Nachdem mein 1. Sensor sich heute verabschiedet hat, möchte ich auch kurz meine Erfahrungen zusammenfassen. Als Info vorweg, ich nutze ansonsten das CGM der Medtronic Veo und kann meine Vergleichswerte daher darauf beziehen (habe aber auch schon Navigator und Dex getragen). Man hört ja aller Orten, das FGM sei kein CGM. Letztlich kann man es natürlich doch vergleichen. Mein Erfahrungsbericht mag für diejenigen interessant sein, die aus Kostengründen mit einem Wechsel liebäugeln.
Pro. FGM:
- Das Setzen ist wirklich sehr einfach. Wer einmal einen Enlite-Sensor gesetzt hat, weiß, wie umständlich das Setzen gerade am Arm ist. Der FGM-Sensor ist schon beim ersten Versuch kinderleicht an den Arm zu bringen.
- Das Pflaster haftet sehr sehr gut. Ich habe in den 14 Tagen nicht zusätzlich getaped (was ich beim Enlite mache), war 5 mal Laufen für jeweils ca. 1 Stunde. Ich würde meine Schweißentwicklung als überdurchschnittlich bezeichnen. Aber das war für das Pflaster kein Problem. Tägliches Duschen noch dazu. Da der FGM-Sensor auch insgesamt noch deutlich schmaler und leichter ist als der Enlite+Transmitter, liegt die besser Haftung vielleicht auch daran.
- Sauberkeit: Das Pflaster ist zwar an den Rändern etwas verfärbt, aber ansonsten sieht die Anbringung heute nach zwei Wochen noch so sauber aus wie am ersten Tag. Da die ganze Anbringung entsorgt und erneuert wird (beim CGM bleibt der Transmitter mit Kleberesten ja zurück), ist das ganze sehr hygienisch.
- Die Messwerte: Der erste Tag war noch etwas daneben, das haben ja auch andere berichtet. Aber dann lief er sehr genau bei mir. Deutlich genauer als der Enlite und das auch noch am 14. Tag. Die Abweichungen hielten sich im Rahmen von 20 mg/dl. Meistens aber war es deutlich genauer, wenn nicht sogar auf den Punkt.
- Time-Lag: Das hat mich besonders beeindruckt: Die Zeitverzögerung zwischen dem Blutzuckerwert und dem Wert aus der interstitiellen Glukose war äußerst gering. Auch bei stark ansteigendem Trend (Pfeil nach oben) habe ich in mehreren Vergleichsmessungen keine massiven Abweichungen feststellen können. Das Medtronic CGM kommt da nicht so schnell hinterher.
- Keine Kalibrierung: Es ist KEINE Kalibrierung notwendig. Dieser Punkt war mir vorher gar nicht so klar, weshalb ich auch das Marketing von Abbott mit "Revolution" nicht recht einsehen mochte. Nach 14 Tagen muss ich aber sagen, das ist einfach Wahnsinn. Das CGM ist ja ganz praktisch. Trotzdem messe ich auch damit noch 5 - 6 mal am Tag meinen Blutzucker und muss dies auch mindestens zwei mal tun zur Kalibrierung. Beim FGM habe ich nach 10 Tagen, als ich so sicher war, dass das Gerät zuverlässig läuft, das Blutzuckermessen ganz eingestellt. Meine Fingerkuppen sahen lange nicht so nichtdiabetisch aus.
- Software: Ein Punkt der mir immer sauer aufstößt ist die schlechte Software & Menüführung der Pumpen und CGMs. Wer zum Vergleich ein modernes Telefon mit aktuellem iOS oder Android verwendet, weiß selbst, was das bedeutet. Man rauft sich teilweise die Haare, wenn man die Software von CGMs und Pumpen sieht. Das ist beim FGM deutlich besser = moderner gelöst. Alles ist sehr übersichtlich und grafisch ansprechend gestaltet. Die einstellbaren Funktionen sind auf ein Minimum reduziert. Und trotzdem ist alles wichtige in wenigen Menüschritten verfügbar. Ein Beispiel, das für mich besonders wichtig war, sogleich:
- Mute: Das Gerät lässt sich per Menü komplett stummschalten. Keine Töne mehr, keine Vibration. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Das CGM von Medtronic z.B. kann nicht ganz stummt gestellt werden. Es vibriert immer, wenn gesetzte Grenzwerte erreicht bzw. überschritten werden. Und es bleibt nicht bei der Vibration. Wenn man den Vibrationsalarm dreimalig ignoriert, fängt das CGM an mit Tönen zu nerven. Allein die Vibration kann in bestimmten Situationen - die Stille voraussetzen - störend sein: Vorträge, Gottesdienste, geschäftliche Verhandlungen. In diesen Situationen möchte ich zwar optisches Feedback über meine Zuckerlage haben. Ich möchte aber nicht, dass auch andere darüber per Vibration oder Ton informiert werden. Da ich selbst viele Vorträge halte und einmal sehr schlechte Erfahrungen mit einem störenden CGM gemacht habe, schalte ich heute den Sensor vor solchen Veranstaltungen immer ab, was eigentlich nicht die Lösung sein kann.
- Der Preis: Die Kosten pro Sensor (CGM - FGM) liegen fast gleich auf. Das FGM ist etwas günstiger. Berücksichtigt man allerdings die wesentlich längere Tragedauer (Enlite-Sensoren schalten nach 6 Tagen ab, können zwar neu gestartet werden, halten bei mir aber auch dann nicht länger als 9 Tage), so spart man mit den FGM Sensoren mehr als Hälfte. Dazu noch die Anschaffungskosten: Das Starterset von Abbott kostet 170 Euro. Ein Starterset von Dexcom oder Medronic kostet ab 1.000 Euro aufwärts.
- Micro-USB: Noch ein letzter Punkt, der vielleicht nicht so wichtig scheint, aber ebenfalls zeigt, dass Abbott hier die Bedürfnisse des Verbrauchers im Blick hatte. Das Gerät lässt sich über einen standardmäßigen Micro-USB-Stecker laden. Einen Stecker, den sowieso viele zu Hause für ihr Telefon auf ihrem Schreibtisch herumliegen haben. Das ist eine sehr komfortable Lösung.
Contra FGM:
- Das Gerät gibt von selbst keine Warnungen ab. Kann es auch nicht, denn es besteht ja keine dauerhafte Verbindung zwischen Sensor und Empfänger. Die muss ja erst per NFC ("scannen") hergestellt werden. Deshalb heißt es auch überall, es sei kein CGM (wobei dies eher als eine taktische Maßnahme zur Kostenerstattung bei den Krankenkassen einzustufen ist, denn aufgezeichnet wir ja "kontinuierlich"). Das ist tagsüber für mich überhaupt kein Problem. Im Gegenteil, wenn nicht ständig etwas piept oder vibriert, bin ich ganz Zufrieden, wenn ich in Ruhe gelassen werde. Auch wenn eine frühere CGM-Warnung einen Anstieg durch früheres Eingreifen etwas abgeflacht hätte, empfinde ich es nicht als so schlimm, dass FGMler etwas mehr Zucker in Kauf nehmen. Ruhe und Entspannung kosten eben...
Wo es allerdings problematisch wird, dass sind die Warnungen in der Nacht. Wer besonders viele Probleme wegen Unterzuckerungen in der Nacht hat, der gewinnt durch das FGM nichts. Das FGM würde ich nachts eher als Convenience-Maßnahme bewerten: Nachts im Dunkeln verschlafen den Blutzucker zu messen, ist anstrengend. Das FGM an den Arm halten ist einfacher. Es bleibt aber dabei: Ein CGM weckt mich, wenn mein Zucker wegen der großen Pizza Quattro Formaggi um 2:00 Uhr morgens plötzlich Richtung 300 mg/dl rennt, ein FGM tut das nicht (es sei denn, ich kann den Anstieg antizipieren und stelle mir einen Wecker zum "scannen").
- Sonstiges: Ein paar kleinere Dinge stören mich noch am FGM. (1) Zum einen wäre es schön, die Kurvenübersicht in eine 3 - 6 - 12 - 24 Sicht umschalten zu lassen. Geht nicht. Schade, aber nicht so wichtig. (2) Auch können nur die Einzelwerte später auf dem Gerät noch ermittelt werden, die man gescannt hat. Zwar sind alle anderen Werte der Kurve zu entnehmen, aber aufgrund der kleinen Ansicht, lässt sich damit nicht der exakte Minimal- bzw. Maximalwert ermitteln. (3) Die Displaybeleuchtung ist wahnsinnig hell und lässt sich nicht herunterregeln. Nachts hat man damit eine mittelstarke Taschenlampe in der Hand. Eine automatische Helligkeitsregelung wäre schön.
Fazit:
Das FGM hat gegenüber den CGMs einen Nachteil: Man wird nicht vor niedrigen oder hohen Werten in der Nacht gewarnt. Aus meiner Sicht war es das aber auch schon fast. Die Vorteile überwiegen bei weitem. Es ist vergleichsweise günstig. Die Sensoren liefern Top-Werte und halten ohne Probleme die 14 Tage. Es ist vor allem ein sehr gut durchdachtes Gerät. Die Software ist praktisch und erfüllt die meisten Bedürfnisse. Es lässt sich schnell und einfach über Micro-USB laden. Vielleicht am allerwichtigsten: Es gibt uns Diabetikern einfach mehr Ruhe. Es vibriert nicht, piept nicht, schreit nicht nach Kalibrierung. Und doch kann ich jederzeit im Handumdrehen messen, wenn ich unsicher bin, und dadurch meinen "peace of mind" finden und gelassener durch den Tag gehen. Das "In-den-Fingerstechen" steht jetzt auf einem Level mit dem "Ketone-Testen", es ist nur noch in absoluten Ausnahmefällen erforderlich.
(Das ist jetzt etwas lang geworden, aber das Thema beschäftigt mich schon die letzten zwei Wochen intensiv. Ich werde nachher den zweiten Sensor setzen und über meine Erfahrungen damit in 14 Tagen berichten. Ich wünsche allen FGMlern ein paar "schöne Scans" für dieses Wochenende!)
Viele Grüße
HB