Was mich angeht, gehöre ich eher zu den Menschen, die ihre Neugier befriedigt haben möchten. Ich lese mir dann vieles an.
Im Moment bin ich berentet (allerdings nicht wegen Dia, sondern wegen meiner Depressionen). Aber ich habe immer einen sehr hohen Anspruch an die Arbeit gehabt. Und auch an meine (mir unterstellten) Mitarbeiter. Nichtwissen allein habe ich auch nie für das eigentliche Problem gehalten, sondern nur in Kombination mit Überschätzung und Arroganz. Dementsprechend habe ich allen auch immer wieder eingetrichtert, dass u.a. bei Diabetikern der Fachmann immer der Patient selbst ist und man gut daran tut, wenn man von seiner Erfahrung profitiert.
Aber ich kenne auch anderes. Das, was du befürchtet hast und was der TE auch beschreibt, gibt es und das gibt es auch bei uns in der Klinik. Zwar nur noch vereinzelt, aber es ist da.Ich finde das nicht nur schade, sondern eigentlich sogar untragbar. Aber als Stationsleitung war ich nie in der Position, daran klinikweit etwas ändern zu können. Und die, die es waren, wollten oder konnten das nicht. Ich konnte immer nur meinen eigenen Spielplatz gestalten und habe das auch gemacht. Es ist ja mein Gesicht, das ich jeden Tag im Spiegel sehe.
Es steht und fällt aber damit, an welches Team man gerät. Wenn ich Respekt vor dem Patienten/Menschen sehr wichtig finde, seine Autonomie erhalten möchte, seine Kompetenz fördern haben andere zunächst mal den Anspruch zu kontrollieren und zu sichern.
Mein Weg ist nicht unbedingt der bequemere. Zumindest nicht kurzfristig.
Während meiner Arbeit habe ich aber sicher von den nicht ganz so ausgeprägten hierarchischen Strukturen einer psychiatrischen Klinik profitiert und von meiner Position. Ich hab den Ärzten immer auf die Finger geschaut und gefordert, dass sie sich auseinander setzen und auch wissen, was sie tun. Dazu gehörte auch der Umgang mit chronischen Vorerkrankungen (Kontakt zu behandelnden Fachärzten aufnehmen) oder Medikationen (Stichwort Wechselwirkungen).
Ein Krankenhaus ist ein Unternehmen, das auch wirtschaftlich arbeiten muss. Konsile sind teuer und werden nicht gesondert erstattet sondern sind im Tagessatz inbegriffen. Aber was sein muss, das muss halt sein. Und dazu gehören auch Konsile. Jedenfalls, wenn sie Sinn machen. Beim Konsil "Verbandwechsel in chirurgischer Ambulanz" stelle ich durchaus die Sinnfrage
Was das Wissen angeht, das unser Vorgehen deiner Meinung nach voraussetzt, das muss gar nicht so fundiert sein. Frag dich doch selbst, was dir persönlich lieber ist. Jemand, der meint, es besser zu wissen, oder der dich fragt, wie du es regelst. Ich wette, du wirst mit Freuden erklären, wie es geht. Ein paar Basics sind ja bei jedem im medizinischen Bereich da. Und es gibt Unterlagen. Beim Messgerät und den Insulinen liegt immer auch der Behandlungsplan des Patienten, der Auskunft gibt über Basaldosis, BE-Faktoren, Zielwert und KF. Das wird, wenn nötig vom Diabetologen angefordert. Jeder, der einigermaßen seine kognitiven Fähigkeiten einzusetzen weiß, kann also auch selbst mitrechnen.
Das von deinem KH-Aufenthalt habe in einem anderen Thread gelesen. Es ist schon gruselig, was einem passieren kann, wenn man sich "ausliefern" muss. Dass der "Normalbürger" nicht über mehr als grobes Wissen zu dem Thema verfügt, ist ja ok. Dass medizinisches Fachpersonal aber nur wenig besser abschneidet, macht einem schon angst.