Über- und Unterzucker, Sport und Zyklus (Frauenthema)

  • Hallo, ich bin seit 1,5 Jahren Typ 1 Diabetikerin und komme grade von meinem Arzt, der mir erzählt hat, mein HB1cirgendwas sei 7 und das sei zuviel. Ich bin langsam richtig genervt und am Ende. Ich probiere dauernd rum, lese hier im Forum und in der einschlägigen Literatur, aber ich schaffe es nicht, meinen Zucker mal gut einzustellen. Ich spritze Levemir als Basis und Apidra als Bolus. Leider schwankt bei mir alles ständig:


    1. Zyklus: Ist das bei allen Frauen so? Ich bin grundsätzlich sehr zyklusabhängig, auch was Stimmungen angeht. Und meine Zuckerwerte sind auch extrem davon abhängig, wo im Zyklus ich gerade bin. Während meiner Tage habe ich meist einen niedrigen Zucker und bin unterzuckergefährdet, ich brauche dann weniger Basis und weniger Bolus. Wieviel genau, darauf kann ich mich aber nicht einstellen, jedes Mal ein bißchen anders. Bis zur Zyklusmitte steigt der Insulinbedarf dann langsam, und irgendwann ungefähr 8 Tage vor Menstruation brauch ich viel mehr Insulin und schaffe es nicht mehr, normale Werte zu halten. Gerade abends, wenn die Tagesdosis Levemir nachläßt, hab ich nach dem Abendessen, wenn der Essensbolus nachläßt, also wenn ich schlafen gehe, oft sehr hohe Werte, die sich auch kaum runterspritzen lassen. Wenn meine Tage dann kommen, läßt alles aprubt wieder nach und ich bin wieder dauernd im Unterzucker.


    2. Dieses Problem wird erschwert durch die extremen bewegungsbedingten Schwankungen. Ich fahre täglich Rad, darauf läßt sich das Insulin gut einstellen. Nur an Tagen, an denen ich nicht fahre, merke ich sofort, dass ich mehr Basis hätte gebraucht. Ich weiß das aber nicht immer vorher. Außerdem gehe ich 2 Mal die Woche klettern und manchmal noch zum Fitness. Fitness braucht ein bißche weniger Abendbasis (statt 18 IE ca. 15 IE), klettern braucht viel weniger (12 statt 18). Genau läßt sich das aber nie sagen, weil es wieder so sehr vom Zyklus abhängt. Ich dachte z.B., wenn ich klettern gehe, ist vorher abends 12 Levemir spritzen perfekt, aber heute hatte ich nachts dann trotzdem um 5 Uhr eine Unterzucker von 40.


    Grob gesagt, habe ich mindestens einmal am Tag einen extrem niedrigen oder einen extrem hohen Wert. Das versaut natürlich die Statistik. Es ist einfach nicht vorhersehbar, egal wieviel Mühe ich mir gebe. Mein Arzt sagt, ich müsse meine Aufzeichnungen besser auswerten, aber ich kenne alle FAktoren, das Problem ist, dass meine Zuckerwerte einfach nicht berechenbar sind. Ich habe das Gefühl, bei mir ist jeden Tag alles anders.


    Gleichzeitig bin ich in Zeiten, wo ich mich gar nicht bewege, z.B. Weihnachten oder Krankheit, fast sowas wie Insulinresistent, also da ist es fast egal wieviel ich spritze, der Zucker geht kaum mehr runter. Ist das normal? Was ist denn wenn ich alt und dick bin und nicht mehr so beweglich bin? Ich hab richtig Angst davor inzwischen.


    Irgendwie war die erste ZEit nach der Diagnose so easy, meine WErte immer gut, was wahrscheinlich noch am honeymoon lag. Aber seit einem halben Jahr oder so ist es nur noch frustrierend. Habe ich HOffnung, dass das mit dem Wechseljahren besser wird?


    Hat jemand gute Ratschläge, Tipps oder Trost?


    :7no:
    Sally

  • Hallo Sally,


    also ganz so schlecht scheinst du deinen Diabetes ja nicht zu kennen, sonst hättest du die Zusamenhänge und Ursachen nicht so strukturiert darstellen können.


    zu 1. Mit den Schwankungen bist du nicht alleine, das geht vielen Diabetikerinnen so, schau mal hier. Passt du dein Basisinsulin an den Zyklusverlauf an, d. h. während der Mens weniger und zur Mitte hin immer etwas mehr, evtl.musst du auch den Bolus etwas anpassen. Kleinere Lücken in der Basalversorgung könnte man mit einem Normalinsulin überbrücken.


    zu 2. Wenn du so sensibel auf deine Hormonlage reagierst, solltest du deine Sportanpassung nicht nur an die Sportart sondern evtl. auch an deinen Zyklus anpassen. Ich weiß, ist nicht einfach und vor allem nicht mal eben sofort ausgetüfelt. Vielleicht hilft es dir ja bei deiner Protokollierung, wenn du für einige Zyklen festhälst, welcher Zyklustag gerade ist. Das hilft auch beim Vergleichen über mehrere Zyklen hinweg. Hier findest du evtl. auch noch Hinweise.


    Zitat

    Gleichzeitig bin ich in Zeiten, wo ich mich gar nicht bewege, z.B. Weihnachten oder Krankheit, fast sowas wie Insulinresistent, also da ist es fast egal wieviel ich spritze, der Zucker geht kaum mehr runter. Ist das normal?


    Naja, bei einigen ist das so. Ich habe auch festgestellt, dass ich an Feiertagen, Besuchstagen, Krankheit etc. also an Tagen, an denen ich ruhig sitze und nicht viel Bewegung habe, mehr Insulin benötige. Ich erhöhe an solchen Tagen den Bolus direkt um 25% um hohe Werte zu vermeiden.


    Zitat

    Irgendwie war die erste ZEit nach der Diagnose so easy, meine WErte immer gut, was wahrscheinlich noch am honeymoon lag. Aber seit einem halben Jahr oder so ist es nur noch frustrierend. Habe ich HOffnung, dass das mit dem Wechseljahren besser wird?


    Also so kompliziert ist das ohne Honeymoon auch nicht, es wird jetzt nur nach neuen Regeln gespielt, und das muss sich erst einmal alles finden. Das geht nicht von heute auf morgen. Kopf hoch, das wird schon. Nur raus mit den Fragen, hier gibt es bestimmt Antworten.


    LG
    Ariola

  • Hallo,


    alles was Du schreibst kommt sicher nicht nur mir sehr bekannt vor.
    Und neben den hormon- und bewegungsbedingten Schwankungen kommen dann auch noch stressbedingte und bei mir auch jahreszeitenbedingte Schwankungen dazu.
    Ich habe jetzt inzwischen fast 40 Jahre an meiner DM-Einstellung herumgetüftelt.
    Es ist nie langweilig geworden:o und Hochs und Tiefs gab es mal mehr und mal weniger.


    Das A und O ist aber sicher auch ein guter Dia-Doc, der nicht nur den Ideal-Werten hinterherhechelt, sondern gemeinsam mit Dir den Problemen auf den Grund geht und Dich mit allen Schulungen und Therapieoptionen versorgt, die für Dich persönlich angemessen sind.
    Ein HbA1c von 7 ist mit Sicherheit kein schlechter Wert für jemanden,d er mit starken Schwankungen zu kämpfen hat, wie du.


    LG "me"

  • Wie Ariola schon schrieb, schau mal monatsweise auf Deine Werte, markiere Deinen Zyklus, dann kann man das eigentlich in etwa voraussehen.
    Zu den Wechseljahren kann ich noch nichts sagen, aber ich befürchte, es wird schlechter während der Zeit.

    LG
    Schaf

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  • Hallo Sally,
    ich habe von 2006 bis 2011 auch Levemir gehabt und das mit dem Sport und dem Zyklus nie 100% gebacken bekommen, oft ist der BZ entweder gestiegen nach dem Sport (2h Yoga) oder gesunken. Am einfachsten war es noch in der 2. Zyklushälfte, da gab es dann wenigstens keinen Unterzucker. Die Zyklusanpassung war auch nicht leicht, ich mußte das Levemir am Zyklusende rechtzeitig senken, um Hypos zu vermeiden. Der Bedarf in der 2. Zyklushäfte war ca. 30% höher, aber nie gleich. HBa1c >7. Habe zum Schluß 3x Levemir gespritzt.
    Vorauf ich hinauswill: seit ich die Pumpe habe und 7 BR läßt sich der Zyklusbasalbedarf viel besser steuern und es reicht wenn ich am 1 Zyklustag die BR senke. Und der BZ steigt nach dem Sport nicht mehr an. Ich kann ganz gezielt eine Menge KH dazu essen und bekomme auch keine nächtlichen Hypos.
    (nächtliche Hypos nach Reduzierung des Basals und Sport sind ein verstärkter Muskelauffülleffekt).


    Will Dich jetzt nicht zur Pumpe "überreden", aber vielleicht mal drübernachdenken, je nachdem wie stark auch für Dich die Belastung und Demotivierung durch schwankende BZ ist. (der eine ärgert sich über 200er der andere erst über 350er)


    LG Wildrose

    Leg Dich nicht mit Zucker an, er ist raffiniert! :bigg

  • ich dachte, genau wie Wildrose, an eine Pumpe...wäre das eine Option für Dich?

  • Hallo Ihr alle,


    vielen Dank für die freundlichen und hilfreichen Antworten. Dass ich mir einen anderen Dia-Doc suchen muss, glaub ich inzwischen auch. Meiner tut immer, als wär ich ein bißchen blöd. Er meinte, ich solle aufhören, meine Werte in mein Handyapp einzutragen, weil ich so ja gar keine Übersicht über meine Werte hätte und ich solle lieber ein Büchlein führen, dann bekäme ich das auch mit meinem Zyklus geregelt. Super Vorschlag. Ich dokumentiere alles peinlichst genau und weiß nicht, was an einem Büchlein anders sein soll als in der App.


    Mir ist klar, dass ich mit diesen Schwankungen keinen HB1ca (wie heißt das Ding?) von 5,9 haben kann, aber 7 finde ich schon arg viel. Vor einem halben Jahr hatte ich noch 6,5 und noch ein halbes Jahr vorher sogar 6,1, aber da war wohl noch honeymoon, weil gelebt habe ich eigentlich genau wie jetzt auch.


    Wegen Pumpe: Das hab ich meinen Doc auch gefragt, aber der meinte, das wäre bei mir eher kontraproduktiv, weil die Pumpe sich ja nicht selbständig auf meinen wechselnden Insulinbedarf einstellen könne.
    Im Moment schreckt mich der Gedanke an eine Pumpe aber auch noch, dazu bin ich noch zu "frisch". Grundsätzlich komme ich mit meinem neuen Diabetikerleben, dem Messen, Spritzen usw. gut zurecht, ich vermisse nur etwas die Belohnung, bzw. den Erfolg dafür, dass ich so eine complient Patientin bin ;). Ich finde, ich hätte gute Werte verdient, jawohl.


    Naja, ich werde eben noch mehr versuchen, mich auf meinen Zyklus einzustellen. Gibts eine Diabetes-App, die das mit berücksichtigt?


    Danke und Grüße,
    Sally

  • Zitat von Sallypringsheim;291438

    Wegen Pumpe: Das hab ich meinen Doc auch gefragt, aber der meinte, das wäre bei mir eher kontraproduktiv, weil die Pumpe sich ja nicht selbständig auf meinen wechselnden Insulinbedarf einstellen könne.


    Das ist ja eine komische Logik. Die Pumpe kann das nicht. Aber Du vielleicht ?


    Zitat

    Im Moment schreckt mich der Gedanke an eine Pumpe aber auch noch, dazu bin ich noch zu "frisch".


    Naja ich sag ja, der Leidensdruck muß groß genug sein. Und ob frisch oder nicht, ist sicher nicht das Kriterium. So leicht bekommt man die Pumpe auch nicht von der KK.
    (ich kann nur von mir sagen, dank Pumpe bin ich wieder ich selber und weniger "krank", einfach nur weil die Schwankungen weniger sind und die Hypos....)


    LG Wildrose

    Leg Dich nicht mit Zucker an, er ist raffiniert! :bigg

  • Zitat

    Hat jemand gute Ratschläge, Tipps oder Trost?


    bei mir gibt auch schon so eine gewisse Insulinresistenz, wenn ich mich nicht bewege :), daher mache ich mal 2 Vorschläge:
    1)
    vielleicht noch mehr BZ-Messungen, damit weniger Bz-Spitzen auftreten. Eine kurze BZ-Spitze macht dir den Hba1c noch nicht kaputt, aber wenn es halt länger als ca. 2h-3h dauert, dann halt schon. Das heißt nach dem Essen früher messen. Den besten Zeitpunkt muss du für dich selber (bzw. mit deinem Arzt natürlich) finden, ist der Regel sagt man ja 2h nach dem Essen. Bei mir persönlich (mit Pumpe) habe ich die Erfahrung gemacht, dass das meist zu spät ist.
    Da du Levemir als Basal spritzt, muss du natürlich vorsichtiger mit Korrektur-Bolus sein.


    Zitat

    Gerade abends, wenn die Tagesdosis Levemir nachläßt, hab ich nach dem Abendessen, wenn der Essensbolus nachläßt, also wenn ich schlafen gehe, oft sehr hohe Werte, die sich auch kaum runterspritzen lassen.

    also abends z.b. häufiger messen, und dann früher korrigieren.


    2)
    Ernährungsumstellung, z.b. low-carb (z.b. abends).
    oder weniger Zwischenmahlzeiten, eher mal ein Saft wenn der Bz mal zu niedrig ist,




    Zitat

    Gleichzeitig bin ich in Zeiten, wo ich mich gar nicht bewege, z.B. Weihnachten oder Krankheit, fast sowas wie Insulinresistent, also da ist es fast egal wieviel ich spritze, der Zucker geht kaum mehr runter. Ist das normal? Was ist denn wenn ich alt und dick bin und nicht mehr so beweglich bin? Ich hab richtig Angst davor inzwischen.


    manche Diab sind sehr insulinempfindlich, und bei manchen (m.M. eher wenigen) kommt sofort einen Insulinresistenz sobald sie viel essen und keinen Sport machen.
    da kann ich keinen Tipp geben:mad: vielleicht yoga-Lehrerin werden:)
    Mallorca all-inclusive mit viel am Strand liegen, das macht bei einer Insulinresistenz nicht ganz so viel Spass.
    aber es gibt ja genügend alternativ Urlaubsangebote mit sportlicher Aktivität.

  • Hallo Sally,


    die Situationen wie Du sie beschreibst, kennen wir hier alle. Der Honeymoon war bei mir (ist mittlerweile 20 Jahre her) eine sehr einfache Zeit. Es lief quasi von alleine. Nach ca. 1 Jahr fing es an, sich zu verändern. Und nach all den Jahren sage ich: Kein Tag war wie der andere und wenn man meint, alles durchschaut und die Logik hinter der Sache gefunden zu haben, reagiert der DM auf Schema F plötzlicher wieder mit anderen Werten.


    In all den Jahren hatte ich einen DiaDoc an meiner Seite, der mir nie solche dummen Sachen gesagt hat, wie Du von Deinem zu hören bekommen hast. Er hat selbst keinen Diabetes und bemüht sich, einfach zuzuhören, meine Beobachtungen zu verstehen und eine Lösung mit mir zu finden. Viele Dinge, mit denen wir uns tag-täglich auseinandersetzen, stehen so nicht im Lehrbuch. Manche Ärzte haben das kapiert, andere nicht. Fang damit an, Dir einen neuen Arzt zu suchen. Möglicherweise ist jemand hier im Forum aus Deiner Nähe und kann jemanden empfehlen?


    LG
    Annili