Insulinbedarf in großer Höhe

  • Hallo,


    ich finde schön, dass du berichtet hast von deiner Exkursion und deinen Erfahrungen.
    Ein Aufenthalt in der Höhe und die daraus entstehenden Reaktionen sind kein Hexenwerk.
    Schön, dass ein Forenteilnehmer seine Erfahrungen in einem Bericht dargelegt hat, auch wenn einige vielleicht glauben könnten, dass ich vielleicht der Urheber deines Berichtes sein könnte.
    Aber nein, das bin ich nicht! - das - was in der Höhepassiert - ist, dass der Körper beim "Schnaufen" Laktat produziert und Laktat ist Energie. Energie, die in Glukose umgewandelt wird und logischerweise Insulin erfordert.
    Auch in Ruhe wird durch den reduzierten Sauerstoffgehalt der Luft mehr Laktat vom Organismus produziert, was insgesamt den Insulinbedarf erhöht.
    Komischerweise gibt scheinbar dieses Faktum, diese wichtige Information, "Insulin-Mehrbedarf in der Höhe", kein Buch für Diabetiker, speziell für Typ-1 Diabetiker, ausreichend wieder.
    Gibt es tatsächlich nur eine wirkliche Informationsquelle für den deutschsprachigen Raum, die sachgerechte Grundlagen für einen Diabetiker Typ-1 darlegen und vermitteln kann?


    Sei also unbesorgt, alles ganz normal, und viel Erfolg bei der nächsten Exkursion.


    Mit Dank und Gruß

  • Hallo,


    ich habe zwar das Buch: "Diabetes- und Sportfibel", meine aber, dass in diesem Buch "nichts" zum Mehrbedarf in Höhe geschrieben steht.
    Es steht dort geschrieben, dass Messgeräte ab einer gewissen Höhe nicht mehr korrekt arbeiten, aber der selbige Einfluss auf den menschlichen Organismus wird nicht erwähnt.
    Es wird zwar in dem Buch ein ehemaliger Alpinist vorgestellt, der aber in diesem Buch Ultraläufe darlegt.


    Aber ich habe mich bemüht und eine Textpassage gefunden, die leider die Unwissenheit eines Kletterers zeigt. Dieser Kletterer wundert sich wahrscheinlich bis heute darüber, dass sein Blutzucker in ungeahnt ansteigt, wenn er sich in Höhe begibt. Aber es gibt für dieses Phänomen eine simple Erklärung = weniger Sauerstoff erhöht den Blutzucker, je weniger desto mehr.
    Weil man sich sehr deutlich über meine Ahnungslosigkeit oder Dummheit beklagt hat, möchte ich nicht wirklich eine weitere Erklärung zu dem nun folgenden Zitat liefern.
    Aber wenn sich ein Fast-Profi Fragen stellt und diese nicht beantworten kann, dann herscht ein gewaltiges Defizit in diesem Bereich!


    Die fogende Textpassage stammt aus: "Sieben Welten - Seven Summits - Erlebnisse eines Diabetikers", Seite 20 u. 21


    (...)


    Nun zu den drei Tagen, die Blutzucker-Achterbahn vom 5.- 7. August. Drei große Fragezeichen erschienen über den gemessenen Werten und sie sind bis heute nicht verschwunden.


    Der 5. August war der Gipfeltag am Pik Lenin und begann in Lager III auf knapp 6100m Höhe. Anfangs lief alles optimal. Knapp vor 6 Uhr ergab die Messung 148 mg/dl, wenig später verdrückte ich 3 BE. Das Humalog habe ich nicht reduziert, wohl aber die Basis (Ultratard) um ein Drittel. Um 7.30 Uhr startete ich meine 13 Stunden-Tour zum Gipfel und zurück zu Lager III. In der gesamten Zeit habe ich nur 3 BE zu mir genommen (über die Schwierigkeiten der Nahrungsaufnahme in großen Höhen habe ich bereits gesprochen). Normalerweise kann ich eine solche BE-Menge auch bei wesentlich kürzeren und weniger anstrengenden Touren locker „in die Basis hinein essen“, muss also dafür kein Humalog spritzen. Als ich nach meiner Rückkehr den BZ bestimmte, musste ich 356 mg/dl ablesen!! Woher kam dieser gewaltig hohe Wert bei derart geringer BE-Zufuhr, einem idealen Ausgangswert am Morgen und bei solch hoher, im allgemeinen BZ-senkender, Anstrengung? Ich korrigierte mit 6 IE Humalog, was den BZ auf 170 mg/dl herunter bringen hätte müssen und nahm an diesem Abend auf Grund der Erschöpfung nichts mehr zu mir. Mehr an Korrektur wagte ich nicht, da ich für die Nacht einen BZ-Absturz befürchten musste.


    Hatte ich denn während der 13 Stunden den BZ nicht gemessen?, werden hier manche ein-wenden. Nein, hatte ich nicht. Die Begründung mag tollkühn bis leichtsinnig klingen, aber so ist es nun mal bei solchen Unternehmungen. Als Günter, der Deutsche, seinen Aufstieg abbrach, war ich auch nicht mehr ganz taufrisch. Ich wollte die Gipfelchance nicht sausen lassen, hatte aber schwer mit dem Gewicht meines Rucksacks, der alles Lebensnotwendige (Biwaksack, Daunenbekleidung, etc.) für den Notfall enthielt, zu kämpfen. Noch etwa 350 Höhenmeter. Ich entschied mich, volles Risiko zu gehen, stellte meinen Rucksack in einer Eismulde ab, packte eine kleine Wasserflasche, einige Kohlehydrate, mein Insulin und meine Kamera in meine Jackentasche und stieg ohne Gepäck weiter. Auch mein BZ-Messgerät fiel meiner Light-Kletterei zum Opfer und blieb im Rucksack. Messung nach der Rückkehr vom Gipfel? Irgendwie ging da nichts mehr, die Denkprozesse waren auf Grund der langen Zeit mit Sauerstoffmangel schon derart stumpf geworden, dass ich mich nur noch auf ein Ziel konzentrieren konnte – hinunter zum Zelt.


    Am nächsten Morgen wachte ich mit 263 mg/dl auf, spritzte Korrekturinsulin und die Basis. Essen konnte ich nichts, keine einzige BE. Den ganzen Tag über lagen meine BZ-Werte zwischen 230 und 250 mg/dl, und das obwohl ich mehrmals Korrekturinsulin spritzte und eben gar nichts zu mir nahm. Ich war völlig platt und hatte hart mit mir zu kämpfen, mich nochmals aufzuraffen, alles einzupacken und zu Lager II abzusteigen, wo Thomas auf mich wartete.


    Am nächsten Morgen schien wieder Normalität einzukehren: 122 mg/dl, 4 BE zum Frühstück, keine reduzierten Insulinmengen. Thomas und ich stiegen bis zum späten Nachmittag zu Lager I ab, keine weiteren BE. Und dann die Blutzuckermessung: HI, d.h. mehr als 600 mg/dl (bestätigt durch Parallelmessungen). Nun war ich völlig ratlos und trotz heftiger Korrekturen kam ich bis zum Schlafengehen auf gerade mal 350 mg/dl herunter.
    Am 8. August, der Rückkehr ins Basislager glätteten sich die Wogen. Der MBG war mit 167 mg/dl immer noch erhöht, aber das war nun nicht mehr dramatisch. Und an den folgenden Tagen war wieder alles eitel Wonne.
    Eine Erklärung für diese BZ-Ausreißer habe ich bis heute nicht. Vermutlich hätte ich wegen drei Tagen mit unerklärlich hohen BZ-Werten kein großes Aufheben gemacht, hätte das Ganze vermutlich bald vergessen. Doch dieses Phänomen sollte sich immer wieder in extremen Höhen wiederholen, und das nicht nur bei mir, sondern bei allen Diabetikern, die sich in große Höhen wagen.
    (...)


    Diese Zeilen zeigen im Wesentlichen das gleiche Problem, wie von "Der Wurstekuchen".


    Mit Gruß

  • Hallo StillerTeilnehmer,



    Ich weiß nicht, warum du an der
    These "Insulin-Mehrbedarf in der Höhe" derart fest hältst. Diesen
    höhenbedingten Insulin-Mehrbedarf in der Höhe gibt es nicht und auch die
    Erfahrungen von Wurstkuchen und auch der Pik Lenin-Bericht stützen deine These
    in keiner Weise.



    Natürlich hast du recht, wenn du
    behauptest, dass Sauerstoffmangel für die erhöhten BZ-Werte verantwortlich ist.
    Wie vermutlich alle Sport treibenden Diabetiker inzwischen wissen, führt ein
    längeres Verweilen im anaeroben Bereich zu erhöhten BZ-Werten und damit auch zu
    einem erhöhten Insulinbedarf. Dabei ist es aber völlig egal, auf welcher Höhe
    du dich befindest, es kann auch auf Meeresniveau sein. Das gilt übrigens nicht
    nur für Diabetiker, sondern auch für Nicht-Diabetiker.



    Was geschieht nun in der Höhe?
    Bis 3000m für die meisten Menschen gar nichts. Der Luftdruck ist dort zwar um
    30% niedriger als auf Meeresniveau, eine Akklimatisation auf 3000m erfolgt aber
    bei den meisten Menschen extrem schnell und fast unmerklich. Eine vollständige
    Akklimatisation des Körpers ist bis 6500m möglich, eine moderate Anpassung
    sogar bis 7500m. Über 7500m, in der Todeszone, muss man dann einfach schnell
    sein. Drei Nächte oberhalb kann man in der Regel überleben, ab der vierten wird
    es kritisch, egal ob Diabetiker oder nicht.



    Für eine Anpassung an 6000m
    braucht man mehrere Wochen, während für 3000m einige Stunden und für 4000m
    einige Tage ausreichen. So lange der Körper an eine bestimmte Höhe nicht
    angepasst ist, werden sich sportliche Leistungen, manchmal sogar Ruhephasen,
    oft im anaeroben Bereich bewegen, daher auch erhöhter BZ. Sobald der Körper
    aber an die erforderliche Höhe angepasst ist, gelten beim Bergwandern und
    Bergsteigen die üblichen Regeln für Ausdauersport: größere
    Insulinempfindlichkeit, geringerer Insulinbedarf.



    Warum kommt es zu
    Gipfelbesteigungen ohne entsprechende Anpassung? Das ist ein logistisches
    Problem. Will man zB. vollkommen angepasst den 7100m hohen Pik Lenin besteigen,
    würde man etwa 6 Wochen dafür benötigen. Diese Zeit hat man im allgemeinen nicht.
    Daher begnügt man sich mit einer brauchbaren Anpassung an 6000m und nimmt in
    Kauf, dass die Gipfeletappe (fast durchgehend) anaerob verläuft. Das ist nicht
    ganz ohne Risiko (Lungen-, Hirnödem), erhöhte BZ-Werte sind da ein
    vernachlässigbarer Nebeneffekt.



    Übrigens: es gibt eine Vielzahl
    von Maßnahmen, die die Akklimatisation optimieren. Aber das würde hier zu weit
    führen.



    LG Geri

  • Hallo,
    ich möchte meinen Senf auch dazugeben! Ich bin 66 Jahre alt und seit ca. 20 Jahren Diabetiker, mein Arzt nennt mich einen alten Typ 1 Diabetiker. Ich spritze vor dem Essen Humalog und morgens und abends ins Bein Levemir.



    Jedes Jahr fahre ich im Sommer und Winter auf ca. 1400m in mein Stammhotel.
    Im Sommer faulenze ich nur, gehe leicht spazieren oder fahre mit dem Lift auf max. 2300m Höhe, um dort zu spazieren.


    Im Winter fahre ich ca. 2 Stunden pro Tag Ski.


    Am ersten Tag ist mein Blutzucker normal. Aber ab dem zweiten Tag reicht die gewohnte Insulinmenge nicht aus. Selbst bei körperlicher Anstrengung (Skifahren) gibt es Blutzuckerwerte zwischen 200 und 300!
    Nur schwer in den Griff zu bekommen! Ich muss viel mehr Insulin spritzen!


    Meine Heilpraktikerin sagte, dass das nur vom Sauerstoffmangel kommt.


    Daheim sackt mein Blutzucker bei körperlicher Betätigung meist stark ab.
    Ich brauche dann viel weniger Insulin.


    Nun meine Frage:
    Hat einer von Euch es schon mal bei diesem Höhenproblem mit Sauerstoffzufuhr versucht?
    Es gibt ja Sauerstoffflaschen (Sauerstoff aus der Dose) mit Inhalationsmaske für kleines Geld (ca. 20€) welche für 60-80 Sauerstoffgaben reichen sollen.