Liebe Leute,
seit Ende des Jahres (2019) bin ich jetzt wieder in Deutschland. Gemeinsam mit meiner Freundin war ich sieben Monate mit dem Rad unterwegs. Wir sind von Deutschland nach Kirgistan gefahren, haben uns Pässe auf Schotterstraßen hochgequält, wurden eingeladen, haben die traumhaften Städte der alten Seidenstraße besichtigt und knapp 100 Nächte wild gezeltet. Ein Reisebericht ist hier aber natürlich an der falschen Stelle und für die allermeisten ist sicher das Diabetes-und-Reise-Thema interessanter. Wie war es also, 7500km mit Diabetes auf dem Rad?
Naja, was soll ich sagen: alles gut! Man macht sich ja vorher schon so seine Gedanken, die ihr hier ja auch lesen konntet: Geht das alles gut? Was passiert, wenn das Insulin geklaut wird? Schaffe ich es, dass nichts zu heiß oder zu kalt wird? Kann ich den Grenzbeamten, die kein Wort Englisch sprechen, begreiflich machen, was ich da alles für „Drogen“ in meinen Taschen habe?
Nichts von meinen Sorgen hat sich während der Reise als begründet herausgestellt, alles war gut, ich hatte glaube ich einfach kein Pech.
Trotzdem ist so eine Reise mit Diabetes eine Herausforderung. Wie ihr schon geschrieben habt, ist man natürlich mit einer „schlanken“ Therapieform, also Pens und blutiger Messung viel leichter, mit viel weniger Volumen und auch viel weniger pannenanfällig unterwegs. Das habe ich mir aber einfach nicht zugetraut. Und so musste ich eben schleppen. Klar war es viel Zeug und auch schwer, aber wir waren während der Reise ja weder auf Kilometerrekorde aus noch waren wir auf der Flucht.
Die Werte im Griff zu behalten war natürlich auch keine leichte Aufgabe, aber nach einiger Zeit hatte ich den Dreh so einigermaßen raus. Für kleine Snacks brauchte ich keinen Bolus abzugeben und die Basalrate lief den ganzen Tag (beim Radfahren) auf 30%. Ich habe allerdings auch einige Snickers gegessen, Limos getrunken und Gummibärchen gemampft. Die gibt es übrigens überall. Wer sich also Sorgen um seine Hypo-Snacks macht: lasst es sein Wenigstens Cola gibt’s auch im letzten Kaff in den Bergen Kirgistans – nicht dass sich hier jemand angegriffen fühlt: Kirgistan ist traumhaft schön, die Landschaft und die Menschen, nur die Auswahl an Hypo-Snacks in den kleinen Dörfern ist eher beschränkt
Ich kann hier gar nicht alles in Worte fassen, was wir auf der Reise so erlebt haben, wer möchte kann sich gerne per PN melden und ich schicke euch den Link zu unserem Reiseblog für mehr Infos. Hier habe ich jetzt noch versucht zusammen zu fassen, wie ich es mit meinem ganzen Diabetskram so gemacht habe. Ich hoffe es sind ein paar nützliche Tips für euch dabei.
Was hatte ich also dabei?
Natürlich: Insulin
Ich verwende seit einiger Zeit in meiner Pumpe das FIASP-Insulin. Hier hatte ich immer wieder in verschiedenen Threads gelesen, dass FIASP insbesondere unter zu hoher oder zu niedriger Temperatur leiden würde. Das Hauptproblem war natürlich, dass ich für sehr lange Zeit keinen Kühlschrank zur Hand haben würde.
Meine Lösung war: eine Thermoskanne. Ich habe die Durchstechampullen (sind sehr platzeffizient) in Luftpolsterfolie gewickelt und dann in eine Thermoskanne gesteckt. Bei sorgfältiger Packung hat so mein Insulinbedarf für ca. 10 Monate in eine 600ml Flasche gepasst. Während der Reise habe ich darauf geachtet, dass die Thermoskanne mit dem Insulin immer möglichst tief in einer der Radtaschen gesteckt hat. Wenn es besonders heiß oder kalt war, habe ich außerdem meine Daunenjacke als Isolationsschicht um die Flasche gewickelt und beides zusammen in die Fahrradtasche gesteckt. Eine besondere Herausforderung waren noch die Nächte in großer Höhe. Hier musste ich damit rechnen, dass die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen würden. Ich habe dann immer darauf geachtet, dass die Thermosflasche gut in die Daunenjacke eingewickelt war und im Zelt nahe an meinem Kopf lag. In ganz besonders kalten Nächten habe ich die Thermoskanne zusammen mit der Daunenjacke auch ins Fußende meines Schlafsacks gestopft, um ganz sicher zu gehen, dass das Insulin nicht einfriert. Das ist aber auf der ganzen Tour insgesamt nur ein paar Mal vorgekommen.
Katheter
Ich verwende seit gefühlt immer die Medtronic QucikSet Katheter (Teflon). Das Hauptproblem hier war – wie auch bei den FSL-Sensoren – dass ich die Katheter als Verbrauchsmaterial immer nur quartalsweise geliefert bekomme. Daher habe ich bei meiner Krankenkasse angerufen und gefragt, ob es wegen der Reise möglich wäre, dass sie mir vorab den Bedarf für das halbe Jahr zusenden (letztlich kommt es ja aufs Gleiche raus – dachte ich wenigstens). Von der KK kam dann relativ schnell ein klares: „auf gar keinen Fall!“ zurück. Begründung war, dass ich ja Sechs-Monats-Lieferung noch abgreifen könnte und dann theoretisch zu einer anderen KK wechseln könnte, so würde dann die KK auf den Kosten sitzen bleiben. Also Ergebnis: maximal gibt es eben den Quartalsbedarf. Nichts zu machen. Hier wurde also langfristige Planung wichtig. Ich musste einen Vorrat anhäufen. Hier kam mir mein Praxis-Team zu Hilfe. Mit besonderer Begründung ist es möglich statt 3x10 Katheter pro Quartal 4x10 Katheter zu bekommen – z.B. wenn man als Patient*in viel Sport macht und daher die Katheter öfter wechseln muss. Gleichzeitig verbrauche ich im Monat auch weniger als 10 Katheter – ich weiß, man sollte sie spätestens alle drei Tage wechseln, aber manchmal laufen sie so gut, dass ich sie auch 4 oder 5 Tage verwende. So hat sich dann über die Zeit ein beachtlicher Vorrat aufgebaut. Hinzu kam dann noch, dass ich Anfang April aufgebrochen bin. Es hatte also gerade das 2. Quartal begonnen und ich konnte für die Reise noch einmal 4 neue Packungen mitnehmen.
Ganz pragmatisch sind die QuickSet Katheter übrigens auch praktisch: Zwei von den Packungen passen längs perfekt in eine Ortlieb Fahrradtasche
Ersatzpumpe
Hier durfte ich von dem neuerdings „verbesserten“ Leihpumpenservice von Roche profitieren. Ich verwende die Akku-Chek Combo Pumpe und hatte das Glück, dass meine alte Pumpe (war so ca. 2 Jahre alt) kurz vor der Reise einen Schaden an einem der Knöpfe hatte. Ich hab sie dann eingeschickt und im Rahmen der Garantie anstandslos eine neue bekommen. Nichts desto Trotz brauchte ich natürlich für den Fall eines Falles aber eine Leihpumpe. Früher hätte ich die von Roche kostenlos für den Reisezeitraum bekommen, jetzt musste ich – da ich außerhalb der EU unterwegs war – knapp 500€ dafür berappen. Wie ich finde eine totale Sauerei, aber was soll man machen ...
FSL-Sensoren
Da ich meine Hypos schlecht wahrnehme und noch dazu scheinbar zufällig schwankende Werte in der Nacht habe – mal perfekte gerade Linie, mal mehrere Hypos pro Nacht, mal Werte um 300 – war klar, dass so eine Reise (für mich!) ohne CGM nicht machbar ist. Gerade durch den Wechsel von sportlicher Belastung, Ruhephasen, Klimaschwankungen, einer bunten Mischung an Essen war es so oder so schon eine ganz schöne Herausforderung die Werte einigermaßen in Schach zu halten
Wie gesagt hatte ich bei den FSL-Sensoren ein ähnliches Problem, wie bei den Kathetern. Habe auch hier bei Abbott angerufen. Das Ergebnis war allerdings erfreulicher. Nach Rücksprache mit meiner Krankenkasse war es hier (warum auch immer) überhaupt kein Problem eine Quartalslieferung vorzuziehen. Mehr war aber nicht machbar. Ich habe dann hin und her gerechnet und noch versucht einen Puffer einzuplanen. Hier wissen ja denk ich mal alle, dass die FSL-Sensoren nicht alle immer 100%ig die vollen 14 Tage durchhalten
So musste ich leider noch einmal in die private Tasche greifen und mir selbst ein paar Sensoren zusätzlich kaufen, um genug Sicherheit zu haben.
Ähnlich wie das Insulin können die Sensoren ihre Funktion verlieren, wenn sie zu heiß oder zu kalt werden. Wegen des Volumens war es mit den FSL-Sensoren natürlich nicht möglich eine Thermoskanne mitzuschleppen, das hätte ganz schön bescheuert ausgesehen. Ich hab mir also in ner Online-Apotheke eine Kühltasche für Medikamente besorgt (leicht und einigermaßen kompakt). Die FSL-Sensoren hab ich aus ihrer Verpackung geholt und je ein Pärchen aus Aplikator und Sensor zusammen mit den Alkoholtüchern in einen Zipbeutel gesteckt. So nehmen sie deutlich weniger Platz weg. Alle Sensoren haben so in die Kühltasche gepasst.
Im Verlauf der Reise habe ich allerdings trotzdem festgestellt, dass die Sensoren immer ungenauer wurden. Bei mir sind die FSL-Sensoren nie wirklich genau, aber Abweichungen von mindestens 60 waren am Ende der Reise ganz normal – also konnte ich letztlich nur noch einen groben Trend ablesen ...
Für den Fall, dass mein FSL-Lesegerät kaputt gehen würde, habe ich mir aus eigener Tasche noch ein zweites besorgt. Ich habe leider kein NFC fähiges Handy – sonst hätte ich die Handy-App als Backup genutzt.
+++ Fortsetzung s. unten +++