Verwirrung normnahe Einstellung ja/nein

  • Ich wusste nicht, wo ich das sonst posten sollte, aber ich bin mal wieder etwas verwirrt und bräuchte Aufklärung:


    Ich war gestern Abend mal wieder ein bisschen im Netz unterwegs und bin auf eine Art Broschüre zu einer Tagung in 2015 gestoßen. In einem Artikel geht es um die BZ-Einstellung und es wird die These diskutiert, dass eine zu "gute" Einstellung neben einer schlechten auch nichts bringt. Das deute sich durch Meta-und Registerstudien an:

    "Registerstudien [3] zeigen, dass
    eine zu strenge Blutzuckereinstellung mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einhergeht.
    Die Studien lassen aber auch keinen Zweifel daran, dass ein HbA1c
    >8,5 mit einem erhöhten Risiko
    für den Patienten verbunden ist.
    Daher gibt es kein Argument für
    eine schlechte Blutzuckerkontrolle, aber auch kein Argument
    für eine normnahe Blutzuckereinstellung. So wird deutlich, dass der
    einzige Spätschaden, der zu 100%
    durch eine Blutzuckersenkung beseitigt werden kann, das Koma ist.
    Bei den anderen Spätschäden kann
    nur ein partieller Effekt durch die
    Blutzuckersenkung erreicht werden. Daher ist ein hoher Blutzucker nicht immer schädlich, zumal
    nicht alle Patienten an diabetischen Spätschäden leiden."


    Seite 6.https://www.thieme.de/statics/dokumente/thieme/final/de/dokumente/zw_current-congress/Cc_Diabetes_Berlin_2015_Internet.pdf


    Was ist davon zu halten? Der Artikel ist ja schon ein bisschen älter, ihr strebt alle eine normnahe Einstellung an und in allen Leitlinien steht auch, dass zumindest bei Typ1 je nach Lebensalter, Compliance und weiteren Krankheiten normnahe Werte anzustreben sind, wenn das möglich ist. Für Typ 2 weiß ich es nicht genau, da hier meist nicht so großartig auf Insulintherapie eingegangen wird und die Patienten, die Insulin bekommen, auch meist älter sind. Da wird dann immer CT mit Mischinsulin und Zielwert unter 8,5 bzw. auch höher als sinnvoll erklärt oder eben ICT analog zu Typ 1. Für die anderen Typen findet man leider fast gar nichts, außer Gestationsdiabetes.

    Von meiner Praxis bekam ich nur gesagt, dass große Schwankungen nach unten Gift sind, da wird aber so getan, als wäre einmal pro Tag über 200 kein Problem. Nun besteht bei mir wohl nicht das Risiko einer Ketoazidose, deswegen können die das locker sehen. Für die ganzen Folgeerkrankungen wüsste ich aber schon gerne, was da gerade Stand der Forschung ist.

    Hat jemand gute Quellen parat? Mir geht es jetzt nicht drum, das Für und Wider zu diskutieren, sondern ich bin wirklich an Informationen interessiert, weil ich eben nach Diagnose keine Schulung hatte, in der man das alles hätte ausführlich besprechen können.

  • es gab eine Studie, dass typ2ler mit "gutem hba1c eher sterben als typ2ler mit schlechtem hba1c. Der Grund war, dass die Personen eher herz Kreislauf Probleme hatten und durch die Hypos dessen Kreislauf belastet würde. Ich habe sie selber nie gelesen, lediglich über sie. Es kann also sein, dass auch typ1er in die Studie Eingeflossen sind.

    Auch ich hatte damals eine Ärztin die mir sagte ich solle nun einen hba1c über 7 anstreben. Die ließ sich nicht davon überzeugen dass dies nicht pauschal für alle Diabetiker gilt.

  • Da wüsste ich aber auch gerne, wie in den Studien das Kollektiv zusammengesetzt war. Im Durchschnitt müssten die Patienten mit Typ 2 ja eigentlich immer älter sein, oder? Faktoren wie Alter oder Bluthochdruck müsste man doch eigentlich herausrechnen können. Für mich ist das alles immer noch ein Buch mit 7 Siegeln und die meisten Informationen, die man findet, sind so nutzerfreundlich oberflächlich, dabei habe ich sogar über die Uni Zugang zu diversen Artikeln und Fachbüchern. Ich wüsste eben gerne, worauf solche Empfehlungen fußen.

    Und dann gibt es teilweise noch so plakative Minderheitenmeinungen, wo ich auch nie weiß, was davon zu halten ist.

  • Ja, cih denke das ist die Studie, die auch in meiner Quelle genannt wird, vielen Dank!

  • Diese Diskussion kenne ich.


    Meine Meinung dazu.


    Wenn der Patient ohne großen Aufwand, bessere Werte erreichen kann, sollte er sich nicht darauf ausruhen, dass eine normnahe Einstellung nix bringt.


    Jedoch einmal pro Tag kurz über 200 ist vermutlich weniger schädlich, als mehrfach wöchentlich eine Hypo u60.


    Und vermutlich ist auch eine stabile, dafür etwas höhere Kurve deutlich besser (auch psychisch) als eine niedrige Kurve, dafür ständiges Essen, damit der BZ nicht zu tief geht und dafür wieder gegenspritzen müssen, sollte er wieder etwas zu hoch gehen.

  • Zitat

    Auch ich hatte damals eine Ärztin die mir sagte ich solle nun einen hba1c über 7 anstreben. Die ließ sich nicht davon überzeugen dass dies nicht pauschal für alle Diabetiker gilt.



    Viele Diabetologen, die einem raten HbA1c von über 7% zu haben wollen einfach nur ihre Hintern retten.

  • Was auch dich Trygg vermutlich besonders interessiert.

    Mir wurde vom Arzt gesagt, bei mir persönlich mit meinem pankreopriven Diabetes sollte ich schauen, meine BSD mit Insulin bestmöglichst zu entlasten, damit sie sich nicht überanstrengt. Damit kann ich auch vermutlich eine weitere Pankreatitis verzögern/verhindern. Könnte mir vorstellen, dass das auch bei Mukoviszidose ähnlich sein könnte. Je besser man sie unterstützt, je länger kann die BSD noch zumindest einen Teil ihrer Leistung bringen.

  • Ohne diese verlinkten Artikel gelesen zu haben ...


    Ich denke mal, so hat es mir mein Doc dargestellt, ist das oberste Ziel eine Gleichmäßige BZ-Kurve.

    Wenn dies dann noch mit einem nicht zu hohen Zielwert einhergeht, dann ist es auch nimmer weit zu einer normnahen Einstellung.

    Bei einer zu knappen Einstellung und evtl. zu grosser Streuung neigenden BZ-Führung ist halt damit zu rechnen, dass es häufiger UZ gibt, die möglicherweise Fremdhilfe bedeutet. Oder der Diabetiker verliert wg. UZ das Gleichgewicht und knallt an eine Kante, was nicht gut wäre.

  • Sowas ähnliches hatte mir mein Diabetologe auch im Gespräch gesagt. Dass man noch nicht wisse warum, das Folgeschäden aber auch bei sehr gut eingestellten Diabetikern vorkommen. Und mit sehr gut eingestellt meinte er ein Hba1C zwischen 5 und 6 ohne große Schwankungen. Er wolle mich nicht verrückt machen, aber das wohl er mir auch nicht vor enthalten.

    Eine Studie darüber habe ich aber bisher nicht gefunden und hoffe irgendwie dass das nur seine persönliche Meinung ist und nicht wirklich Hand und Fuß hat. 😨

  • die Frage ist halt, ob die in der Studie die "gute Einstellung" am HbA1c festmachen (wovon ich ausgehe) oder am TIR oder vielleicht an der Schwankungsbreite. Die letzten beiden halte ich für relevanter...

    Blutzucker ist die Autobahn, Gewebszucker ne Nebenstraße!

  • Ich habe mich jetzt ein bisschen durchgewühlt. Also es ist tatsächlich so, dass die Studie und auch alle in ihr erwähnten Studien sich anscheinend nur auf Typ 2 beziehen und das Patientenkollektiv immer etwa 50+ mit oder ohne Vorerkrankungen am Herzen ist. Diese eine Studie findet dann eine U-förmige Kurve, die nahelegt, dass eine zu straffe und zu laxe Einstellung schlecht ist. Die anderen Studien, die darin erwähnt werden, kamen aber wohl eher zu einem anderen Ergebnis und die Autoren machen auch klar, dass viele Daten fehlen. Der niedrige HbA1c könne auch mit vielen Hypoglykämien verknüpft sein, die für die Gefäße wohl Gift sind.

    Vielleicht werde ich die Tage nochmal diese anderen erwähnten Studien anschauen. Ich nehme daraus auf jeden Fall mit, dass es keinen Sinn hat, sich einen niedrigen Wert über Hypos zu erkaufen, was ja im Grunde meine Beraterin auch gesagt hat und ich so auch praktiziere.


    Welchen Typ ich habe, spielt für mich da weniger eine Rolle, Typ 1 ist es jedenfalls nicht. Von Typ 2 war nie die Rede, es würde auch wenig Sinn ergeben und wie groß jeweils die Rolle der Medikamente und meiner erblichen Vorbelastung ist, ist ja weniger relevant, weil ich beides nicht ändern kann. Jedenfalls entwickeln 75% der Patienten mit meiner Krankheit nach Transplantation Diabetes. Für mich ist die Studie trotzdem ein bisschen relevant, weil Typ 2 Diabetiker im Alter oft ähnliche gesundheitliche Probleme haben wie ich gerade durch die Medikamente, z.B. erhöhte Triglyzeridwerte und eine Nierenisuffizienz. Ich bin zwar auf dem Papier 35, aber mein Körper irgendwie nicht so. ;)


    Die Studie nimmt auch Daten bis 1986, weiß auch nicht, wie seriös das ist, wenn man bedenkt, wie viel sich seitdem bei Insulinen etc. getan hat. Vielleicht hatten die Leute mit HbA1c unter 6,5 damals auch täglich eine Hypo, das kann ich nicht beurteilen.

  • Sowas ähnliches hatte mir mein Diabetologe auch im Gespräch gesagt. Dass man noch nicht wisse warum, das Folgeschäden aber auch bei sehr gut eingestellten Diabetikern vorkommen. Und mit sehr gut eingestellt meinte er ein Hba1C zwischen 5 und 6 ohne große Schwankungen. Er wolle mich nicht verrückt machen, aber das wohl er mir auch nicht vor enthalten.

    Eine Studie darüber habe ich aber bisher nicht gefunden und hoffe irgendwie dass das nur seine persönliche Meinung ist und nicht wirklich Hand und Fuß hat. 😨

    Welche von dieser Personen werden eher Folgeschäden haben?



    HbA1c ist nicht gleich HbA1c. Sehr große Bedeutung haben die BZ-Schwankungen.

  • Klar, aber das ist halt so eine Sache, auch für Studien: Wie bestimmt man das valide? Ich habe z.B. gerade wieder einen Sensor, der Hypos anzeigt, sobald ich auf der rechten Seite liege. Man kann ja über den HbA1c sagen, was man will, aber innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite ist es ein halbwegs zuverlässig bestimmbarer Wert, auch wenn ich selber eigentlich mehr auf TIR gucke. Und retrospektiv über viele Jahre lässt sich TIR ja gar nicht untersuchen, schon gar nicht bei Typ 2ern mit Tabletten. Vielleicht in ein paar Jahrzehnten.

  • Im Durchschnitt müssten die Patienten mit Typ 2 ja eigentlich immer älter sein, oder?

    i.d.R., aber ich habe auch schon eine 20-ig-Jährige mit Typ 2 kennengelernt. Sie war ein Wohlstandsopfer, hatte nie Obst und Gemüse zuhause gegessen.......und natürlich sehr adipös. Typ 2er gibt es inzwischen nicht nur in der älteren Generation.

    nest

    Grüße nest

  • Ja ich habe auch schon jüngere Typ 2 getroffen. Unter 40 abwärts. Zumindest bei denen war es der Wohlstandsadipositas.

    Optimismus ist Mangel an Detailkenntnis

  • Ob "McDonalds-Opfer" unter "Wohlstand" fällt, ich weiss ja nicht. Und ja, es gibt genetische Faktoren, die aber AFAIK nicht Kausal eine "kannste nix machen" Typ-2 verursachen.


    Siehe zur Altersverteilung https://www.lzg.nrw.de/_php/lo…ngen/diabetes-2_abb_1.png ....


    Zitat aus dem dazugehörigen Artikel: "Bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status liegt die Prävalenz bei 14 %, in der Gruppe mit mittlerem sozioökonomischen Status bei 8,3 % und in der höchsten Statusgruppe bei 7,5 %."


    Faktor 2 durch (vermutlich) Ernährung & Bewegung sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit bei Menschen mit "niedrigem sozioökonomischen Status" auf Raucher zu treffen.

    --
    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • Von meiner Praxis bekam ich nur gesagt, dass große Schwankungen nach unten Gift sind, da wird aber so getan, als wäre einmal pro Tag über 200 kein Problem.

    ist es auch nicht wirklich.... kommt tatsächlich auch beim Nichtdiabetiker vor. Ich habe damals bei meiner Diagnose systematisch alles gelesen was es damals als Fachliteratur gab. Seitdem sind nicht viel Erkenntnisse dazu gekommen - leider - die Erkenntnisse über Typ1 sind eher dünn gesäht, aus den ganz alten Büchern habe ich mir noch 10 Jahre Lebenszeit ausgerechnet. Mit großer Sicherheit Folgeschäden.

    Auch ich habe eine Studie dazu gefunden, HbA1c von 8 mit geringen Schwankungen versus große Schwankungen.


    Aus Gesprächen mit meiner Augenärztin kam heraus, das die Todeskombi der zu hohe Blutdruck ist. Der Zucker macht die Gefäße mürbe und der Blutdruck lässt sie platzen.


    Von daher habe ich meine Vorgehensweise gegen den Unsichtbaren Feind wie folgt gestaltet:

    - Gewichtszunahme vermeiden (das geht bei normnahen BZ kaum, da Insulin ein Masthormons ist)

    - moderate regelmäßige Bewegung (Wandern, Radfahren, Gartenarbeit)

    - Stressvermeidung

    - guter Schlaf

    - Vermeidung von Hypos (!!!!) nicht wegen Bewußtlosigkeit sondern wegen nachfolgender Gegenregulation

    - Insulinzufuhr stabil halten und begrenzen

    - (fast) kein Brot oder andere leere KH, dafür Obst

    - moderaten Rotweingenuß

    - ausreichend Eiweißzufuhr (viel Fisch)

    - weniger Nitridpökelsalz haltiges (Wurst &Co)

    - BZ Zielwert in der Pumpe 6mmol

    Mein letzter Hb1Ac war 6,7, ich komme in diesen Bereich, wenn meine BZ nachst gut liegen... (zwischen 5 und 8mmol) wenn das der Fall ist, ist der Rest nur ein bisschen Disziplin ;)

    Zu niedrige Werte habe ich selten...

    ... ich bin damit 20 Jahre gut gefahren (in den ersten Jahren mit HbA1c von 4-5 und 2 Schwangerschaften) und denke, es gibt immer noch Verbesserungsbedarf... aber das Gefühl bei einer nächtlichen Hypo einen Herzinfarkt zu bekommen (so fühlt es sich zumindest an) möchte ich gern vermeiden


    Von daher kann ich Dir nur empfehlen - nachdem Du alles gelesen hast - Deinen eigenen Weg zu finden und Dich nicht von der überzogenen Vorstellungen einer Minderheit verücktmachen zu lassen. :saint:

    Leg Dich nicht mit Zucker an, er ist raffiniert! :bigg

  • Jedoch einmal pro Tag kurz über 200 ist vermutlich weniger schädlich, als mehrfach wöchentlich eine Hypo u60.

    Eben nicht.

    Meines Wissens nach ist alles über 140 schädlich. Besonders wenn man viele Fluktuationen im Tagesverlauf hat, sind diese ein weiterer Risikofaktor.

    Besser wäre es dann tatsächlich, einen konstant hohen BZ zu haben, aber mit wenig Fluktuationen.

    Beides, hohe BZ Spitzen und starke Fluktuationen sind aber die schlechteste Kombination.