Hallo,
hier ein interessanter Bericht der Uni Bonn:
Datum: 30.3.08
Wie Killerzellen auf die richtige Spur kommen
Bonner Forscher lüften das Rätsel, wie das Immunsystem gegen Viren und Krebs alarmiert wird
Wissenschaftler
der Universität Bonn haben ein lange ungeklärtes Rätsel des
Immunsystems gelüftet. Dr. Sven Burgdorf und Professor Dr. Christian
Kurts konnten zusammen mit Kollegen der Universität Frankfurt zeigen,
wie Immunantworten gegen Viren und Krebs zustande kommen. Die Forscher
hoffen nun auch auf neue Therapien gegen Autoimmunkrankheiten wie
Diabetes vom Typ I. Ihre Studie erscheint am 30. März online in der
renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature Immunology
(http://dx.doi.org/10.1038/ni.1601).
Im Immunsystem gibt es manche Parallelen zur Verbrecherjagd. Gegen
Viren und Tumoren, in diesem Bild die Verbrecher, alarmiert das
Immunsystem als Spürhunde die zytotoxischen T-Zellen, auch
„Killerzellen“ genannt. Sie können virusinfizierte Zellen oder
Krebszellen erkennen und in den Selbstmord treiben oder direkt
zerstören. Dazu müssen sie aber zunächst wissen, gegen welchen Feind
sie kämpfen sollen.
Diese Aktivierung übernehmen die so genannten dendritischen
Zellen. Sie nehmen Proteine von Viren oder Tumoren („Antigene“) auf und
zerkleinern sie. Danach transportieren sie die Bruchstücke an ihre
Oberfläche und präsentieren sie den zytotoxischen T-Zellen. Dadurch
wissen diese nun, welche Verbrecher sie jagen sollen. Sie vermehren
sich dann massiv und schwärmen in alle Gewebe aus, um ihre Aufgabe zu
verrichten: nämlich die virusinfizierten oder bösartig veränderten
Zellen zu bekämpfen.
Dieser Aktivierungsmechanismus heißt Kreuzpräsentation. Vor mehr als
zehn Jahren wurde er in Melbourne, Australien, erstmals beschrieben –
unter anderem durch den Immunologen Professor Dr. Christian Kurts.
Kurts ist inzwischen am Institut für Molekulare Medizin und
Experimentelle Immunologie der Uni Bonn tätig. Seine Mitarbeiter und er
untersuchen dort unter anderem, wie die Kreuzpräsentation im Detail
abläuft.
Ein neues Zellorganell als Antigen-Verladebahnhof
Ungeklärt war bislang nämlich vor allem, auf welche Weise die
dendritischen Zellen die Antigene zerlegen und dann an ihre Oberfläche
bringen. Man kannte zwar das Transportvehikel, die „MHC Klasse
I“-Moleküle. Doch wo dieser Transporter beladen wird, war unbekannt. In
der aktuellen Studie konnten Dr. Sven Burgdorf und Professor Kurts
zusammen mit Kollegen der Universität Frankfurt dieses Rätsel lüften.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei Organellen, von deren Existenz man
erst seit zwei Jahren weiß, deren Funktion aber bislang unbekannt war:
Die so genannten „Stable Early Endosomes“.
Organellen sind Strukturen innerhalb der Zellen, die spezifische
Funktionen übernehmen – ähnlich wie das im Körper die Organe tun, z.B.
der Magen oder die Niere. Das bekannteste Organell ist der Zellkern, in
dem die Erbinformation gespeichert ist. Endosomen („innere Körper“)
sind dagegen membranumhüllte Hohlräume, die unter anderem der Aufnahme
und dem Transport von Molekülen dienen. Sie sind also beispielsweise an
der Nahrungsaufnahme der Zelle beteiligt. In den dendritischen Zellen
werden sie jedoch auch zur Antigenaufnahme eingesetzt, wie die Bonner
Wissenschaftler bereits vor einem Jahr in einer „Science“-Publikation
zeigen konnten. In der aktuellen Studie weisen sie nun nach, dass ein
Teil der innerhalb der dendritischen Zelle zerkleinerten Antigene über
einen Kanal in die Stable Early Endosomes gelangt und dort auf MHC
Klasse I Moleküle geladen wird. Danach wandern diese Endosomen mit
ihrem Inhalt zur Zelloberfläche und verschmelzen mit der Zellmembran.
Die mit Antigenen beladenen MHC-Transporter befinden sich nun auf der
Zelloberfläche und können von Killerzellen erkannt werden.
„Unsere Erkenntnisse sind grundlegend für das Verständnis der Funktion
dendritischer Zellen“, erklärt Professor Kurts. „Sie ermöglichen so die
Entwicklung effektiverer Impfstoffe gegen Viren und Krebs.“ Außerdem
sehen die Forscher neue Ansatzpunkte für die Behandlung von so
genannten Autoimmunkrankheiten. „Bei Erkrankungen wie Typ I Diabetes
kämpft das Immunsystem fälschlicherweise gegen körpereigene Zellen“,
erläutert Dr. Burgdorf. „Grund ist eine fehlerhafte Aktivierung von
Killerzellen. Wenn man die Kreuzpräsentation hemmt, kann man diese
Aktivierung vielleicht unterbinden.“
Die Bonner Wissenschaftler haben ihre Erkenntnisse nutzen
können, um spezifische Hemmstoffe der Kreuzpräsentation zu entwickeln.
Außerdem konnten Dr. Burgdorf und sein Assistent Andreas Kautz in
Zellkulturexperimenten zeigen, dass das Malariamittel Primaquin den
Transport von Endosomen an die Zelloberfläche verhindert. Das
Medikament stoppt so die Antigenpräsentation und damit auch die
Aktivierung der T-Killerzellen. „Möglicherweise ist das ein neuer Weg,
um Autoimmunerkrankungen zu behandeln“, hofft Burgdorf.
Ermöglicht wurde die Studie durch den Bonner immunologischen
Sonderforschungsbereich 704 und die Nachwuchsförderung der
medizinischen Fakultät (Bonfor = Bonner Forschung). Beteiligt waren
zudem Forscher des Frankfurter Sonderforschungsbereiches 628 und des
dortigen Instituts für Biochemie unter Leitung von Professor Dr. Robert
Tampé.
Kontakt:
Professor Dr. Christian Kurts und Dr. Sven Burgdorf
Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie
Universität Bonn