Gegenregulation...wer weiß was....

  • Hallo zusammen,


    ich habe einige Fragen zu dem für mich etwas schwammigen Begriff der Gegenregulation:


    Wie lange muß der Blutzucker niedrig sein, damit im Körper eine Gegnregulation ausgelöst wird?


    Wie tief muss der BZ sinken?


    Wie lange hält eine Gegenregulation ungefähr an?


    Gibt es immer eine Gegenregulation?



    Ich frage, weil ich leider hin und wieder zu schnell nach Hypos messbare hohe Werte korrigiere und dann in den nächsten UZ rutsche....weils eben doch "nur" eine Gegenregulation und nicht wie fälschlicherweise angenommen die überdosierten HypoBEs waren....



    Spitzenhäubchen

  • Hallo Spitzenhäubchen,

    gute Fragen !!! Interessiert mich auch ! Danke:6yes:

  • okay, dem Link nach bleibt der Begriff "Gegenregulation", um den es mir ging eher schwammig....ich meinte ja nicht die Hypowahrnehmung oder die Hypoglykämie an sich..trotzdem danke!


    LG Spitzenhäubchen

  • Zitat von spitzenhäubchen;272562

    ... bleibt der Begriff "Gegenregulation", um den es mir ging eher schwammig....ich meinte ja nicht die Hypowahrnehmung oder die Hypoglykämie an sich..


    Hier mal ein Link zur Gegenregulation:


    insulinoma.net/mainpage/subpage/physiol_counter.htm#counter


    Gruß
    Joa

  • Sorry, aber ich mußte das Thema noch mal ausgraben!!


    Es scheint also eine, wie soll man sagen, "fließende" Reaktion des Organismus zu sein....und sicher auch nicht ganz unabhängig vom "Zuckerspeicher" der Leber.
    Sprich: ist jemand sehr streng eingestellt und sind Hypos keine Seltenheit oder treten gar viele "kleinere" Hypos hintereinander auf sind irgentwann auch die Zuckerreserven der Leber erschöpft und eine einfache Hypo kann in einem richtigen "Loch" enden und auch länger dauern.


    Die mir bekannten Werte bis 250 und höher nach einer Hypo sind also zunächsteinmal über einen Zeitraum von sagen wir mal 3-5 Sunden zu beobachten und nicht zu korrigieren. Bin ich nach Ablauf dieser Zeit immer noch so hoch, darf ich Insulin zur Korrektur spritzen. Liegen Mahlzeiten in dieser Zeit, werden sie ganz normal mit Insulin abgedeckt. Manchmal zeigt die Erfahrung, daß tatsächlich die Werte nach ca 3-5 h wieder auf normalem Level liegen - ohne jegliche Korrektur, weil sich die Leber wieder einen Teil des Zuckers "herausnimmt" für ihren Speicher. Manchmal aber auch nicht!!! Das ist ein sehr undurchsichtiges Gebiet.


    So, lange Rede, wie kennt ihr das??? Und wie handelt ihr?

  • Zitat von spitzenhäubchen;272649


    Es scheint also eine, wie soll man sagen, "fließende" Reaktion des Organismus zu sein....und sicher auch nicht ganz unabhängig vom "Zuckerspeicher" der Leber.


    Ich denke fließend vor allem in dem Sinn, dass sich die Quantitäten der kontrainsulinären Hormonausschüttungen mit dem Unterzuckerdruck wohl steigern dürften. Genauso wie sich die konrtrainsulinäre Wirkung mit der Dauer einer hypoglykämischen Episode addieren dürfte.

    Zitat

    Sprich: ist jemand sehr streng eingestellt und sind Hypos keine Seltenheit oder treten gar viele "kleinere" Hypos hintereinander auf sind irgentwann auch die Zuckerreserven der Leber erschöpft und eine einfache Hypo kann in einem richtigen "Loch" enden und auch länger dauern.


    Möglicherweise ist "streng eingestellt" da die falsche Bezeichnung. Ich täte eher von "überinsuliniert" sprechen. Das kommt immer wieder, und leider auch verdammt häufig vor, wenn die beteiligten Ärzte keinen Plan im Köfferchen haben.


    Und mit so einer Überinsulinierung ist der Dibatiker genauso angearscht, wie die Diabetikerin. Letztere trifft das sogar im Zusammenhang mit den Zyklusschwankungen meist auch noch Regel-mäßiger.


    Das Problem ist dann wohl insbesondere am Regulationsverhalten der Insulinrezeptoren zu suchen.


    Die werden durch die Überinsulinierung in eine künstliche Down-Regulation genötigt. Und dann nutzen sie jede kleine Chance, um mit Macht wieder nach oben zu regulieren, also die Anzahl der aktiven Rezeptoren zu erhöhen, hin zu ihrer genetisch vorgegebenen Optimalausstattung.


    Und wenn dann nach zwei bis drei Tagen steigender Insulinwirkung die Up-Regulation so richtig in Fahrt kommt, dann geht bei vielen Betroffenen schnell mal das Licht aus.


    Ob das die Leber ist, die leer ist, wage ich zu bezweifeln. Weil auf hohe Insulinwirkung hin schmeißt die Leber gar nicht so viel Glucose raus. An den Leberzellen steuert Insulin nämlich nicht die Glucoseaufnahme, sondern die Ausschüttung der Glucose. Viel Insulinwirkung = wenig Glucose von der Leber. :eek:


    Aber das war jetzt nur mal ein Ausflug in den Bereich der systematisch überinsulinierten Therapiefühurung.


    Gruß
    Joa

  • Zitat von Joa;272768

    Ob das die Leber ist, die leer ist, wage ich zu bezweifeln. Weil auf hohe Insulinwirkung hin schmeißt die Leber gar nicht so viel Glucose raus. An den Leberzellen steuert Insulin nämlich nicht die Glucoseaufnahme, sondern die Ausschüttung der Glucose. Viel Insulinwirkung = wenig Glucose von der Leber. :eek:


    Hallo Joa,


    vielen Dank für den Exkurs...muß ich mal drüber nachdenken. Aber diese letzten zwei Sätze sind widersprüchlich!


    LG Spitzenhäubchen


  • Meiner Erfahrung nach ist eine fehlende Gegenregulation ein Teil der Problematik bei langer Diabetesdauer von Typ1.
    Vielleicht hatte ich sowas wie eine Gegenregulation kurzzeitig nach der Manifestation. Oder es lag an anderen Sachen wie ungebremstes Nachlegen von Kohlehydraten, weil man sich so mies fühlte. Wobei das natürlich ein Teil der Gegenregulation war, wenn Adrenalin Warnsignale verursacht.


    Eine andere Möglichkeit bei häufigen Hypos und anschließenden unerklärlich hohen Werten ist, dass man auf Insulin resistent wird. Warum muss Joa erklären, ich merk mir immer nur das Ergebnis.


    Wie oft hast du denn eine Hypo?

    Easy come, easy go.

  • Hallo Häubchen, ;)

    Zitat von spitzenhäubchen;272775


    ... Aber diese letzten zwei Sätze sind widersprüchlich!


    Was findest Du widersprüchlich dabei?
    Ok, ist sehr kurz und oberflächlich. Allerdings nehmen Leberzellen ziehen Glucose ohne Mithilfe von Insulinwirkung auf. Dagegen hemmt die Insulinwirkung in der Leber die Glucosefreisetzung.


    Gruß
    Joa

  • Zitat von sera;272782


    Eine andere Möglichkeit bei häufigen Hypos und anschließenden unerklärlich hohen Werten ist, dass man auf Insulin resistent wird.


    Du meinst, dass die kontrainsulinären Hormonausschüttungen auf Level 6 der Gegenregulation nachgehend zu einer Insulinresistenz führen (können)? *grübel*
    Und je häufiger man Hyos hat, umso eher desensibiliert man die adrenergene GR, so dass dann eine Hypo sich erst bei Erreichen von Level 6 bemerkbar machen tut?


    Was dann, je nach individueller Stärke der Hormonaction, heißen kann, dass nach Hypos meist eine gewisse Resistenz, mehr oder weniger ausgeprägt, bemerkbar macht?


    Gruß
    Joa

  • Alles sehr hübsch und ausführlich erklärt.
    Joa nimm dir ein Beispiel dran *g*

    Easy come, easy go.

  • hallo Joa,


    ich wollte dich nicht ärgern!!:)


    Der biochemische Hintergrund ist im Detail absolut interessant, gerade diese up und down-Regulation der Rezeptoren...so sehr hatte ich die Thematik noch nie unter die Lupe genommen. Damit wären wir schon in der Biochemie der Zelle und beim Endoplasmatischen Retikulum und möglicherweise einer ganz neuen Erklärung auf der Spur. Wie gesagt, ich werde mal drüber "studieren".



    Hallo Sera,


    ja, ich habe des öfteren niedrige BZ, nicht unbedingt Hypos, grenzwertig und der Weg in die Hypo von 70 zu 40 ist eben nicht weit. Mich würde auch interessieren, ob bei längerer Diabetesdauer nicht nur die Hypowahrnehmung, sondern auch die Gegenregulation abnimmt oder ob das getrennt voneinander zu betrachten ist.


    Spitzenhäubchen

  • So ein paar Erfahrungen aus der Praxis:


    Die letzten Jahre hatte ich eine zu hohe Basalrate und somit immerwieder unbemerkte Hypos. Scheinbar war dadurch mein Körper so sehr daran gewöhnt, daß er auch oft und schnell gegenreagiert hat. Die Gegenreaktion hat 5-6 Stunden gedauert. Wie gesagt, die Basalrate war eher zu hoch, also keine Insulinunterversorgung in der Zeit, die die BZ-Werte parallel hochtreibt.


    Nach nun ca. 4 Monaten mit deutlich reduzierter Basalrate merke ich UZ deutlich früher und nur noch halb so viele Unbemerkte. Heißt ich merke die UZ sehe aber dann aber beim messen am niedrigen Wert, daß die Hypo wohl schon länger da war.


    Gegenreaktionen sind somit auch fast vorbei. Wenn dann muss ich die nach wie vor über mehrere Stunden korrigieren. Lieber zunächst etwas weniger korrigieren als in den nächsten UZ zu rauschen.


    Die letzten Jahre hatte ich auch unter sonstigen Stress oft BZ-Anstiege. Da reichte schon ein unangenehmes oder überraschendes Telefonat aus. Auch die Vorfreude auf ein schönes Wochenende in den Bergen brachte schnell Werte über 200. Das hat nun auch etwas abgenommen, kommt aber immer noch vor. Erst Samstag vor ner Woche auf der Fahrt ins Skigebiet. Da musste ich 5 I.E. extra korrigieren. Zur Relation: KE-Faktor ist bei mir 1.


    Beim Sport kommt es bei mir nicht zur messbaren Gegenregulation, da jede BZ-Spitze von den Muskeln zur Auffüllung verwendet wird. Das dauert meist bis zum Morgen danach.


    Again just my two cents.

    let the sun shine

  • noch ein nachtrag. kennt ihr das wenn schon vor dem Sport schwitzt. Der Körper praktisch schon im "trockenen" warmläuft. mit dem Zucker kann es ähnlich sein.

    let the sun shine

  • Zitat von spitzenhäubchen;272797


    Hey, das ist ja richtig Spitze. Die gute alte dsmd-FAQ nun im Wiki-Outfit weiterentwickelt.
    Hatte ich in der aktuellen Form noch nicht mitbekommen. :6yes:


    @ Häubchen: Die Frage, welche Steuerungsanteile Insulin an den Leberzellen hat ist keinesweg ein Ausflug in die Details der Biochemie sondern auf ganz modellhaft funktionaler Ebene eine Grundpfeiler zum Verständnis, wo lang in etwa der Hase hoppelt. Sowohl hinsichtlich Hypos als auch Hypers. Ich fand das jedenfalls ungemein erhellend.


    sera: Der Sachverhalt, dass durch häufige Hypos eine Insulinresistenz entstünde, was generell klang, war mir absolut neu. Daher meine Nachfrage, ob Du irgendwie Zusammenhänge wie dargestellt gemeint haben könntest. Generell halte ich die Behauptung erst mal für unzutreffend.


    Gruß
    Joa

  • Zitat


    Na das sind doch mal endlich WIRKLICH wichtige Fakten, die man (oder eher Frau ?) doch mal als gute Ausrede nehmen kann:


    Zitat

    Diabetes-kids.de
    Ergebnisse:
    Obst ist ungeeignet zur sicheren Vermeidung nächtlicher Hypoglykämien. Obstsaft kann annähernd mit den eiweiß- und fettangereicherten Lebensmitteln belegtes Brot, Sahnejoghurt und Schokolade verglichen werden. Unter Schokolade zeigte sich das günstigste nächtliche Blutzuckerprofil.


    Zitat

    Diabetes-kids.de
    ... wieder andere scheinen Hypos geradezu zu genießen ("Hypo-surfing").


    "JA, das ist eine GEWOLLTE Hypo, bleib' mir bloß mit deinem Traubenzucker fern :D"


    Liebe Grüße und viel Spaß mit den rosa Elefanten...;)
    Feiervogel

    Liebe Grüße
    vom Vogel

  • Zitat von hammerschmied;272813

    So ein paar Erfahrungen aus der Praxis:


    Die letzten Jahre hatte ich eine zu hohe Basalrate und somit immerwieder unbemerkte Hypos.


    Was dann das Beispiel einer Überinsulinierung wäre.

    Zitat

    Scheinbar war dadurch mein Körper so sehr daran gewöhnt, daß er auch oft und schnell gegenreagiert hat. Die Gegenreaktion hat 5-6 Stunden gedauert.


    Erst mal hat er sich daran gewöhnt und aufgegeben auf Level 5 der Gegenregulation mit Adrenalin zu antworten. Desensibilisierung der adrenergenen Gegenregulation.


    Bleibt dann nur noch Level 6 mit den schwer kontrainsulinären Hormongeschützen.
    Adrenalin ist da völlig harmlos hinsichtlich des Resistenzeffektes. Cortisol, Wachstumshormone und Kollegen machen die typische hormonelle Insulinresistenz aus. Die Dauer dieser hormonell bedingten Resistenzen richtet sich nach den Regenerationszeiten falsch aktivierter/deaktivierter Hormonrezeptoren, dass muss nicht der Insulinrezeptor selber sein, und diese Regenerationszeit liegt (wohl zumeist?) im Zeitraum von so 5-6 Stunden.

    Zitat

    Nach nun ca. 4 Monaten mit deutlich reduzierter Basalrate merke ich UZ deutlich früher...

    Dann hast Du wohl nicht nur das Insulin reduziert, sondern auch eine Weile lang ein Stück höhere (normalere) Werte gehabt. Dann wacht die adrenergene Gegenregulation so langsam wieder auf.


    Gruß
    Joa

  • schon wieder soviel theorie. kann man so auch sagen wie der sommer wird.


    Insbesondere das Thema Adrenalin ist sehr individuell. bei eher aufbrausenden, aktiven, begeisternden, lustigen oder wie auch immer zu bezeichnenden menschen ist davon halt schneller mal was davon im spiel und auch öfter. vielleicht auch nacheinander. nachdem es noch keine studien mit dotierter Glucose gibt, mag es viele erklärungsmodelle geben was leber, gehirn, darm und muskeln inclusive herz evtl. tun könnten. hellfen die modelle nur bedingt weiter und meist nicht im alltag.


    Wen es beruhigt, kanns ja lesen. sowie rosenkranz beten in der kirche. aber vergesst nicht die 6 anderen regulationsmechanismen, die man kennt, die aber leider auch durch die brutale stellschraube insulin beeinflusst werden.


    Bitte mehr Praxis-Erfahrungen.

    let the sun shine