Im Rahmen meines medizinStudiums lerne ich super viel über die Folgeerkrankungen von Diabetes und in mir ist da eine monströse Angst, vor Allem wenn ich dann im Krankenhaus Typ1 Diabetikerinnen kennenlerne, die an einer terminalen Niereninsuffizienz leiden...
Es gibt auch Gegenbeispiele, ich bin eins davon, deshalb ist die Angst nicht unbedingt gerechtfertigt. Ich hab mich 30 Jahre lang nur beiläufig um den Diabetes gekümmert und hatte grottenschlechte Werte mit einem HbA1 von 8-9 %. Als junger Mensch war die Motivation nicht sehr hoch, warum auch, es ging mir ja gut – hoher Blutzucker tut nicht weh, der Körper gewöhnt sich dran. Ansonsten waren die Blut- und Urinwerte bestens, die Augen in Ordnung. Bis sich dann erstmals die Nieren gemeldet haben und Eiweiß im Urin gemessen wurde. Das war für mich der Schuss vor den Bug, dass etwas geändert werden muss.
Im ersten Schritt haben der Sensor, mehr Aufmerksamkeit und Disziplin schon sehr viel gebracht. Im zweiten Schritt reduzierte ein schnell wirksames Insulin (zunächst FIASP, jetzt Lyumjev) die starken Anstiege nach dem Essen. Anstiege über 200 sind damit eine Seltenheit, bei nicht allzu schnellen KH und mit etwas verzögerndem Fett bleibt es meist unter 160. Insgesamt kam ich damit auf einen HbA1c um 6,3 %. Nach zwei Jahren bestand keine Albuminurie mehr, die Nieren hatten sich regeneriert.
Allerdings wurde dann eine leichte Retinopathie am Rand der Netzhaut in beiden Augen festgestellt, ohne Notwendigkeit einer Behandlung. Der Augenarzt meinte, dass das infolge einer drastischen Verbesserung der Werte temporär vorkommen kann und nur beobachtet werden muss. Tatsächlich, ein Jahr später war die Retinopathie von selbst verschwunden.
Ich will damit nicht sagen, dass man den Diabetes ruhig schleifen lassen kann. Die Motivation, sich schon in deinem Alter intensiv damit zu beschäftigen und gute Werte anzustreben, ist sehr gut und wichtig. Die heutigen technischen Möglichkeiten helfen dabei. Aber mach dir damit keinen Stress und genießt dein Leben. Wenn es einen erwischt, ist es in hohem Maße Schicksal.
Und immer hinterfragen, ob da wirklich ein Typ 1 oder ein Typ 2 an der Dialyse hängt, häufig ist nur von einem „Diabetiker“ die Rede. Ich hab den Eindruck, dass Typ 2er viel häufiger von schweren Folgeschäden betroffen sind, wahrscheinlich weil die Erkrankung meist über viele Jahre unentdeckt bleibt. Bei uns Typ 1er ist zwar die Therapie schwieriger und komplexer, wir haben aber den Vorteil, dass die Erkrankung in der Regel sofort auffällt und behandelt wird.
wie könnt ihr denn anhand der Trendpfeile abschätzen wie viel ihr korrigieren müsst? Weil manhcmal steigt der Zucker bei mir dann auf 300 und manchmal nur auf 180? Also wie viel spritzt ihr da generell?
Wie schon erwähnt, kann da ein Bolusrechner sehr helfen. In der kostenlosen App Diabetes:M oder in der kostenpflichtigen Pro-Version von Mysugr sind solche Rechner enthalten, die das momentane aktive Insulin (IOB) und die noch aktiven Kohlenhydrate (COB) berücksichtigen und entsprechende Korrekturvorschläge machen.
Das beste Tool für Diabetiker ist aber die App xDrip. Die zeigt die Sensorwerte, auch vom Libre, kontinuierlich an, kann diese kalibrieren, beinhaltet aussagekräftige Statistiken und kann die Werte per Bluetooth an viele verschiedene Uhren (auch das preiswerte Mi Band) weiterleiten. Die genialste Funktion ist aber die Vorhersage-Simulation von xDrip. Bei richtiger Konfiguration wird nach Eingabe der KH und IE der voraussichtliche zukünftige Blutzuckerverlauf grafisch angezeigt und mit den Sensorwerten ständig aktualisiert. Läuft die Vorhersage aus dem Zielwert, werden Korrekturvorschläge (zusätzliche IE oder KH) errechnet und angezeigt. Das ist zwar nicht immer 100 % korrekt, aber sehr sehr hilfreich, um früher zu reagieren. Seit ich xDrip bzw. die Vorhersage nutze und die Werte auf einer Uhr habe, hat mein HbA1c ohne Pumpe eine 5 vor dem Komma und die TIR liegt bei etwa 90%.
Xdrip+ Vorhersage - Bolus Assistent
Den Libre2 mit xDrip koppeln ist nicht ganz einfach, weil der Hersteller die Sensorwerte verschlüsselt hat. Es geht aber auf verschiedenen Wegen, mit der gepatchten LibreLink App, dem Zusatzalgorithmus OOP 2 oder der App Juggluco, was hier im Forum in speziellen Themen behandelt wird. Auch für den Libre 3 gibt es bereits hier beschriebene Lösungen, die Zusatzapps LLUClient oder Free Three (lokale Datenübertragung auf gerooteten Handys). In der neuesten xDrip-Version ist sogar die Datenquelle „Web Follower“ für den Libre integriert, die keine Zusatzapps mehr braucht und sich die Sensorwerte bei Internetverbindung aus der Abbott-Cloud Libre view holt– nur können die (noch) nicht kalibriert werden.