Unberechenbare Nächte

  • Hallo alle miteinander!

    Ich hatte lange Zeit eigentlich das gute Gefühl, alles auf die Reihe zu bekommen; langjähriger 25-jähriger Typ 1 Diabetiker mit einem HbA1c von 6-6,6, zufrieden mit der Therapie usw.

    Seit nunmehr einem Jahr läuft da allerdings etwas ganz schief und es wird nur schlimmer:

    Es begann damit, dass die Nacht- und Morgenwerte willkürlich anstiegen; nachts kann man mit Punkt 3 Uhr einen Anstieg aus dem Zielbereich (Libre 3) bis 250 oder sogar 350 beobachten, der quasi wie ein Pfeil ansteigt. Das schlimme ist, dass dieser Anstieg zur unzugänglichsten Zeit und in der Höhe willkürlich ansteigt und manchmal auch mal ausbleibt. Morgens bleibt er meist hoch, fällt aber in seltenen Fällen nochmal ab. Meine Diabetologin ist ratlos, wirklich ratlos und will mich zur Pumpe drängen, die ich aber aus völlig unbegründeten und doch realen Angstgründen vor diesem „Ding Pumpe“, nicht tragen kann. Ich spritze mit Pen, KZ Novo Rapid, LZ Tresiba. Ich bin wirklich am Ende mit meinem Latein und würde mich riesig freuen, wenn es irgendwen gibt, der oder die da „mehr“ weiß. Dawn-Phänomen war eine Idee, Bolus Tresiba auf spät abends verschoben, auch keine Abhilfe..
    Jetzt fängt der Wert seit kurzem auch noch an, gegen 17 Uhr ebenso grundlos graduell bis 220-250 anzusteigen, den ich auch immer nochmal extra täglich korrigieren muss.


    Ich verzweifle wirklich nachhaltig eben und fühle mich mit diesen hohen Werten furchtbar schlecht, dazu geht mir mein guter HbA1c völlig abhanden und darum bin ich nun hier…

    Hat irgendjemand eine Ahnung, was das sein kann und was man machen könnte? Ich wäre derart dankbar…



    Viele Grüße,

    Johannes

  • Die Anstiege kenne ich in der Nacht auch. Ein wirkliche Idee, daß in den Griff zu bekommen, habe ich auch nicht.

    Ich spritze Tresiba, Apidra und Fiasp.


    Eine Erhöhung von Tresiba hat nichts gebracht. Wenn ich rechtzeitig wach werde, dann spritze ich Korrektur. Das muss man dann aber bis Mittag mehrmals wiederholen, sonst fängt der Wert wieder an zu steigen.


    Metformin hilft etwas. Das habe ich versuchsweise ausprobiert und bezahle es selbst.

  • Hallo Johannes,

    so wie es aussieht wirst du um eine Pumpe nicht herumkommen - oder möchtest du andauernd mit dem Pen (auch in der Nacht) korrigieren?


    Ich hatte früher auch mal bis zu 10 x am Tag Insulin gespritzt und war danach heilfroh als ich dann endlich eine Pumpe hatte.


    Angst hatte ich natürlich auch vor so einer Pumpe denn Ich hatte immer die Befürchtung das sie mich durch zu viel Insulin mal umbringt... :patsch:

    Erst die Gespräche mit anderen "Pumpis" haben mich dann überzeugt.


    Ich möchte jedenfalls nicht mehr auf meine Pumpe (t:slim mit Control-IQ) verzichten.:):thumbup:

  • Der Anstieg hört sich für mich trotzdem nach klassischem Dawn an, also nicht nur das Basal auf spät verschieben sondern auch erhöhen und schauen welche Zeit am besten passt.


    Bei mir war das damals 0 Uhr. Erst als ich das auch mit verschiedenen Basallinsulinen nicht mehr in den Griff bekommen habe nach einigen Jahren habe ich zur Pumpe gewechselt. Seitdem keine Probleme mehr, man gewöhnt sich an alles oder auch wat muss dat muss.

    Optimismus ist Mangel an Detailkenntnis

  • Du hast ein Dawn- und ein Duskphänomen, also ein Anstieg in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag. Das ist eigentlich umso ausgeprägter, je jünger man ist, aber mit 25 jähriger Diabeteskarriere bist du eigentlich aus dem Alter raus.


    Hat sich vor einem Jahr etwas geändert?

    Hast du einen neuen Job, einen neuen Tagesablauf, die Ernährung umgestellt, zusätzliche Krankheiten bekommen, mehr Unterzuckerungen?


    Wie sieht die Kurve aus, wenn du einen Tag nichts isst?


    LG

    zuckerstück

    Das ist mein erster Garten, ich übe noch.🐞🌼

  • die ich aber aus völlig unbegründeten und doch realen Angstgründen vor diesem „Ding Pumpe“, nicht tragen kann


    magst du hierzu etwas mehr schreiben, falls das nicht zu persönlich ist? Vielleicht können "wir Pumpis" dir da ein wenig helfen, denn es wäre vermutlich echt am besten oder zumindest am einfachsten.


    Wann war dein letzter Basalratentest? Nicht dass du generell zu niedrig mit dem Basal bist und es nur im Mahlzeitenbolus untergeht? Welche anderen Basalinsuline hast du ausprobiert?


    Vielleicht lässt sich der Peak mit einem NPH-Insulin abfangen? Ich bin davon zwar kein Fan, aber die Wirkkurve ist eine komplett andere, daher könnte das (zusätzlich?) vielleicht helfen?


    Ich ruf dir mal Kappa er hat sein Dawn mit einer Kombination aus Basalinsulinen "weg" bekommen (wenn ich mich recht erinnere)

    Blutzucker ist die Autobahn, Gewebszucker ne Nebenstraße!

  • Viele haben ja früher auch mit Levemir als Basal gute Erfahrungen gemacht. Das hat ja eine etwas ausgeprägtere Wirkkurve; man könnte vielleicht mal probieren, ob das zum Schlafengehen gespritzt den Anstieg frühmorgens einfangen kann.

    "Sing this corrosion to me!"

    (Stoßseufzer eines unbekannten Seglers)

  • Hast du einen "typischen" Verlauf der 48h vor so einem nächtlichen Stunt?

    --
    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • Wow!

    Bin wirklich begeistert von dem vielen Feedback, dafür erstmal riesen Dank.

    Langzeitinsulinsmäßig fahre ich eigentlich schon eine gute Zeit, sicher 5-6 Jahre, mit Tresiba, vorher war Lantus das Mittel der Zwecke, wurde aber wegen des zweimaligen Spritzens verbannt. Novo ersetzte vor einiger Zeit Fiasp, da das irgendwann nicht mehr richtig anschlug.

    Mit einem Basalratentest hatte ich unterschiedliche Ergebnisse, mal ging es „in Ordnung“ und das andere mal gab‘s ähnliche Ausfälle. Ich habe überlegt, das LZ-Insulin wieder zu wechseln, daher in diese Richtung schonmal vielen Dank, Levemir hatte ich auf dem Schirm, jedoch noch mit einem Wechsel gewartet, vielleicht probiere ich das mal.

    Ansonsten sehe ich langsam ohne Pumpe auch kein Land mehr, es ist allerdings keine Angst vor der Funktion, sondern eher dem Tragen. Beim Probetragen fühlte ich mich irgendwie erstmals wirklich krank, hatte permanent Bedenken über Abreißen und Co., fand jede sonst normale Handlung wie Sport, Duschen, schlafen plötzlich komisch und fühlte mich einfach massiv unwohl.. Aber wenn sonst nichts hilft..

  • Hast du einen "typischen" Verlauf der 48h vor so einem nächtlichen Stunt?

    Das ist auch so ein Ding, erstmal vergehen zwischen den Stunts eben keine 48h, dafür sind die zu regelmäßig. Ich arbeite als Musiker und eben geht‘s mit Vorstellungen blutzuckermäßig allabendlich im Zuge dieser gewissen Aufregung immer ganz wo anders hin, das ist furchtbar.

    Aber sonst sind oft die Tage nicht das Problem gewesen; einmal korrigiert am Morgen und der Tag dümpelte bei 80-130 in ner geraden Linie herum. Nur dann eben diese rapiden pfeilartigen Anstiege wieder..

  • Ansonsten sehe ich langsam ohne Pumpe auch kein Land mehr, es ist allerdings keine Angst vor der Funktion, sondern eher dem Tragen. Beim Probetragen fühlte ich mich irgendwie erstmals wirklich krank, hatte permanent Bedenken über Abreißen und Co., fand jede sonst normale Handlung wie Sport, Duschen, schlafen plötzlich komisch und fühlte mich einfach massiv unwohl.. Aber wenn sonst nichts hilft..


    die Akzeptanz der Pumpe muss natürlich da sein. Ich wollte auch nie ein Ding an mir "bambeln" haben, aber als es dann die erste Kopplung mit Sensor und Hypoabschaltung gab, war das "bambeln" egal, das wollte ich haben! Akzeptanz war dann kein Problem mehr. Ich verstehe aber, dass man sowas "Offensichtliches" erstmal akzeptieren muss. Allerdings genieße ich es jetzt, das Ding im BH zu tragen und es übers Handy zu bedienen. Wer es nicht weiß, hält mich maximal für unhöflich, weil ich "daddel" :D


    Wie wäre denn eine Patchpumpe? Da gibt's den Omnipod und in der Pipeline wäre noch die Kaleido und die Akku chek Solo. Bei den beiden letzten weiß ich aber nicht, wie weit die in Deutschland sind. Bei einer Patchpumpe gibt es keinen Schlauch, nur das kleine Kästchen, das auf der Haut klebt. Ist zwer immer noch ein Fremdkörper, aber ohne Schlauch vielleicht einfacher zu akzeptieren

    Blutzucker ist die Autobahn, Gewebszucker ne Nebenstraße!

  • Aber sonst sind oft die Tage nicht das Problem gewesen; einmal korrigiert am Morgen und der Tag dümpelte bei 80-130 in ner geraden Linie herum. Nur dann eben diese rapiden pfeilartigen Anstiege wieder..

    Ich wollte halt wissen, ob das eine Up/Down Regulation sein kann. Weil sich je nach KH Last deine Insulinempfindlichkeit deutlich verändert (viele KH sind bei mir deutlich Mehrbedarf in Bolus und Basal), was dann zusammen mit Dusk/Dawn "spaßig" werden kann. Bei mir brauchts ein paar Tage "KH" damit das einsetzt.


    Bleibe ich unter 50g KH/Tag ist alles easy, selbst wenn ich ein paar Tage nur 50g KH in Form von "Slow Carb" Nudeln (aus Kichererbsen oder roten Linsen) esse, dann wars das. Ich hab das nun zwei mal verifiziert jeweils UP wie DOWN dass ich auf ein paar Tage echtes LC und Tage mit "mittleren KH Mengen" ziemlich messbar reagiere.

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    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • Nur mal so als Denkanstoß: Novorapid hat eine Wirkdauer von 5 Stunden, das bitte bei einem Basalratentest einberechnen. Ich würd trotzdem zu einem Basalratentest raten. Bei ausgeglichener Blutzuckerlage ohne aktives Insulin starten und schauen, was dann passiert. Man kann mit Bolusinsulin sehr gut Basallücken kaschieren, was einem dann später vor Rätsel stellt.

    Wer nichts weiß muss alles glauben. Maria von Ebner- Eschenbach

  • Als Musiker hast Du - vermute ich - einen eher unregelmäßigen Tages- bzw. Nachtablauf.

    Das würde heißen, dass du Dein Langzeitinsulin auch immer dementsprechend anpassen müsstest (Auftritt oder nicht).


    Ich hatte sehr lange Levemir und habe einen geregelten Tagesablauf. Manchmal Sport spät abends.

    Meine Erfahrung ist, dass die Steuerung des BZ mittels Langzeit Insulin eher schwierig (ich nenne es Glückssache) ist.

    Das klappt gut wenn man geregelte Verläufe hat. Wenn was ungewöhnliches passiert muss man experimentieren. Wenn das Experiment durch ist, ist oft auch der Umstand wieder verschwunden. Für mich war es zu ICT Zeiten jeden Morgen spannend wie der Tag wird. 250 oder 100 als Anfangswert. Alles drin bei vergleichbaren Tagesabläufen.


    Mit Pumpe und - evtl (kommerziellem) closed loop - würde das Ganze deutlich einfacher werden. Gibt ja auch schon gute Patch Pumpen.


    Ich hatte die gleichen Bedenken bzgl Pumpe wie Du und mich nervt sie auch immer wieder (Dana R). Das kann man nicht wegdiskutieren.

    Allerdings sind für mich die Vorteile um ein X-faches größer als die Nerverei. Nie mehr wieder ohne Pumpe und closed loop.

    Closed Loop Open Mind

  • Bei mir hilft in solchen Phasen immer Bewegung. Insbesondere lange Spaziergänge (>1h) haben den erstaunlichsten Einfluss auf den Zucker. Meist merke ich noch Tage danach, dass mein Insulinbedarf stark gesenkt ist und auch so unerwartete Ausreißer nach oben ausbleiben. Wenn ich hingegen manchmal tagelang meine Wohnung aus dem Home Office nicht verlasse und nur rumsitze, kommt es zu gegenteiligen Effekten.

  • Ich kann Dich gut verstehen, dass Du keine Pumpe haben möchte. Ich nämlich auch nicht. Ich habe auch teilweise solche Anstiege ab 3 Uhr morgens. Bei mir allerdings zyklusbedingt. Dennoch bekomme ich es auch mit den Pens gut in den Griff, aber auch nicht immer. Ich spritze dann Abends Levemir und auch Lantus in geringer Dosis. Und das Levemir passe ich gerne der Menge nach an. Da ich nachts von dem Eversense gewarnt werde, korrigiere ich nachts mit Fiasp. Manchmal aber auch nicht, weil ich einfach keinen Nerv drauf habe.

  • Allerdings genieße ich es jetzt, das Ding im BH zu tragen und es übers Handy zu bedienen.

    Wenn ich BH-Träger*in wäre, wäre das für mich vielleicht auch eine Option. :hihi:

    Momentan ist der Leidensdruck bei mir noch nicht groß genug. Und einen BH habe ich wie gesagt nicht. :genderboy:

    Basal: Lantus (5 IE/d), Bolus: Normal-Insulin (0,5-1,3 IE/(gKH + gEW/2)/10), Pre-Workout: Humalog (1-2 IE), Hypo-Helfer: Dextro, KH-Menge pro Tag: 30-50g, Diaversary: 19.11.

    Glukosewerte werden vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.

  • Deine Diabetologin hat schon recht, mit einer loopfähigen Pumpe (es gibt auch Pumpen ohne Schlauch), ist sowas wahrscheinlich am einfachsten zu handhaben.