automatisch grob fahrlässig handelt?

    Wenn einem dieser Wert bei Fahrtantritt bekannt war, wahrscheinlich schon. Aber mit (echten) 69 würde ich sowieso nicht mehr losfahren, deshalb mache mir darüber keine Gedanken.


    Juristisch ist das Ganze viel komplizierter. Es muss nämlich nachgewiesen werden, dass man den niedrigen Wert kannte und ihn ignoriert hat. Dabei gilt nicht der Wert zum Unfallzeitpunkt (den ggf. auch ein Sanitäter einfach feststellen kann), sondern der bei Fahrtantritt. Wie soll denn festgestellt werden, wann man den letzten Wert abgelesen hat. Dann muss auch noch die Messtoleranz berücksichtigt werden. Was ist mit einem Sensor, der um 20 oder 30 zu hoch oder zu niedrig anzeigt? Muss man die im konkreten Fall gegebene Abweichung wissen? Ich glaube, ein gut informierter Anwalt hätte leichtes Spiel, seinen Mandanten raus zu hauen.


    Gerade wenn man CGM einsetzt kann man evtl davon ausgehen, dass die Werte zum Zeitpunkt des Unfalls bekannt waren.

    Wieso? Wem außer dir sollten die bekannt sein? Wie oben schon mehrfach geschrieben, sind Gesundheitsdaten besonders geschützt. Da kommt auch eine „Behörde“ nicht so einfach ran, eine Versicherung schon mal gar nicht. Nicht umsonst wird ein richterlicher Beschluss benötigt. Dabei muss dem Richter begründet werden, weshalb das öffentliche Interesse über jeglichen Persönlichkeitsrechten steht. Das ist nur in Ausnahmefällen möglich, ansonsten wäre es unverhältnismäßig und damit rechtlich unzulässig - die Daten dürften nicht verwertet werden. Ähnliches kennt man hinsichtlich Verbindungsdaten oder Handyortung.

  • § 12 Ziffer 3 der AKB (Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeugversicherung) beinhaltet einen Regressverzicht:


    Zitat

    (3) Bei Personenkraftwagen, Krafträdern und Wohnmobilen im Sinne der Tarifbestimmungen verzichtet der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvoll- und Fahrzeugteilversicherung auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls. Ausgenommen von diesem Verzicht sind

    - die grob fahrlässige Ermöglichung des Diebstahls des Fahrzeugs oder seiner Teile und
    - die Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke
    oder anderer berauschender Mittel.


    Da Insulin nicht unter die berauschenden Getränke und Mittel fällt, sehe ich dem gelassen entgegen.


    Außerdem muss bei Regressansprüchen - egal ob Haftpflicht- oder Fahrzeugversicherung (Teil-/Vollkasko) immer ein Kausalzusammenhang zum Schadenereignis hergestellt werden.

    Wird einem unterzuckertem Diabetiker die Vorfahrt genommen, müsste zunächst der Beweis angetreten werden, dass er den Unfall hätte vermeiden können, wenn er nicht unterzuckert gewesen wäre.


    Rote Ampeln geben da wesentlich mehr her und sind von der Beweislage auch einfacher händelbar.

    Mit der Thematik an sich musste ich mich in den letzten 35 Jahren, meines mittlerweile beendeten Berufslebens, gelegentlich herumschlagen.

  • umso besser für dich.

    Dieser Verzicht steht aber nur in den neuen Verträgen und dann je nach Versicherung auch nur in den Komforttarifen, nicht im günstigsten Basistarif. Sollte man drauf achten, ein Wechsel lohnt sich.


    AKB ist nicht AKB, kommt immer drauf an, wann mit welcher Version und bei welcher Gesellschaft man abschließt.

  • Ich fahre persönlich nicht unter 80mg/dl ausser ich habe gerade was gegessen und habe das mit einberechnet.


    Ich habe in meiner Versicherung auch extra den Verzicht auf die grobe Fahrlässigkeit gewählt. Aber doof finde ich das trotzdem alles.

    Optimismus ist Mangel an Detailkenntnis

  • Mir gefällt der Absatz nicht, dass laut Leitlinie eben manche Systeme vorsehen, dass der Patient die damit ausgelesenen Daten in einer "Cloud" beim jeweiligen Hersteller speichern und die Emittlungsbehörden die Daten dort beschlagnahmen bzw. Einscihtnahme erzwingen können. Der Anbieter kann sich nicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen....

    Demnach sollte man sich wahrscheinlich überlegen, ob man sich von den Cloud-Lösungen verabschiedet, dies ist ja bei Eversense z. B. der Fall. Und auf der anderen Seite sollten wir Diabetesutensilien (wozu ich Traubenzucker zähle) griffbereit haben. Dies könnte aber auch zum Nachteil ausgelegt werden, wenn dies sichtbar im Fahrzeug aufbewahrt wird. Sobald den "unwissenden" Unfallbeteiligten und meinetwegen auch Polizisten auffällt, dass Diabetes mit im Spiel ist, gäbe das nur unnötiges Potential, dass der Diabetes nun Schuld an allem ist. Es kann ja auch sein, dass man selbst überhaupt gar keine Schuld an dem Unfallgeschehen hat.

    Mein Fazit: ich würde in jedem Fall zusehen, dass eben nicht ersichtlich ist dass ich Typ I er bin.

    Unabhängig von alledem ist ja noch zu wissen, dass es sich um eine Leitlinie handelt, nicht aber um ein Gesetz. Demnach ist das für mich eine Kann-Vorschrift, nicht aber ein in Stein gemeißeltes Werk.

    Danke für Deine tollen Gedanken. Genau so ist die Realität. Diabetes leugnen, sonst ist man Freiwild.

  • Bei Bastelprojekten ist also der der Patient selbst schuld, wenn er dadurch einen Unfall baut.

    Aber wer haftet denn überhaupt, wenn ein Diabetes-Gerät nicht richtig funktioniert hat?

    Aus dem Garantie-text des Freestyle Libre:

    Zitat

    Abbott garantiert nicht den unterbrechungsfreien oder fehlerfreien Betrieb des Messgeräts und Abbott haftet auch nicht für etwaige beiläufig entstandene Schäden oder Folgeschäden, die direkt oder indirekt von der Nutzung des Messgeräts herrühren oder daher, dass das Messgerät nicht gemäss seinen Spezifikationen funktioniert.

    Wenn Abbott für Fehler in seinem offiziell zugelassenem Medizinprodukt nicht haftbar ist, was ist dann der Unterschied zu den Bastelprojekten?

  • Wenn Abbott für Fehler in seinem offiziell zugelassenem Medizinprodukt nicht haftbar ist, was ist dann der Unterschied zu den Bastelprojekten?

    Der Libre ist nun mal ein zugelassenes Medizinprodukt und DIY nicht. Aber ob der Haftungsausschluss von Abbott juristisch gültig ist, dürfe sehr fraglich sein. Die können viel schreiben, schlussendlich müsste ein Richter entscheiden. Es gibt nun mal bei uns eine gesetzliche Sachmängelhaftung und die kann man durch solche Formulierungen nicht umgehen (insbesondere nicht Schäden an Leib und Leben).


    Damit ist eher gemeint, dass dein T-Shirt nicht ersetzt wird, wenn du es durch einen Blutfleck beim Entfernen des Libre ruinierst.


    Man muss generell auch zwischen der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Haftung (wenn's um Schadenersatz geht) unterscheiden. Das Thema ist juristisch sehr komplex.