Skiurlaub und Pumpe

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich habe meine Insulinpumpe (Paradigm 712) jetzt bereits ein gutes Jahr und würde damit demnächst gerne in den Skiurlaub fahren.
    Jetzt mache ich mir darüber Gedanken, wie dabei vorzugehen ist. Um wieviel Prozent sollte man die Basalrate absenken und über welche Dauer?
    Solange wie das Skifahren dauert oder hinterher noch länger abgesenkt lassen? Man ist ja in der Regel nicht ununterbrochen auf den Brettern,
    sondern kehrt auch mal zu Pausieren ein. Die Schulungsunterlagen empfehlen eine Absenkung der Basalrate um 50 %. Ebenso der 'Bolus' falls zwischendurch
    etwas gegessen wird. Wer kann mir seine Erfahrungen mitteilen?
    Und wie ist das eigentlich mit der Pumpenstabilität bei einem eventuellen Sturz? :?:

  • Hm,


    ich würde vorerst gar nicht absenken.
    Das wäre mir zu hoch dadurch eine deftige Resistenz auszulösen.


    Falls die Resistenz nicht ausgelöst wird, bewirkt das Absenken der BR sicherlich, dass die Leber mehr Zucker ausschüttet. (Okay, das ist ja gerade der Grund, warum man die BR senkt.)
    Die Leber wird das Ganze aber irgendwann wieder zurückfordern. Das birgt starke gefahr, in der Nacht zu unterzuckern.


    Ich würde den Bolus reduzieren, und mal häufiger einkehren - oder etwas leckere Winterschokolade dabei haben, und dann, falls mehrere Tage hintereinander geplant sind die BR nur auf die einsetzende UP-Regulation anpassen. Man muss ja nicht die Leber zwingen ungehemmt Zucker auszuschütten, wenn man ihn auch anderweitig ins Blut bekokmmt ;-)


    LG|Adrian

  • Also ich würde auch erst mal nicht (so tolle) absenken - das reicht oftmals auch mit dem Bolus beim Essen. Das kommt auch ganz drauf an, wie fit Du bist, wie sehr Du Dich anstrengst beim Ski fahren und und und. Ich jogge drei mal die Woche und senke beim Abfahrstlauf die Pumpe auf 80%. Damit komme ich gut hin und beim Essen reduziere ich fast gar nicht. Das muss man auch mal ausprobieren. Aber ich schließe mich hier Adrian an - denke genau so.


    Ansonsten denke ich, dass die Pumpe schon mal einen Sturz aushält - ist mir noch nicht passiert. Ich trage sie aber auch am BH - so dass ein direktes Drauffallen fast nicht möglich ist :D .


    Dann wünsche ich Dir Ski heil!!! und viel Spaß.

  • Hm,
    ich würde vorerst gar nicht absenken.
    Das wäre mir zu hoch dadurch eine deftige Resistenz auszulösen.


    Also um mal etwas einzuschränken: Eine Absenkung um 25% oder 50% für 2 oder 3 Stunden wird wohl keine deftige Resistenz in den Muskelzellen nach sich ziehen.


    Umso weniger, als je Insulinsignal der Glukosetransport in die Zellen um bis zum 4fachen unter höherer körperlicher Aktivität gesteigert werden kann.
    (Wie komm ich dauernd auf 4fach? Nach dem Geißlein-Zwerge-Berge-Modell sollte es 7fach sein?)


    Interessant der Hinweis auf die höhere Glukosefreisetzung der Leber bei herabgesetzter BR. Das hätt ich jetzt nicht im Plan berücksichtigt.
    Wenn auch schon, aber nicht in solchem Zusammenhang, den Muskelauffüllefekt. Der mag aber vielleicht auch nicht 1:1 mit einem Leberauffüllefekt korrespondieren?


    Wie auch immer. Rantasten an die Insulinreduktion und am Besten erst mal über Bolusreduktionen, viel Messen und Zusatz-BE' s, tät ich mal so sagen.


    Wer gemütlich Ski läuft, nur liftet und Päuschen einlegt, darf sich vermutlich recht gut am Spaziergängerbedarf orientieren, oder gar noch drunter.


    Wer am Idiotenhügel rackert und permanent den Hang hochsteppt, muss erheblich mehr reduzieren.


    Gruß
    Joa


  • Naja, normalerweise fährt man um 7 bis 8h mit dem Lift hoch....
    ...und dann mit der Abenddämmerung seine letzte Abfahrt. In Tirol geht die sonne momentan ca. 18:45h unter ;-)



    Das sind dann gut und gerne 8 - 9 h nicht 2 oder 3.


    LG|Adrian

  • Also ich würde die Basalrate auf keinen Fall senken wie einige empfohlen haben. 8|


    Das kann zu üblen Resistenzen selbst nach nur 2-3 Stunden Sport führen und im schlimmsten Fall sogar in die Keto. Lieber die ein oder andere Zwischenmahlzeit zuführen.
    Adrian hat das ja auch ganz lecker beschrieben. Die kleinen Mars,Snickers,Twix Tüten eignen sich hervorragend dafür, weiss ich auch eigener Erfahrung.

    Habe bisher nur Erfahrung mit Tanzsport am Abend und in der Tanzschule. Während 2 Stunden Tanzschulenunterricht senke ich die Basalrate auf 70 % ab.
    Wenn ich abends einen Tanzball besuche, bin ich in der Regel 3 - 4 Stunden auf dem Parkett (fast nonstop). Dann senke ich die Basalrate auf 60 oder 65 %. Das Ganze über die Dauer der Bewegung. In beiden Fällen läuft das mit den Werten dann prima! Wenn ich diese Absenkungen nicht vornehme, muß ich ständig 'BE' zuführen. Wie soll das dann beim Skisport ohne Absenkung klappen?


    Aber wie geht man einen ganzen Tag auf der Piste vor? Bin im Moment auch ziemlich untrainiert, weil die Zeit zum Sport fehlt!


    Gruß mauritius

  • Hallo Mauritius,


    ich habe früher immer im Skilift gegessen. Immer sowas, was man nicht gross auspacken musste, sondern raus aus der Plastiktüte rein in den Mund. Gut geeignet waren dabei für mich auch getrocknete Feigen, Datteln oder auch Aprikosen. ? Du brauchst doch sicher zwischendurch auch mal ne Pause, oder? Da hast Du dann wieder Gelegenheit, ein paar BE's einzuwerfen. Natürlich auch die von meinen Vorschreibern empfohlenen Mars, Twix, Müsli-Riegel etc. Und zwischendurch immer schön testen, testen, testen. Jeder Mensch ist ja ein Individual und bei Dir können sich Sportarten wie Tanzen und Skifahren total gegensätzlich auswirken. Nicht jede Sportart hat die gleiche Auswirkung auf den 'BZ' und nicht bei jedem gleich.
    Würde ich dieser Tage wieder skifahren gehen, würde ich auf keinen Fall die Basalrate gross absenken, oder nur minimal, vielleicht so auf 80%. Und den Bolus um 50% reduzieren. Dann müsste es für mich eigentlich schon hinhauen.
    Ich habe früher beim Skifahren den Fehler gemacht und BR und 'Bolus' (noch mit ICT) zuviel abgesenkt. Ergebnis: spätestens am dritten Tag hatte ich nen superhohen Nüchternwert und Ketone mindestens ++. Dabei war es egal, ob ich im Hotel gewohnt habe oder im Ferienhaus. Die mittägliche Einkehr und das abendliche Schlemmen haben bei mir ausgereicht, um den 'BZ' aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    Ich schreibe Dir hier mal ein paar Beisiele andere Pumpis und Ratschläge aus medizinischer Sicht:
    In meinem Buch zum Thema "Diabetes und Sport" wird beschrieben, dass Skifahren anaerobe wie auch aerobe Kräfte dem Skifahrer abverlangt. Dabei kommt es drauf an, wie Du Dich auf der Skipiste bewegst. Machst Du mehr Schwünge, Dein Körper ist ständig im Einsatz, Du bist lang auf der Piste, so setzt Du mehr aerobe Energie frei (mehr BZ-Auswirkung nach unten - BZ!). Bist Du aber ein Skifahrer, der es mehr ruhig angehen lässt, so setzt der Körper weniger Energiereserven frei und hat somit auch weniger Auswirkungen auf den 'BZ'. Beispiele von Pumpenträgern sind aus diesem Buch: Eine Pumpine brauchte gar keine Anpassung zu machen, ein anderer hat um 10% seinen Tagesbedarf reduziert und die KH-Zufuhr heraufgesetzt. Eine weitere Pumpenträgerin hat ihre BR um 50-60% abgesenkt und zusätzlich die KH-Zufuhr heraufgesetzt. Ein Snowboarder hat die BR um 25% abgesenkt und zusätzlich die KH-Zufuhr erhöht. Fazit aus den Beispielen: gar nicht bis max 50% absenken (BR und/oder Bolus) und immer wieder KH's einwerfen, abhängig davon, wie aktiv Du auf der Piste bist und wie lange Du aktiv bist am Tag.
    Aus medizinischer Sicht (Theorie!) wird für's Skifahren empfohlen: Bolus absenken um 10 - 30% und die Basalrate zwischen 25 - 50%. Aber auch mehr KH's zuführen, ca. 1 'BE' pro Stunde.
    Zum Vergleich: Tanzen als Sport oder in der Disco: Auch hier werden aerobe und anaerobe Kräfte freigesetzt. Je intensiver Du tanzt und je länger, je deutlicher sind die BZ-Auswirkungen. Ein Pumpenträger als Beispiel angeführt in dem Diabetes- und Sportbuch erhöht die KH-Zufuhr, reduziert den Bolus abhängig von der Intensität und Dauer seines Tanzens.
    Von medizinischer Seite wird empfohlen, je nach Dauer und Intensität die Basalrate zwischen 0 - 40% abzusenken und mehr KH's einzuwerfen.


    Quelle: "The diabetic athlete" Autorin Sheri Colberg Verlag Human Kinetics 2001 ISBN 0-7360-3271-1, Seiten 218-222 und 236-237 sinngemäss wiedergegeben


    Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig helfen. Ski heil und viel Spass!!!


    Liebe Grüsse,
    Surferin

  • Hallo Britta,
    Hallo Mauritius,


    also Britta, das hast Du sehr Klasse ausgeführt! :D


    Natürlich ist die Basalrate kein Rühr-mich-nicht-an Seelchen.


    Dass "der Meister" grundsätzlich zur Anpassung an "Bagatellbelastung", was alle Actions beinhaltet, die im aeroben Energiebereich liegen, die Steuerung über den Bolus präferiert, begründet er schon mit der Fehlerträchtigkeit von BR-Anpassungen im Sinne der Gefahr von Resistenzentwicklungen aus Lipolyse-Abläufen.


    Wenn die Bagatelle aber nun tagesumfassend ausfällt, und nächtlich durch einen gewissen Muskelauffüllefekt assistiert wird, kann ich nicht glauben, dass er, "der Meister", dann das Konzept der Bolussteuerung alleine für unantastbar erklärt.


    Ich wollte auch noch mal auf die Antwort von Andreas in anderem Forum hinweisen, wo es um die gleiche Frage ging:
    http://www.forum.diabetesinfo.…dex.php/topic,4999.0.html


    Vielleicht noch eine Idee hintan gesetzt.
    Den Trainingskonzepten im Sportbereich wäre zur Beschleunigung des Muskelauffüllefektes möglicherweise abzugucken, direkt nach Ende der Verbrauchsphase, also des Skilaufens, eine proper KH-haltige Mahlzeit zu sich zu nehmen. In direktem Anschluss an die Entleerungsphase ist den Konzepten folgend die Bereitschaft der Glykogenspeicher zum spontanen Reload hoch. Diese Schnellladebereitschaft verliert sich wohl und geht in den langsamen Muskelauffüllefekt über.
    Die Schnelladung sollte natürlich entsprechend mit 'Insulin' "gedoped" werden und auch nicht zum "Overload" ausarten. Größenordnungen hätte ich jetzt aber keine parat. Aus dem Gefühl täte ich mal an 5 bis 8 BE denken.


    Na dann,
    Ski Heil! :thumbsup:


    Gruß
    Joa

  • Hallo Surferin,


    das Buch "Diabetes und Sport" wollte ich mir auch mal besorgen. Vielen herzlichen Dank für Deine Super-Info! Ich habe unter 'ICT' exakt die gleichen Fehler und Erfahrungen wie Du gemacht. Auch einfach zuviel abgesenkt und anschließend war 'BZ' ständig zu hoch (auch morgens). Auf die Idee die BR beim ersten Pumpen-Skiurlaub auf 80 % und den Bolus auf 50 % zu senken bin ich auch schon gekommen. Ich werde das dann einfach mal so probieren und immer messen, messen, messen. Dann wird schon nichts passieren.
    Nochmal vielen Dank auch an alle Anderen.


    Liebe Grüsse


    Mauritius :rolleyes:

  • Hallo Mauritius,


    freut mich, dass ich Dir helfen konnte. Wenn du magst, berichte doch nach Deinem Urlaub mal, wie es gelaufen ist. Du kannst mich auch gerne per PN, ICQ oder MSN Messenger kontakten, wenn Du magst. Das Buch von Ulrike Thurm "Diabetes- und Sportfibel" kann ich von meinem heutigen Wissenstand nicht empfehlen. Es steht bei jedem Sport der gleiche Ratschlag - senke das Insulin ab. Und das passt einfach nicht. Nicht jeder Sport wirkt sich BZ-senkend aus. Es gibt Sportarten, die sehr kraftraubend sind wie zB Kraftsport oder Radfahren einen Beg hoch, die durchaus 'Insulin' benötigen zusätzlich (deshalb beim Radsport Insulindoping). Da müssen manche von uns Diabetikern bei diesen Sportarten zusätzlich Insulin zuführen anstatt wie bei schweisstreibendem Sport a la walken, joggen, aber auch schwimmen oder radfahren in der Ebene 'Basal' und/oder Bolus zu kürzen.
    Wenn Du genug Englisch verstehst und es das Buch, was ich als Quelle angegeben habe, noch gibt (zB bei Amazon.de), kann ich Dir nur das empfehlen. Ein gutes Buch zum Thema Diabetes und Sport in Deusch habe ich bis jetzt leider nicht entdeckt.


    Viele Grüsse,
    Surferin

  • Was für den einen insulindopend ist, kann für den andern hypoverdächtig sein!!!


    Du meinst den Unterschied zwischen anaerob und aerob?


    Zu meinen Ski-Zeiten bin ich eigentlich nie anaerob gelandet.


    Gruß
    Joa