Warum senkt Bewegung den Blutzucker?

  • Hi!

    Siehe Titel. Kann mir jemand kurz und knapp erklären, warum eigentlich Bewegung den Blutzucker senkt? Was ich nicht verstehe: damit der Körper auf den Zucker zugreifen kann, muss er doch erst in die Zellen. Dafür braucht es Insulin. Wenn ich jetzt zu wenig oder kein Insulin zur Verfügung habe, kann doch aber der Zucker auch nicht genutzt werden und er dürfte durch Bewegung auch nicht verschwinden. Demnach dürfte der Zucker nur wieder aus dem Körper kommen, indem er über die Niere ausgeschieden wird. Wo ist mein Denkfehler?

  • INHO erhöht Bewegung die Insulinempfindlichkeit der Zellen.

    Insulin ist aber immer vorhanden, und wenn es 'nur' die Basalversorgung ist.


    Das, was Du als ausscheiden über die Nieren beschreibst, ist die überschrittene Nierenschwelle, die erstmal damit nix zu tun hat.


    Zucker verlässt den Körper nicht als Rohstoff, sondern als in Wärme umgesetzte Energie.

    Ein anderer Teil als Energie braucht schon der Muskel, damit Du Dich bewegen kannst.


    Das mal so, wie ich die BioChemie im Hinterkopf habe.

  • Wenn gar kein Insulin vorhanden ist (hoher BZ und Ketone) ist Sport verboten.


    Sonst hast du ja immer Insulin zur Verfügung, ob wie bei dir und mir die Restfunktion selbst, sonst über Basalinsulin.

  • Der Punkt ist, dass deine Muskeln erst mal Glucose verbrennen. Damit sinkt der Zuckerspiegel in den Muskeln. Mit sinkendem Zuckerspiegel wiederum steigt die Insulinempfindlichkeit der Rezeptoren dort an, womit das alleine übers Basal vorhandene Insulin schlicht besser wirkt.


    Der Regelmechanismus im Körper basiert auf zwei einfachen Regeln:

    * Blutzuckerspiegel in einer gewissen Range, siehe die "80" eines normal gesunden Menschen. Je höher der BZ, desto mehr Insulin wird produziert.

    * je insulinempfindlicher ein Zuckerakzeptor wie eben "leere Muskeln", desto mehr nimmt der auf. Damit wird die Verteilung und der Abbau des Zuckers im Körper geregelt und gut geforderte Organe bekommen mehr als solche, die "quasi voll" sind. Das heißt, Zellen mit den niedrigsten Empfindlichkeiten bekommen erst nennenswert was wenn alle anderen bedient sind.


    Zwei einfache Regeln, funktioniert halt.


    Was übrigens auch erklärt, wieso man mit kohlehydratreicher Ernährung ganz gut zunehmen kann. Und warum diverse Diäten wie "Atkins" eben auf dem Entzug von Kohlehydraten basieren. Ist ja nicht so, dass sich das die "Brigitte" mal als Sommerlochfüller ausgedacht hat. Kohlehydrate gehen eben ins Blut (sehen wir jeden Tag) und müssen dann über Insulin irgendwohin abwandern. Bei Typ-2 im Anfangsstadium eben mit riesigen Mengen Insulin, bei Typ-1 bis die Nierenschwelle überschritten wird und man pissen muss wie ein Elefant. Oder beides, da sich die Mechanismen nicht gegenseitig ausschließen.


    Daher kommen auch die Ansätze, bei früh erkannter Typ-2 die Insulinunempfindlichkeit abzubauen und somit die Bauchspeicheldrüse zu schonen: "Weniger essen sowie abnehmen" und zugleich "Sport". Was bei Typ-1 relativ witzlos ist, da eben Insulin fehlt.

    --
    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

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  • dazu habe ich eine tolle Beschreibung unter : diabetesinfo.de dort gibt es verschiedene Downloads als PDF die alles gut beschreiben


    schönen Tag noch

  • Danke für die guten Erklärungen, jetzt ist mir das auch klar.

    Molekularbiologisch liegt es daran, dass es verschiedene Transportproteine gibt, die den Zucker in die Zellen schleusen.


    Das Gehirn hat z. B. welche, die insulinunabhängig arbeiten, damit wir immer denken können :) (GLUT-1-Transporter)


    Die Muskeln und auch die meisten anderen Zellen arbeiten mit GLUT-4 Transportern.


    Deren Menge hängt vom Insulinspiegel ab, sie können aber auch durch Sport unabhängig vom Insulin in die Zellwände eingebaut werden, daher dann eine höhere Empfindlichkeit auf Insulin.


    https://flexikon-mobile.doccheck.com/de/Glucosetransporter

  • Der Punkt ist, dass deine Muskeln erst mal Glucose verbrennen. Damit sinkt der Zuckerspiegel in den Muskeln. Mit sinkendem Zuckerspiegel wiederum steigt die Insulinempfindlichkeit der Rezeptoren dort an, womit das alleine übers Basal vorhandene Insulin schlicht besser wirkt.


    Der Regelmechanismus im Körper basiert auf zwei einfachen Regeln:

    * Blutzuckerspiegel in einer gewissen Range, siehe die "80" eines normal gesunden Menschen. Je höher der BZ, desto mehr Insulin wird produziert.

    * je insulinempfindlicher ein Zuckerakzeptor wie eben "leere Muskeln", desto mehr nimmt der auf. Damit wird die Verteilung und der Abbau des Zuckers im Körper geregelt und gut geforderte Organe bekommen mehr als solche, die "quasi voll" sind. Das heißt, Zellen mit den niedrigsten Empfindlichkeiten bekommen erst nennenswert was wenn alle anderen bedient sind.


    Wäre an sich logisch, ist aber imo so nicht bewiesen. Der evolutionäre Sinn der gesteigerten Insulinempfindlichkeit durch Sport ist sicherlich dieser. Der Mechanismus scheint aber eher über mechanische reize an den Muskelzellen zu funktionieren, nicht über den Glukoseverbrauch. Zumindest habe ich bisher nur das in Studien gelesen.

    Die zusätzlich in die Muskelzelle aufgenommene Glukosemenge ist auch nicht gleichzusetzen mit der dort zusätzlich verbrauchten Glukose, Muskelzellen haben jede Menge Speicherkapazität.

  • Kann mir jemand kurz und knapp erklären, warum eigentlich Bewegung den Blutzucker senkt?

    Bei mir und allen anderen Freßmonstern:

    Weil ich während des Sports nichts nebenbei essen kann.

    Auf jeden Fall nicht viel.

    :rofl


    LG

    zuckerstück

    Das ist mein erster Garten, ich übe noch.🐞🌼

  • Deine Kiefermuskulatur bewegt sich doch und dazu die Oberarm-Muskeln beim einarmigen Reissen in der offenen Halbliterklasse.

    --
    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • Der Mechanismus scheint aber eher über mechanische reize an den Muskelzellen zu funktionieren, nicht über den Glukoseverbrauch.

    Nein, mechanisch läuft das nicht. Glukosemoleküle gelangen über Glukosetransporter in die Zelle. Bei den Skelettmuskeln über die das Typs 4 (GLUT-4).

    Der Reiz, diese GLUT-4 in die Zellmembran einzubauen kommt vom Insulin. Das dockt an die Zelle an, verschwindet dann zusammen mit dem Insulinrezeptor in der Zelle und löst dort kaskadische Prozesse aus. Am Ende dieses Prozesses werden eben GLUT-4 quasi als Tor für die Glukosemoleküle in die Zellwand eingebaut.
    Wenn die Energiereserve des Muskels - der speichert ja Glukose in Form von Glykogen - abnimmt, dann kann ein Molekül Insulin mehr Glukosetransporter als sonst in die Zellwand einbauen. Dadurch kann der Muskel dann mehr Glukose aufnehmen und seine Reserve wieder auffüllen.


    Neben dem GLUT-4 (der fast nur durch Aktivierung über Insulin eingebaut wird) gibt es aber noch einige andere Typen, von denen die meisten Insulinunabhängig sind. D.h. die werden auch dann in die Zellwand eingebaut, wenn kein Insulin im Körper vorhanden sind. Die versorgen dann aber keine Skelettmuskel, sondern eher andere Zellen wie roten Blutkörperchen, Nervenzelle, Zellen von manchen Organen.

    Ein Teil der Glukose im Blut wird also auch ohne Insulin vom Körper verbraucht.


    Für Einsteiger in die ganze Diabetessache hab ich das übrigens mal hier ganz einfach in Form eines Interviews beschrieben: https://www.diabetesinfo.de/einsteiger.html


    Viele Grüße
    Jörg

  • Nein, mechanisch läuft das nicht.

    Doch, tut es. Die mechanische Kontraktion der Muskelfasern ist der hauptsächliche Auslöser der erhöhten Glukoseaufnahme in die Muskelzellen über GLUT4-Transporter.


    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4324711/

    https://www.sciencedirect.com/…cle/pii/S2212877814001318

    https://journals.physiology.or…0.1152/physiol.00012.2005



    Zitat

    Wenn die Energiereserve des Muskels - der speichert ja Glukose in Form von Glykogen - abnimmt, dann kann ein Molekül Insulin mehr Glukosetransporter als sonst in die Zellwand einbauen. Dadurch kann der Muskel dann mehr Glukose aufnehmen und seine Reserve wieder auffüllen.


    Wie gesagt, dass ist der evolutionäre Sinn hinter der vermehrten Glukoseaufnahme beim Sport, aber eben nach derzeitiger Evidenz hier nicht der entscheidende biochemische Mechanismus (gibt es überhaupt eine Primärquelle, dass dieser Mechanismus so existiert?)


    Für die vermehrte Glukoseaufnahme in die Muskelzellen bei sportlicher Aktivität machen alle mir bekannten wissenschaftlichen Publikationen in erster Linie eben nicht einen solchen Effekt verantwortlich, sondern die mechanische Kontraktion der Muskelfasern.


    Diese mechanische Kontraktion löst übrigens nicht nur einen vermehrten Einbau von GLUT4 aus, sondern auch eine höhere Aktivität der einzelnen Transporter:


    "These data indicate that the activity of each glucose transporter may increase with contractions."


    "Similar to the action of insulin, it has been demonstrated that muscle contractions increase the sarcolemmal and transverse-tubular content of GLUT4"


    https://journals.physiology.or…0.1152/physiol.00012.2005



    Dass die vermehrter Glukoseaufnahme nicht in erster Linie direkt durch den tatsächlichen Bedarf ausgelöst wird, zeigt sich auch ganz anschaulich daran, dass bei schwerem Training meistens viel mehr zusätzliche Glukose aufgenommen wird als sie tatsächlich verbraucht wird. Die Menge an Kohlenhydraten, die man zum Sport zusätzlich essen muss, um eine Hypo zu vermeiden wenn man die Insulindosis nicht anpasst, ist NICHT die gleiche Menge, die beim Sport zusätzlich verbraucht wurde. Erstere Menge ist in der Regel höher als letztere. Das ist den meisten leider nicht bewusst und es erschwert Typ1 Diabetikern zusätzlich die Gewichtsabnahme durch Sport.


    Kurz gesagt: Wenn du beim Sport eine zusätzliche 0,5L Flasche Cola trinken musstest, um nicht zu unterzuckern und der BZ damit dann stabil geblieben ist, dann bedeutet das NICHT, dass der ganze Zucker aus der Cola beim Sport "verbrannt" wurde. Der zusätzliche Zucker wurde nicht in die Muskeln aufgenommen, weil die Muskeln genau diese Menge an Zucker brauchten, sondern weil die mechanische Beanspruchung deiner Muskeln den Transport erleichtert hat.

  • Wenn gar kein Insulin vorhanden ist (hoher BZ und Ketone) ist Sport verboten.


    Sonst hast du ja immer Insulin zur Verfügung, ob wie bei dir und mir die Restfunktion selbst, sonst über Basalinsulin.

    Ja das macht Sinn mit dem Sport, bzw mit dem sportverbot.

  • Oh doch, gerade die ersten Jahre wenn noch ein bisschen Insulin im Körper da ist, vereinfacht Sport das Management immens. Zusammen mit Low carb ist mein Insulin Bedarf minimal und absolut stressfrei. Ich kann mit einer kleinen Sporteinheit nacb dem Abendessen gut 20g Carbs runterdrücken, ohne IOB.