Fernbedienbarkeit hilft, ist aber je nach kulturellem Kontext auch keine Generallösung. Der Blick aufs Telephon (oder sogar der Griff dazu) wird in der heutigen Gesellschaft je nach Umgebung als eher unhöflich empfunden, er vermittelt jedenfalls nicht den Eindruck, dass man sich gerade auf das Gespräch mit dem Gegenüber konzentriert und diesem die gebotene Aufmerksamkeit widmet.
Auch die halbwegs diskrete Armbanduhr, die die cgm-werte darstellt und sogar die Bedienung von Bolusrechner, temporärer Basalrate, etc ermöglicht kann für Irritationen sorgen, wenn der Gegenüber den Eindruck bekommt, man schiele schon nach dem Ende des Gespräches.
Indiskrete Pumpen, die unter der Kleidung losheulen und blinken sind in einigen Situationen völlig inakzeptabel, zumal sie in der Regel zwar darauf aufmerksam machen sollen, dass sich der Träger um etwas kümmern muss, das aber selten so dringend ist, dass man sich nicht auch nach Ende des Gespräches darum kümmern könnte.
Medtronic hat z.b. bei der 640G die Alarme recht gut abgestuft, und ein Großteil ist auch abstellbar respektive so konfigurierbar, dass er nicht zur Unzeit nervt. Dies betrifft v.a. die CGM-bezogenen Alarme.
Nicht abstellbar, sind beispielsweise:
- Aufforderung zur Kalibrierung des Sensors. Nicht, dass man da einen Zeitraum einstellen könne, zu dem man definitiv nicht gestört werden möchte... Das Teil möchte exakt 12h nach der letzten Kalibrierung die nächste. (Bei der ersten Nachkalibrierung bereits früher). Unabhängig davon ob der sgv gerade im freien Fall/Anstieg ist, oder der Träger anderthalb Stunden vor dem Wecker aus dem Tiefschlaf gerissen wird. Das hätte man um so vieles besser lösen können... Der Träger kann nur versuchen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit (stabiler Glucoseverlauf) zu kalibrieren. Klappt nicht immer.
- Warnung, wenn der Sensor zeitweilig nicht erreichbar ist oder keine Daten liefert. - kann jederzeit und plötzlich vorkommen, ist in vielen Fällen nicht von Dauer, die Pumpe möchte diesen Alarm jedoch auch noch bestätigt haben, sonst nervt sie immer dringender. Ignorieren geht also schlecht, selbst wenn (vor allem wenn) in Gesellschaft.
- hier wird so ziemlich jede Pumpe laut: Abgabeprobleme (Durchflußprobleme, Reservoirprobleme, Reservoir (fast) leer) Ich kenne keine Pumpe, die das halbwegs diskret handhabt. (diskret wäre für mich eine mit dem Benutzer abgestimmte Vorwarnung, die erst nach einer halben Stunde nachdrücklicher wird. Damit kann der Benutzer sich ggf auch aus Gesellschaft kurz entschuldigen um das Problem in den Griff zu bekommen - auch das ist schon disruptiv).
- hier sind Pumpen extrem inflexibel: Restmengenalarm Insulin erfolgt immer bei einem bestimmten Reservoirstand. *keine* Pumpe, die ich kenne, respektive von der ich die Anleitung gelesen habe, macht z.b. morgens oder abends einen Review und warnt den Nutzer wenn die Restmenge kleiner ist als die gemittelte TDD (Tagesgesamtdosis) der letzten Tage. Dabei können einige Pumpen den Wecker durchaus ersetzen, und hätten damit einen idealen Zeitpunkt um verschobene Kalibrierungen zu einem vermutlich brauchbaren Zeitpunkt einzufordern, und auch Restmengen (und Batterie) Warnungen rechtzeitig abzugeben,
- abgelaufener Sensor. Der blökt ebenfalls *exakt* zum Ablaufzeitraum los. Auch hier wäre ein vom Nutzer definierbares Zeitfenster eine enorme Entlastung.
Fazit daraus: Bei so wichtigen Gesprächen und einer Umgebung, in der jede Ablenkung durch Körper(nicht-)Funktionen indiskutabel sind, ist es u.U. sogar eine Option, die Pumpe zeitweise abzulegen, in schalldichter Kiste im Schrank zu verstauen, und sich mit einem in der Wirksamkeit auf die Dauer des Ablegens passend gewähltem Basalinsulin über diesen Zeitraum zu retten.
Soziale Konventionen diverser Kulturen können jedoch auch dann noch ernste Probleme bereiten - das fängt schon bei der lieben deutschen Oma an, die die Diät der Nachkömmlige bedingungslos unterstützt und gutheißt, aber in der Rolle als Gastgeberin todunglücklich ist, wenn derselbe Nachwuchs beim großzügig angebotenen Kuchen nicht in gleicher Art zugreift. Im geschäftlichen Umfeld gebietet es in den meisten Fällen die Höflichkeit sowohl in der Rolle als Gastgeber als auch als Gast von angebotenen Lebensmitteln zumindest ein Modikum zu partizipieren, in der beschriebenen Situation ist aber vermutlich ein Bolus per Pen auch keine Option.
Die Laufgeräusche bei der Bolus (respektive Basalratenabgabe) der verschiedenen Pumpen sind jedenfalls sehr unterschiedlich. Die Spirit Combo gehört da meiner Erfahrung nach eher zu den lauteren, die 640G ist leiser. Ob leise genug, kann sicherlich nur bei einem persönlichen Test herausgefunden werden.
Je nach Umgebung sind genug Situationen vorstellbar, in denen gar keine Geräuschentwicklung akzeptabel ist. (Man stelle sich den Interviewpartner auf Sendung vor, dessen Pumpe kurz nach der Vorstellung und Gesprächsübergabe gut verstärkt mit dem Geräusch eines hämmernden Spechtes in Mikrofonnähe lostackert...)
Leise sind z.b. hydraulische Abgabesysteme ohne Elektromotor. Bei letzteren ist aber ein Großteil der Vorteile einer Insulinpumpe wieder geopfert, da sie nur konstante Insulinabgaben sowie einen Knopfdruckbolus erlauben.