Ich habe mich jetzt mal ein wenig zu dem "neuen" GMI eingelesen und noch ein paar Infos rausgefunden.
Ich glaube nicht, dass Abbott die Messwerte des Libre neu eingeordnet hat, sondern einfach die Berechnungsformel auf eine neuere Studie umgestellt hat, wohl auch um die Diskrepanzen zwischen dem AGP (wo die neue Formel empfohlen wird) und der alten Rechenweise auf den weiteren Auswertungen zu beheben.
xDrip, Nightscout und auch die LibreApp nutzen die Formel von Nathan et al. die auf 507 Patienten (Typ-1, Typ-2 sowie Gesunden) beruht. Die entsprechende Umrechnungsformel ist: HbA1c [%] = 0,03484 * MW[mg/dl] + 1,62
Für den GMI wird nun die Formel von Bergenstal et. al genommen, die CGM-Werte aus verschiendenen Studien von 226 Patienten mit Typ 1 aggregiert hat. Dort wurde allerdings KEIN Libre sondern ein Dexcom G4 (!) genutzt. Die Werte stammen also nicht von Abbott selbst.
Die entsprechende Umrechnungsformel ist dort: HbA1c [%] = 0,02392 * MW[mg/dl] + 3,31
Der dazu gehörige Scatter-Plot sieht so aus:
Die beiden Formeln sind also nicht an den Libre angepasst, sondern stammen einfach aus unterschiedlichen Patientekollektiven.
Dazu kommt, dass sich die beiden Formeln nicht nur im Offset, sondern auch in der Steigung unterscheiden.
Im Vergleich sieht das dann so aus (xDrip ist blau, GMI ist orange):
Dabei fällt auf, dass die "neue" Formel nicht generell höher "misst", sondern nur im niedrigen Bereich. Bei hohen Mittelwerten, wäre der errechnete HbA1c sogar niedriger als der von xDrip. Im normalen Zielbereich zwischen 6,5 und 8,5 sind die Unterschiede minimal.
Interessant wird es nun, wenn man auf die Datengrundlage schaut (das Bild oben):
Da das Kollektiv aus Typ 1er bestand, waren HbA1c-Werte unter 6,0% so gut wie gar nicht enthalten, denn diese werden in der Praxis quasi nie erreicht. Im typischen Wertebereich eines Diabetikers scheint die neue Kurve wohl etwas genauer zu sein, wobei die Unterschiede dort minimal sind.
Fun Fact: Wenn ich mir die beiden Bilder nebeneinander anschaue und versuche die wenigen niedrigen Messpunkte besser einzupassen, dann komme ich interessanterweise wieder bei der Nathan-Kurve raus.
Hier wird vermutlich auch die lineare Kurve einfach an ihre Grenzen stoßen, weil die Glykierung der Erys sich in der Realität nicht nur nach dem mittleren Blutzucker richtet.
Zurück zum Libre:
Im vermute mal, dass so ähnliche Messungen auch in die Werkskalibrierung vom Libre 2 mit eingeflossen sind. Ich denke, dass der Libre 2 so ausgelegt ist, dass die Werte im "realistischen" Bereich von 120-150 möglichst gut passen. Das passt auch zu meiner Erfahrung, dass die fixe Kalibrierung (die ich meist so bei 80-90 mache) dann bei hohen BZ-Werten zu viel ist.
Die extremen "Ausreißer", die Mittelwerte um 100mg/dl oder darunter erreichen, dürften vermutlich bei der Werkskalibierung gar keine Berücksichtigung gefunden haben.
Daher glaube ich nicht, dass Abbott in "unseren" Abweichung überhaupt ein Problem sieht.