Ich hatte mal einen Fall zu bearbeiten, bei dem durch die Airbagauslösung bei einem Unfall der relativ kleinen weiblichen Fahrerin die Zahnprothese zertrümmert wurde und die zahlungspflichtige Versicherung meinte, dass sowas gar nicht möglich wäre. Studien und Fallberichte, überwiegend aus USA, förderten Erschreckendes zutage. Dass die explosionsartige Entfaltung des Airbags in der Lage ist, ein Kleinkind in einer Babyschale auf dem Beifahrersitz zu töten, war ja hinlänglich bekannt. Aber auch bei Erwachsenen waren gravierende Gesichtsverletzungen von Jochbeinbruch bis zum Augenverlust dabei, überwiegend waren Frauen betroffen.
Okay, es sind seltene Einzelfälle und es betraf in der Regel schwere Unfälle, bei denen die Betroffenen ohne Airbag noch schlimmere Verletzungen erlitten hätten. Und in Amerika sind die Gurtanlegequoten nicht sonderlich hoch. Der Airbag hat in jedem Fall einen Nutzen! Aber Fakt ist, dass die gesamte Ergonomie im Fahrzeug und auch die zeitliche Auslösung von Airbags auf einen männlichen Standard-Dummy mit einer Körpergröße von 1,75 m ausgelegt sind. Der Airbag wird so ausgelöst, dass der Oberkörper einer Person dieser Größe auftrifft, sobald er vollständig aufgebläht ist. Eine kleine Person befindet sich aber näher/früher am Lenkrad, verfehlt diese Idealposition und wird eventuell bereits während der Zündphase vom Airbag mit größerer Wucht getroffen.
Wenn ich die Sitzposition meiner nur 1,54 m großen Mutter auf dem Fahrersitz sehe, weiß ich, dass eine Airbagauslösung nicht unbedingt glimpflich ausgeht – ist ein Dilemma. Jeder kleinen Frau ist zu empfehlen, den Sitz so einzustellen, dass sie sich mit ausgestreckten Armen und größtmöglichen Abstand vor dem Lenkrad befindet. Dann führt die Airbagauslösung nur zu leichten Verbrennungen (Reibung) an den Unterarmen oder im Gesicht.
Eine gendergerechte Lösung wäre, dass die elektronisch gesteuerte Auslösung des Airbags an die Einstellung des Fahrersitzes angepasst würde. Das erfordert aber zusätzliche Sensoren und kostet Geld. Mir ist kein Fahrzeughersteller bekannt, der das praktiziert.