Fragen zum Laktat und mehr

  • Hallo zusammen,


    nachdem ich hier jetzt eine Menge gelesen habe, stellen sich für mich ein paar Fragen.


    1) Wie lange dauert es zirka, bis gebildetes Laktat wieder abgebaut ist?
    2) Wie kann ich selber einschätzen, ob viel Laktat gebildet wurde ohne ein entsprechendes Messgerät zu haben oder zur Leistungsdiagnostik zu gehen?
    3) Kann ich anhand meines Pulsverlaufs feststellen, ob ich eine "Insulinresistenz" nach dem Sport zu erwarten habe?
    4) Macht es für einen Diabetiker daher mehr Sinn zu einer Leistungsdiagnostik zu gehen um die anaerobe Schwelle feststellen zu lassen oder ist das Blödsinn?
    5) Wie lange muss ich über der anaeroben Schwelle sein, so dass negative Auswirkungen auf den Blutzucker im Anschluss an das Training entstehen?


    Hintergrund meiner Fragen:
    Ich habe gerade wieder mit dem Sport angefangen und bin leider sehr untrainiert. Aufgrund früherer Erfahrungen mit zahllosen Unterzuckerungen und Nachbrenneffekten über mehrere Tage bin ich sehr vorsichtig geworden. Also reduziere ich die Basalrate ca. 1 Stunde vor dem Sport um ca. 50-60 %. Meistens geht das gut und ich komme mit dem Ausgangswert wieder an. Allerdings ist es manchmal so, dass mein Zucker danach extrem ansteigt und ich es mir nicht recht erklären kann. Normales Spritzverhältnis zu den Mahlzeiten reicht da oft nicht aus.


    Jetzt mach ich keinen Marathon oder sonstiges sondern geh "nur" Joggen und auch echt Mini-Strecken: 5-6 km mit Gehpausen, wenn der Puls über ca. 175 geht (bei eine HFmax von ca. 186).


    Wenn sich dabei Laktat bildet, wie merke ich das? Ich meine, ich weiss wie es sich anfühlt wenn die Beine total übersäuert sind, aber das habe ich ja bei dieser Strecke nicht wirklich. Sie ziehen und ich merke deutlich die Belastung, aber jetzt nicht sonderlich extrem. Ich geh auch brav ein für 5-10 Minuten und lauf/geh ruhig aus.


    Vielleicht streckenweise "blöde" Fragen, aber wäre trotzdem nett, wenn Sie jemand beantworten würde.


    Lieben Dank,
    Candy

  • Ich häng mal ne Frage mit hintenran: Ich dachte immer Laktat wird immer gebildet und "automatisch" bei hohen Werten in Glucose umgewandelt, nur bei starker Dauerbelastung wird mehr erzeugt als abgebaut? Merkt man das dann nicht einfach durch Seitenstechen?
    Laktatazidose tritt doch eigentlich nur unter Metformin auf, d.h. wohl bei Typ2ern?

  • Zitat von Candy;252324


    1) Wie lange dauert es zirka, bis gebildetes Laktat wieder abgebaut ist?


    Das kommt drauf an. An der Individuellen Anaeroben Schwelle (IANS) wird es genauso schnell abgebaut wie es gebildet wird - so ist sie definiert. Die kann man durch Training nach oben verschieben - gemeint ist damit, dass sie bei höherer Belastung erreicht wird, die wiederum näherungsweise mit einem Pulsmesser überprüft werden kann. Durch Training oberhalb der IANS "lernt" der Körper, Laktat schneller abzubauen. Die IANS kann man durch eine Leistungsdiagnostik bestimmen, als erfahrener Sporler hat man das aber IMHO im Gefühl.


    Zitat von Candy;252324


    2) Wie kann ich selber einschätzen, ob viel Laktat gebildet wurde ohne ein entsprechendes Messgerät zu haben oder zur Leistungsdiagnostik zu gehen?


    Ohne Laktat-Messung kann man das eigentlich nicht wirklich einschätzen, vor allem als Sport-"Anfänger". Bei sehr intensiven Belastungen (Sprint) kann man sich aber ziemlich sicher sein. Wenn Du eine gleichmässige Belastung mehr als 90 min aufrecht erhalten kanns, bist Du drunter.

    Zitat von Candy;252324


    3) Kann ich anhand meines Pulsverlaufs feststellen, ob ich eine "Insulinresistenz" nach dem Sport zu erwarten habe?


    Mit einer Leistungsdiagnostik könntest Du Deine IANS feststellen und mit dem Pulsmesser ermitteln, ob Du darüber bist. Allerdings korrelliert die Herzfrequenz nicht exakt mit der Belastung/Laktatproduktion, sie unterliegt noch diversen anderen Einflüssen. Drum macht man heute eine Leistungsdiagnostik nicht mehr nur mit Bestimmung von HF und Laktat, sondern führt eine sogenannte "Spiroergometrie" durch. Dabei misst man die maximale Sauerstoffaufnahme und den respiratorischen Quotienten, was bessere Rückschlüsse auf die Stoffwechselvorgänge zulässt. Die Trainingssteuerung macht man auf dem Rad sinnvollerweise nach Leistung, nicht nach Herzfrequenz.

    Zitat von Candy;252324


    4) Macht es für einen Diabetiker daher mehr Sinn zu einer Leistungsdiagnostik zu gehen um die anaerobe Schwelle feststellen zu lassen oder ist das Blödsinn?


    Was ich oben beschrieben habe ist sehr aufwendig und dementsprechend auch einigermassen teuer. Lohnt sich eigentlich nur, wenn man im Wettkampf um Platzierungen kämpft, oder eben sehr ambitionierte Ziele hat (z.B. Marathon in ganz deutlich unter 3 Stunden, Ironman in 9h oder sowas). Für nen ambitionierten Sportler ist eine LD sicher mal ganz interessant, ich hab auch mal eine gemacht. Man kann ja dann immer noch nach Puls trainieren, auch wenns nicht so genau ist. Die 2.500€ für ein SRM waren es mir dann doch nicht wert.


    Wenn mans richtig machen will, macht man pro Jahr zwei LDs: eine am Saisonanfang und eine, wenn man in der heissen Phase der Wettkampfvorbereitung ist. Für jemand, der nur ein bisschen Sport zum Spass macht IMHO völlig überflüssig.


    Ich habe ein bisschen das Gefühlt, dass Du hier einige Postings gelesen hast, in denen über BZ-Anstieg nach dem Sport diskutiert worden ist und die Spekulationen von Joa bzgl. Laktat/Insulinresistenz für bare Münze genommen hast. Ich halte das für reine Spekulation und auch wenn das manchmal evtl. plausibel erscheint, war es das meistens IMHO nicht. Jedenfalls ist das keine gesicherte Erkenntnis, sondern nur zielgerichtetes Raten. Drum würde ich das als gedankliche Anregung verstehen, aber nicht als unumstössliche Wahrheit.


    Das Problem scheinen allerdings einige zu haben, wäre durchaus mal eine nähere Untersuchung Wert. Ohne Laktatmesser ist das halt Stochern im Nebel und die Dinger sind eher unerschwinglich, höchstens Sportvereine haben sowas manchmal.


    Zitat von Candy;252324


    5) Wie lange muss ich über der anaeroben Schwelle sein, so dass negative Auswirkungen auf den Blutzucker im Anschluss an das Training entstehen?


    Die Frage kann derzeit wohl niemand beantworten.


    Zitat von Candy;252324


    Hintergrund meiner Fragen:
    Ich habe gerade wieder mit dem Sport angefangen und bin leider sehr untrainiert. Aufgrund früherer Erfahrungen mit zahllosen Unterzuckerungen und Nachbrenneffekten über mehrere Tage bin ich sehr vorsichtig geworden. Also reduziere ich die Basalrate ca. 1 Stunde vor dem Sport um ca. 50-60 %. Meistens geht das gut und ich komme mit dem Ausgangswert wieder an. Allerdings ist es manchmal so, dass mein Zucker danach extrem ansteigt und ich es mir nicht recht erklären kann. Normales Spritzverhältnis zu den Mahlzeiten reicht da oft nicht aus.


    Jetzt mach ich keinen Marathon oder sonstiges sondern geh "nur" Joggen und auch echt Mini-Strecken: 5-6 km mit Gehpausen, wenn der Puls über ca. 175 geht (bei eine HFmax von ca. 186).


    Wenn sich dabei Laktat bildet, wie merke ich das? Ich meine, ich weiss wie es sich anfühlt wenn die Beine total übersäuert sind, aber das habe ich ja bei dieser Strecke nicht wirklich. Sie ziehen und ich merke deutlich die Belastung, aber jetzt nicht sonderlich extrem. Ich geh auch brav ein für 5-10 Minuten und lauf/geh ruhig aus.


    Das ist echt schwer zu sagen. Bei 94% Maximalpuls (175/186) bist du sicher über der IANS. Ich habe auch einen Maximalpuls von ca. 185 und hatte mal eine IANS von 170 - das ist aber schon sehr hoch, da war ich ziemlich gut im Training. Bei einem wenig Trainierten kann die locker unter 150 liegen.


    Am besten wäre es, wenn Du Dein Training dokumentierst und mal die Unterschiede anschaust zwischen Trainings, bei denen Du mit guten Werten rauskommst und welchen, bei denen ein starker BZ-Anstieg rauskommt. Wenn die schlechten Werte bei besonders intensivem Training auftreten, alles andere aber gleich ist (Tageszeit, Essen, Basis/Bolus, Ausgangs-BZ) würde das für die "Laktat-Theorie" sprechen.


    Steffen: das mit dem Laktat hast Du genau richtig verstanden, nur Seitenstechen hat damit nix zu tun.

  • *WoW*.... vielen Dank für die super ausführliche und lehrreiche Antwort!


    Ja, und ertappt :o ich habe die Berichte über die Laktat/Insulinresistenz gelesen und fand das recht plausibel. Auch wenn es noch nicht belegt ist durch irgendwelche Studien... Ich kann mich noch erinnern, als ich meinem Arzt vor 15 Jahren geschildert habe, dass ich nach einem sehr anstrengenden Städtetripp tagelang nur unterzuckert bin, am ersten mit ständiger Spuckerei - da hat er mir auch nicht geglaubt, dass es einen Nachbrenneffekt gibt der nicht nur direkt nach der Anstrengung wirkt... Insofern vertrau ich schon sehr meinem eigenen Gefühl und Intuition mittlerweile.


    Es würde halt auch ganz gut zu meinen früheren Erfahrungen passen, die ich mir nie erklären konnte:
    Beim Mountainbiken unterzuckerte ich bei langen Fahrten bergauf konstant und musste ständig BEs zuführen - runter hatte ich dann am Ende Werte von 300-500 obwohl ich dann nur Wasser getrunken habe. Runter hieß dann auch im Stehen und mit dicken Beinen am Ende... Kann natürlich auch andere Ursachen haben, aber wie gesagt, im ersten Moment fand ich es ganz plausibel. Zumal ich beim Rennradfahren keine Probleme mit zu hohem Zucker hinterher hatte, und das würde ich nach der neuen Theorie damit erklären, dass ich zumeist im aeroben Bereich gefahren bin ohne viel Laktatbildung.


    Ich werd mal versuchen, ein gesondertes Sporttagebuch zu führen, in dem ich dann die Werte vergleichen kann. Mal sehen was rauskommt!


    Danke auf jeden Fall nochmal.
    Candy

  • Lieber breschdling,
    [QUOTE=breschdling;252372]Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass Du hier einige Postings gelesen hast, in denen über BZ-Anstieg nach dem Sport diskutiert worden ist und die Spekulationen von Joa bzgl. Laktat/Insulinresistenz[/qoute]
    Nun, es gibt wohl durchaus gesicherte Erkenntnisse, dass z.B. schon kurze Sprints, zu deutlichen, laktatbedingten Folgeresistenzen führen.


    Ansonsten habe ich mich ja von Euch, Andreas und Dir, durchaus überzeugen lassen, dass Laktatresistenzen beim Steppentrail und Ironman, oder bei anderen sportlichen Ausdauerleistungen wohl kaum eine nenneswerte Rolle spielen werden.


    Da sind sicher zu niedrige basale Insulinspiegel, sowie ggf. nachströmende Glucose aus relativ kurz zuvor eingeworfenen Sport-BE's der Knackpunkt.


    Letztlich bleibt sich das aber praktisch Jacke wie Hose, weil es hinterher auf eine angemessene Insulinkorrektur ankommt. Die man/frau jeweils für sich selber austesten muss.


    Gut, einen Laktatüberschuss nach anaerober Hochleistung, wie auch ein BE-Überschuss wären sicher auch ohne Insulin, durch eine aerobe "Auslaufphase" abbaubar. Ein Fettsäurenüberschuss - wegen vorgehendem basalen Insulinmangel - ohne ausreichende Insulinkorrektur allerdings nicht.


    Gruß
    Joa