Typ-1-Diabetes: Keine kognitiven Langzeitschäden der intensivierten Insulintherapie
Donnerstag, 3. Mai 2007
Boston - Die bei der intensivierten Insulintherapie erhöhte Rate von Hypoglykämien führt langfristig nicht zu kognitiven Einbußen der Patienten. Dies geht aus den neuesten Daten der Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications oder EDIC-Studie im New England Journal of Medicine (NEJM 2007; 356:1842-1852) hervor.
EDIC ist die Nachfolgestudie des fast schon legendären Diabetes Interventions and Complications (DCCT) aus den Jahren 1983 bis 1989. DCCT hat seinerzeit der intensivierten Insulintherapie zum Durchbruch verholfen. Bei der intensivierten Insulintherapie lernen die Diabetiker die Insulinmenge am aktuellen Bedarf zu orientieren, was zwar regelmäßige Blutzuckerkontrollen erforderlich macht, den Diabetikern dafür aber größere Freiräume in der Ernährung einräumt.
In der DCCT konnte auf diese Weise die langfristige Blutzuckerkontrolle (gemessen am HbA1c-Wert) signifikant verbessert werden. Es stieg aber auch die Zahl der Hypoglykämien. Während der 6,5 Jahre Laufzeit der DCCT kam es bei den 588 Teilnehmern unter intensivierter Insulintherapie zu 653 Hypoglykämie-Ereignissen, bei den 556 Teilnehmern der konventionellen Therapie mit fest vorgegebener Insulinmenge und strikter Diät waren es nur 205 Hypoglykämie-Ereignisse. Nach dem Ende der DCCT wurde allen Teilnehmern die intensivierte Insulintherapie angeboten. Seither ist es in beiden Gruppen zu gleich vielen Hypoglykämie-Ereignissen gekommen. In den 18 Jahren seit Beginn der DCCT haben 40 Prozent aller Patienten bereits einmal ein hypoglykämisches Koma oder Krampfanfälle erlebt.
Zwar starben nur 3 Patienten an den direkten Folgen der Hypoglykämie. Es steht aber noch immer die Frage im Raum, ob eine häufige Unterzuckerung des Gehirns nicht doch auf Dauer zu Schäden führt. Diese könnte sich in einem Rückgang der kognitiven Leistungen bemerkbar machen. Vor Beginn der DCCT-Studie waren bei allen Patienten umfangreiche kognitive Tests durchgeführt worden. Es wurden die Fähigkeiten der Teilnehmer in acht Bereichen bestimmt: Problemlösung, Lernen, Kurzzeitgedächtnis. Langzeitgedächtnis, räumliches Vorstellungsvermögen, Aufmerksamkeit, psychomotorische Effizienz und motorische Geschwindigkeit.
Die Tests waren nach Abschluss der DCCT wiederholt worden. Damals gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Jetzt, 18 Jahre nach Beginn der DCCT, hat das EDIC-Team um Alan Jacobson vom Joslin Diabetes Center in Boston die Tests noch einmal wiederholt. Erneut fanden die Forscher keinen Hinweis, dass wiederholte Hypoglykämien zu kognitiven Schädigung führen. Eher machte sich eine schlechte Stoffwechseleinstellung nachteilig bemerkbar. Diabetiker mit einem HbA1c-Wert von mehr als 8,8 Prozent hatten im Bereich psychomotorische Effizienz einen signifikant stärkeren Abfall als Diabetiker mit niedrigeren HbA1c-Werten.
Ein endgültiges Urteil ist indes derzeit noch nicht möglich. Die Teilnehmer der DCCT haben heute ein Durchschnittsalter von 45 Jahren erreicht, befinden sich also in einer Lebensphase, in der sich kognitive Störungen selten sind. Möglich ist, dass Hypoglykämien in einem späteren Alter eher zu Schäden führen. Auch aus diesem Grund soll die EDIC-Studie noch bis zum Jahr 2016 fortgesetzt werden. © rme/aerzteblatt.de