Gesundheitspolitik und was unsere Politiker machen

  • Gesundheitspolitik


    Arme Ärzte, arme Patienten


    Von Roswin Finkenzeller, München


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    06. März 2009 Winterlich kalt war es in der Oberpfalz und spiegelglatt der Weg, auf dem die 52 Jahre alte Frau ausrutschte. Als nach einigen Tagen das Knie immer noch schmerzte, ließ sie sich zu Dr. Kian bringen, ihrem Orthopäden in Eschenbach, dessen Patientin sie ohnehin war. Die laienhaftesten Gedanken huschten ihr durch den Kopf, etwa der, dass nunmehr der Facharzt nicht nur an ihrer rechten Schulter verdiene, sondern auch noch an einem Gelenk weiter unten.
    Bass erstaunt gewesen wäre sie, wenn ihr in der Praxis jemand die gesundheitspolitische Wahrheit aufgetischt hätte, dass ihr verletztes Knie kostenlos behandelt werden müsse. Denn seit 1. Januar zahlen die gesetzlichen Kassen pro Patient und Quartal einen bestimmten Betrag und damit basta. In der Orthopädie sind das 29 Euro und 28 Cent. Mit diesem Sümmchen waren bereits die Bemühungen um die Schulter, genauer um die abgenutzte Rotatorenmanschette, auf betriebswirtschaftlich verheerende Weise abgegolten.
    Verwirrende Details
    [Blockierte Grafik: http://www.faz.net/m/%7B88530B54-4709-44E8-8CBB-17A43AC3B158%7DFile1_4.jpg]Streikende Fachärzte Mitte Februar in München: Nicht nur von Luft und Liebe leben


    Alle Leistungen sind inbegriffen, vom Tastbefund über den Ultraschall bis zu den guten Ratschlägen. Röntgen allerdings ist eine Sonderleistung, zu vergüten mit fünf Euro. Oder, sofern es der Therapeut pfiffig anstellt, mit zwölf Euro. Die neuen Tarife gestatten ein paar Schlaumeiereien und damit wiederum staatliche Ausreden wie die, Beschwerdeführer könnten nicht rechnen. Das ändert aber nichts an der Einführung der „Regelleistungsvolumina“, der nach medizinischen Fachgebieten und Bundesländern fein gegliederten Kopfpauschalen für drei Monate.
    Das bisherige Punktesystem war für niedergelassene Fachärzte der Regen, aus dem sie in die Traufe kamen. Zu ihrer Kenntnis gelangten die unzähligen, von Neujahr an geltenden Details nicht etwa im vergangenen Herbst, sondern kurz vor Weihnachten, einem für das Studium fachspezifischer Einkommensverhältnisse etwas ungeeigneten Zeitabschnitt.
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    Einkommen, Honorare, Vergütungen - der Vorsitzende des bayerischen Kardiologenverbandes beschwört die Deutschen, solche irreführenden Vokabeln zu vermeiden. Welchen Plural hält Professor Silber für angebracht? „Umsätze.“ Stimmt insofern, als die Beträge nicht in die Taschen des Arztes fließen, ja nicht einmal die Betriebskosten decken, am wenigsten die einer kardiologischen, mit modernsten Geräten ausgestatteten Praxis.
    All-Inclusive Behandlung für 72 Euro
    So ergeht es auch dem Münchner Professor Schön, der wie fast alle Kollegen dem jeweiligen Patienten nicht gleich auf die Nase bindet, was der gesetzlichen Krankenversicherung ein bayerisches Herz vierteljährlich wert ist. Ein 35 Jahre alter Patient, der sich kürzlich nach zweitägiger Behandlung nach den Kosten erkundigte, konnte es kaum glauben: Am Donnerstag hatte er auf dem Bildschirm ein Stück seines Innenlebens gesehen, aber nur in Form von Tabellen und Grafiken - das Ergebnis der Sonographie. Am Freitag lag er zweimal, jeweils 17 Minuten lang, unter einer sich nähernden, sich entfernenden, von links nach rechts pendelnden und wieder zurückschwenkenden Kamera. Szintigraphie.
    Dazwischen trug er die für ein Langzeit-EKG nötigen Schnüre mit sich herum, die längst nicht mehr so zahlreich und unbequem sind wie früher. Persönlich lernte er Professor Schön kennen, der sich ihm ebenfalls zweimal widmete, wahrscheinlich auch jeweils 17 Minuten lang. Es war da noch ein zweiter Arzt, der die Sonographie besorgte und dabei behauptete, die besondere Art von Ultraschall ersetze einen Teil der ebenso klassischen wie schmerzhaften Katheteruntersuchung erst seit ein paar Jahren.
    [Blockierte Grafik: http://www.faz.net/m/%7B2DCFDFCD-EB49-4E12-8EC4-C85B1B405610%7DFile1_4.jpg]Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: Die Rechnung geht nicht auf


    Personalintensiv war die Behandlung auch deshalb, weil Fachpersonal dem Patienten das EKG anlegte und abnahm, weil der Patient für das erste, das Belastungsszintigramm, unter fachfraulicher Aufsicht treten und strampeln musste und weil ihm als Kontrastmittel ein Nuklid intravenös verabreicht wurde. Was nun kostete der ganze Spaß? 72 Euro. So viel zahlt die Kasse und zahlt auch dann keinen Cent mehr, wenn der Patient im laufenden Quartal nicht nur die diagnostizierte Verengung der Aortenklappe aufzuweisen hätte, sondern urplötzlich auch ein, sagen wir, Vorhofflimmern. Benötigte sein Herz ein paar Stromstöße, müsste der Defibrillator dann gratis seinen Dienst tun.
    Die rettende Idee, die sich unter sämtlichen Fachärzten schon Anfang Januar herumgesprochen hat, wäre die Überweisung ins Krankenhaus. Dort wird nach einem anderen System gerechnet, allerdings nach einem für den Steuerzahler teureren.
    „Leistungen den Honoraren anpassen“?
    Die für Patienten schlimmstmögliche Perspektive hat der Bundesverband niedergelassener Kardiologen in Worte gefasst. „Wird die Vergütung nicht unverzüglich aufgestockt, werden die Kardiologen zunehmend dazu übergehen müssen, ihre Leistungen den Honoraren anzupassen.“ Der arme Patient legt natürlich Wert darauf, dass die ärztlichen Leistungen seinem Gesundheitszustand angepasst werden und nicht den Honoraren oder, wie Professor Silber zu sagen empfiehlt, den Umsätzen.
    Sein Kollege Schön liebt den Ausdruck „lege artis“, nach den Gesetzen der ärztlichen Kunst. Wird jedoch der Mann mit der verengten Aortenklappe lege artis behandelt, dann kostet den Therapeuten allein schon das in die Vene zu spritzende Thallium mehr als de Hälfte jener 72 Euro, die von den gesetzlichen Kassen erstattet werden. Schön arbeitet in einer Gemeinschaftspraxis, deren Kosten sich im Monat auf 100.000 Euro belaufen. Davon werden die Kassen allenfalls 80.000 Euro übernehmen.
    Den Rest zahlen, wenn auch indirekt, die glücklicherweise vorhandenen Privatpatienten, die tun müssen, was die gesetzlichen Krankenkassen nicht tun wollen: bezahlen, was es kostet.
    Da aber Ärzte auf Dauer vom Ethos ebenso wenig leben können wie von der Luft und der Liebe und die unterschwelligen Zuwendungen der Privatpatienten kein Dauerzustand sein sollten, richten sich die Hoffnungen auf eine Anhebung der Regelleistungsvolumina. „Wenn“, prophezeit Schön, „die RVL durchgehen, dann würde das für die versicherten Patienten einen Anstieg der Morbidität und Mortalität bedeuten.“ Auf Deutsch: Die Leute sterben eher.
    Während in Bayern die Gastroenterologen beneidet werden, weil sie für eine Darmspiegelung jenseits aller Pauschalen 180 Euro berechnen dürfen, sind die Gynäkologen Gegenstand fächerübergreifenden Mitleids geworden. Pro Patientin und Quartal bekommen sie 16 Euro. Das ist ungefähr die Summe, mit der nach Krankenkassenbegriffen der Tastbefund und der Vorsorgeabstrich ausreichend vergütet sind. Schon die Tumornachsorge, auf die aus Sparsamkeitsgründen zu verzichten kein sehr weiser Rat wäre, und alles Übrige auch wird von der Pauschale nicht mehr gedeckt.
    Die Vokabel „Praxisgebühr“ als perfekte Irreführung
    Wohl aus Angst, die vom Risikostrukturausgleich der Länder besonders benachteiligten bayerischen Doctores könnten unter die Patientensammler gehen, wurde die Zahl der einzureichenden gynäkologischen Scheine auf tausend begrenzt. Selbst wer sich schwertut mit dem großen Einmaleins, wird mühelos errechnen, was dabei herauskommt: 16 000 Euro im Quartal, das heißt etwas mehr als 5000 Euro im Monat. Davon zu bezahlen wären der Arzt, zwei Sprechstundenhilfen mit Gehalt und Lohnnebenkosten und nicht zuletzt die hoffentlich moderne und pieksaubere Praxis. Dass die Rechnung nicht aufgeht, weiß jeder, weiß sogar Ulla Schmidt, die es sich trotzdem angelegen sein lässt, die Kassenpatientinnen gegen die Privatpatientinnen mit Bemerkungen wie der aufzuhetzen, bloß weil Letztere plötzlich auftauchten, sollten Erstere nicht länger im Wartezimmer sitzen müssen.
    Der Vergleich mit Automechanikern ist unter Operateuren mittlerweile gang und gäbe. In der Regel unterbliebe die Reparatur eines jeden Wagens, wenn mit ihr nicht weitaus mehr Geld zu verdienen wäre als mit entsprechenden Eingriffen beim Kassenpatienten. Stellen Sie sich doch, ermuntern einige Ärzte ihre Patienten, einen Klempner vor. Sollte an diesen das Ansinnen gestellt werden, für eine pauschalierte zweistellige Summe sämtliche einschlägigen Schäden zu beheben, die im Laufe eines Vierteljahres in einem Haus anfallen könnten, dann würde einem solchen Kunden der Handwerker aller Wahrscheinlichkeit nach den Vogel zeigen.
    Das breite Publikum kann es kaum fassen, schon gar nicht verstehen. Dazu dient auch die abstoßende Wortschöpfung „Regelleistungsvolumen“. Schon die Vokabel „Praxisgebühr“ war eine perfekte Irreführung - die Praxis darf die zehn Euro gar nicht behalten. „Regelleistungsvolumen“ ist noch verwirrender - viele Leute glauben immer noch, die Fachärzte verdienten sich damit eine goldene Nase. Die Quersubventionierung durch die Privatpatienten, wenn sie denn überhaupt wahrgenommen wird, regt die wenigsten Kassenpatienten sonderlich auf. Erst die Bezifferung der Honorare, die im Osten der Republik höher sind als im Westen, führt zu der entscheidenden Frage, wie denn so ein Arzt über die Runden kommen wolle, der für eine Punktion 11,56 Euro oder für den Einsatz von Ultraschall 1,20 Euro verdiene - für etliche Bemühungen aber überhaupt nichts.
    „Es wird systematisch kaputtgespart“
    ie Lagebeurteilung fällt bei den Betroffenen ziemlich einhellig aus. Erster Kernsatz: Die niedergelassenen Fachärzte werden verschwinden. Zweiter Kernsatz: Genau das ist politisch gewollt. „Man möchte die Fachärzte austrocknen“, formuliert es beispielsweise Dr. Kian. Bedenkenlos spricht er vom „MVZ“, als sei diese Abkürzung bereits sprachliches Allgemeingut, als habe sich längst herumgesprochen, dass dem „Medizinischen Versorgungszentrum“ die Zukunft gehören soll, einer Mammutpoliklinik unter staatlicher oder halbstaatlicher Verwaltung, mit etlichen Assistenzärzten, deren Einsatz dem Prinzip der freien Arztwahl hohnspricht.
    Hat ein Oberpfälzer Akademiker noch im Ohr, wie die Politiker, zumal die sozialdemokratischen, im bayerischen Flächenstaat die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen sowohl vermissten als auch herbeisehnten, dann kann er über die Vorliebe für zentrale, den Großstädten vorbehaltene Einrichtungen nur staunen. Nürnberg in Mittelfranken als Reiseziel Oberpfälzer Patienten? So ungefähr.
    „Geplant ist eine relevante Systemumstellung“, sagt Sigmund Silber und malt sich das Gedränge in den therapeutischen Sammelstellen aus: „Wir kriegen die Wartelistenmedizin.“ Das wären englische Verhältnisse trotz erwiesenen englischen Fehlschlags. „Wir hatten“, bemerkt Hans R. Schön über Deutschland, „in der Welt das beste Gesundheitssystem, das jetzt systematisch kaputtgespart wird.“

    Zum Thema


    Text: F.A.Z.
    Bildmaterial: ddp, dpa, F.A.Z.-Greser&Lenz

    Gruß


    Hans :family:


    Typ 1 seit 1967
    seit 12.07.2006 mit CSII

  • Hallo und danke für diesen interessanten Bericht!
    Ich hätte da jetzt einige Fragen dazu - falls die hier im News-Bereich falsch sind (ich kenn die Forenstruktur hier noch nicht so gut), bitte an die richtige Stelle verschieben - danke ;)


    Weiss jemand von Euch, wieviel ein Diabetologe im Vierteljahr für die Behandlung von einem Typ-1er bekommt? Und wieviel, falls dieser im DMP ist?
    Ein Freund von mir, der nicht im DMP ist, hat nämlich momentan massive Probleme, weil sein bisheriger Diabetologe ihn vor die Wahl gestellt hat, sich einzuschreiben oder sich einen anderen Arzt zu suchen, und er bei dem anderen Arzt, zu dem er dann hin ist, eigentlich die gleiche Antwort bekommen hat: ins DMP einschreiben oder tschüss ... (eigentlich bin ich immer noch sprachlos ...)
    Ich selbst bin zum Glück bei einem Diabetologen, der darauf gar keinen Wert legt und habe mich bisher nicht eingeschrieben, weil ich keinen Vorteil davon sah. Wenn da miserable Bezahlungen durch die Krankenkasse aber etwas besser der Leistung angepaßt würden, die ich ja von meinem Arzt erhalte, wäre das für mich durchaus ein Argument, mich auch ohne direkten persönlichen Nutzen (die meisten Kassen scheinen hier ja eh nichts mehr lockerzumachen?) mich "für gute Leistung" ein bisschen zu revanchieren?


    Ich bin gespannt, ob da jemand von Euch was weiss,
    viele Grüße,
    LiLi

  • zu den details unseres neuen gesundheitssystems weis ich bisher noch nicht so viel. aber eines weis ich: wir haben das finanziell zweit oder drittstärkste gesundheitsbudegt weltweit, allerdings liegen wir in sachen qualität leider bei weitem nicht mehr auf dem zweiten bzw. dritten platz weltweit....


    mangelnde transparenz auf ganzer linie und -was am schlimmsten ist- langjährig etablierte strukturen, die es den interesengruppen mit einem beinahe schon "traditionellem" einfluss -stichwort zB die interessengruppe der chemieindustrie- erlauben, jede reform zu ihren gunsten mit zu gestalten.


    bei der duskussion zu diesem thema bei anne will gestern abend, kam auch wenig bsi nichts neues oder erhellendes heraus. ich erwarte da auch ehrlichgesagt gar nichts mehr!


    das ganze system erinnert mich irgendwie an die jetzige finanz- und wirtschaftskrise. erst wenn das gesamte system vollständig kollabiert ist, glaube ich, kann überhaupt einmal ein ansatz geschaffen werden, nachdem zumindest die möglichkeit auf nachhaltige änderung besteht. bis dahin werden die bereits seit jahrzehnten etablierten interessengruppen (chemielobby, appothekenlobby, krankenkassenlobby und nicht zuletzt die interessengruppe der ärzte) sich alle mühe geben, am zumindest vorhandneen status quo nichts zu ändern.


    die einzige interessengruppe ohne eigene lobby -der gemeine pflichtzahler- ist i.d.R. dann auch der, auf dessen schultern die reförmchen der letzten jahrzehnte von statten gegangen sind.


    statistisch gesehen verdient ein jeder arzt in deutschland 120.000,- p.a. nun liegen zweifelsfrei ne menge ärzte mitunter weit darunter. daraus folgert dann jedoch automatisch, dass mindestens ebensovieole weit darüber liegen müssen.


    daneben ist ein großteil der von deutschen durchschnittlich wahrgenommenen arztbesuchen nicht nachvollziehbar und systembedingt. anders kann man durchschnittlich 16 arztbesuche je deutschem pro jahr (so viel habe ich ja nicht einmal als chronisch kranker - ja nicht einmal die hälfte) nicht wirklich erklären. die tatsache, dass wir viel zu viel (besonders in ballungsgebieten) fachärzte besitzen, ist ja nun auch keine wirkliche neuerung und wenn ich dann sowas lesen muss::

    Zitat

    Die für Patienten schlimmstmögliche Perspektive hat der Bundesverband niedergelassener Kardiologen in Worte gefasst. „Wird die Vergütung nicht unverzüglich aufgestockt, werden die Kardiologen zunehmend dazu übergehen müssen, ihre Leistungen den Honoraren anzupassen.“

    fällt es schwer, dies auch nur im ansatz ernst zu nehmen. mir drängt sich hier einfach nur noch die frage auf, wie schmerzfrei und an rücksichtslosigkeit und egomanie nicht mehr zu überbietenden charakter sich traut, so etwas öffentlich zum besten zu geben!


    der bundesverband ausgerechnet der niedergelassenen kardiologen. die mit abstand am wenigsten praktisch arbeitenden ärzte, welche aber -zumindest im statistischen durchschnitt- die mit abstand, innerhalb der ärztezunft, beste einkommensgruppe darstellen???


    da klaffen die verhältnismäßigkeiten mitunter exorbitant auseinander!


    sicher ist das thema derart vielfältig, dass es schwierig ist, argumentativ die interessen aller beteiligter gruppen fair abzuwägen und zu bewerten. der mammutteil des gesundheitswesens fließt nach wie vor in den bereich der chemieindustrie. insofern müsste man die kritik auch als erstes dort ansetzen.


    unterm strich ist es jedoch für uns -den gemeinen beitragszahlern- völlig pumpe, wie, wer, was, wo verantwortlich ist, denn wir haben mangels alternative unseren "beitrag" immer schon vorab geleistet.


    vor diesem hintergrund habe ich für keine einzige der beteiligten gruppen unseres gesundheitssystems, welche sich hier nun beschweren -ausser den beitragszahlern selbst- auch nur einen nanomilimeter verständis!!


    die frage, die sich hier m.E. geradezu aufdrängt, ist doch eigentlich die, warum niedergelassene ärzte überhaupt auf honorar bezahlt werden müssen. wieso nicht nach anderen kriterin, welche auch eine bewertung der medizinischen qualität zuließen??


    man sehe mir bitte meinen pessimismus etwas nach, aber mangels adäqater gegenbeispielen, fällt es mir ziemlich schwer, für viele der im eingangsthread dargelegten probleme der ärztezunft verständnis aufzubringe und das ist noch sehr diplomatisch formuliert!! ;)

  • Hallo Stonie,

    ich sehe viele Deiner Argumente ähnlich und kann das Gejammer der Ärzte nicht mehr hören. Zum einen hat sich jeder Arzt den Beruf freiwillig ausgesucht. Der Vorteil bei den Ärzten ist die große Lobby, also finden sie immer einen Abnehmer für das Jammern.

    Du sprichst die Geldverteilung im System an. Die Beiträge der Krankenkasse werden im Prinzip in drei große Bereiche verteilt: ambulante Kosten (also alles was niedergelassene Ärzte betrifft), stationäre Kosten (Krankenhaus) und Arzneimittel. Achtung: Das ist eine sehr vereinfachte Darstellung, daneben gibt es eine Menge weiterer Kostentreiber. Die von mir genannten Gruppen sind aber die größten.

    Für die gesetzlichen Krankenkassen sind für die Verteilung der Gelder im ambulanten Bereich die Kassenärztlichen Vereinigungen zuständig. Die Kassen verhandeln also nicht direkt mit dem Arzt sondern der KV über das Geld. Die KV verteilt dies dann über ein Punktesystem an ihre Ärzte.
    BTW: Ein Vorstand der KV verdient ohne die Einnahmen aus seiner Praxis im Schnitt um die 100.000 Euro.
    In meinen Augen ist diese Umverteilung durch die KV ein riesen Problem in unserem System. Das Geld kann dadurch nicht zielgerichtet gesteuert werden und die Ärzte werden nur indirekte durch die Krankenkassen bezahlt.


    Ein weiteres riesen Problem ist die Selbstbedienungsmentalität der Ärzte. Durch die KV kann eine Krankenkasse nicht nachvollziehen was ein Arzt im Detail abrechnet. Damit kann ein Arzt im Prinzip völlig frei abrechnen und muss keine Kontrollen fürchten. Betrug ist hier Tür und Tor geöffnet. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass ca. 90-95 alle Ärzte ihre Abrechnungen ,,optimiere". Über dieses Geld wird leider viel zu selten gesprochen.

    Insgesamt krankt das System aus meiner Sicht an vielen Punkten. Dies waren nur zwei davon. Wenn ich in andere Länder gucken, z.B. die Schweiz oder die Niederlande so finden sich dort Beispiele wie man das System anders organisieren kann um das Geld zielgerichtet zu verteilen. In der Schweiz sind die Ärzte bei den Krankenkassen angestellt. Der Versicherte verpflichtet sich immer zuerst zu seinem Hausarzt zu gehen, der die weitere Behandlung koordiniert. Da der Arzt finanzielle Zielvorgaben hat, ist er daran interessiert den Versicherten möglichst schnell zu heilen und nimmt die Koordinatorenrolle an. Sollte der Patient innerhalb einer bestimmten Zeit mit der gleichen Erkrankung wieder bei ihm erscheinen, so erhält er kein weiteres Geld.
    Eine KV gibt es hier nicht.

    Viele Grüße
    Der Tee

  • Die meisten Ärzte (inklusive die Zahnklempner) zählen nicht zu den Bedürftigen im Lande. Sie sind gut organisiert - jedenfalls besser als die Patienten - und politisch bestens vertreten. Jedenfalls weit besser als ihre Patienten... :sarksm:
    Kassenärztliche Vereinigungen gibt es nur in Deutschland. Hätte ich politisch was zu sagen, gäbe es sie nicht mehr (genau wie die Apothekerverbände :7no:). Geld für teure Werbekampagnen und Lobbyarbeit haben die genug. Grund zum Klagen jedenfalls nicht.
    Patienten müssen lernen, mehr Selbstverantwortung zu übernehmen. Ist auf Dauer gesünder - und billiger. :9engel_3:

    Gruß

    Thomas

  • muss eine aussage meinerseits korrigieren... :rolleyes:

    nicht die kardiologen sondern die radiologen sind die fachlich am wenigsten arbeitenden und die mit abstand am besten verdienende gruppe innerhalb der arztezunft...
    sorry für die verwechslung. da ging wohl mein temprament mit mir durch *pfeiff* :9engel_3:

  • Hallo Thomas,
    hallo Steinie,

    Radiologen haben anscheinend den größten Einfluss was die Punktwerte angeht. Auf der anderen Seite muss man bei ihnen sagen, dass allein die Praxiseinrichtung in die Millionen geht. Ein CT oder ein MRT kosten richtig Geld.

    Ich bin der Meinung, dass Ärzte nichts anderes als Dienstleister sind. Das habe ich heute morgen in einem anderen Post beschrieben. Daneben sind sie aber auch Kaufleute und da gehört Gewinnmaximierung zum Alltag. Ob das positiv oder negativ für die eigentlich Behandlung ist, sei dahingestellt.
    Ich kann das Genöle jedenfalls nicht ertragen und sage es dem Arzt auch ganz offen.

    Thomas, Du hast von den Patienten geschrieben. Ich glaube, dass man auch hier eine Menge machen kann. Das Thema Krankheit ist ein sehr sensibles Thema, da es uns alle mehr oder weniger betrifft. Uns Diabetiker sicher mehr als andere.
    Wir sind es gewohnt, dass alles was wir wollen verschrieben und bezahlt wird. Nach der Notwendigkeit wird oft nicht gefragt. Dazu gibt es auch hier genug Threads. In anderen Ländern ist dies anders gelöst, sei es durch Selbstbeteiligungen oder bestimmte finanzielle Belastungsgrenzen.
    Wir haben alle eine sehr ausgeprägte Konsumhaltung und ein hohes Anspruchsdenken. Wir sind es gewohnt bestimmte Medikamente zu erhalten. Gibt es Re-Importe wird gleich losgemeckert. Da nehme ich auch mich nicht aus. Der Konsum muss natürlich bezahlt werden.

    Viele Grüße
    Der Tee

  • mist. habe grad ne gute halbe stunde geantwortet, war aber bereits über den timeout wieder rausgeflogen und nachm erneuten einloggen war der gesamte text futsch.... :11weinen2:

    egal :D
    bin aber trotzdem nun raus für heut. schönen abend an alle ;)