Hohe Insulinwirkung bei geringer Bewegung

  • Hi,


    Ich hoffe, dass ich meine Frage ins richtige Forum gestellt habe. Ich habe Typ 1 Diabetes seit 03.2011, und habe es im (eisernen) Griff. d.h. Ich messe wie verrückt, da mein BZ so unberechenbar ist.


    Mein grösstes Problem ist (seit dem Anfang der Krankheit) die Bewegung, vor allem nach dem Essen bzw. nachdem ich Insulin gespritzt habe. Mit Bewegung meine ich übrigens nicht nur Sport, sondern auch ein entspannter Spaziergang von 30min.


    Ich habe eine Normaldosis, die ich nach dem Essen immer spritze, und mit der ich mehr oder weniger gut zurechtkomme (ohne Bewegung bzw. nur in der Wohnung herumlaufen). Bei Bewegung nach einem Essen sinkt mein BZ leider immer drastisch. Mit drastisch meine ich, dass ich nach einer Normaldosis Insulin ca 3-5 BE zusätzlich zu mir nehmen muss, um keine hypo zu bekommen.


    z.B. ist meine normaldosis: 1BE = 1IE. Ich esse 8BE, und spritze 8IE. Gehe ich nach dem Essen für 30-60min spazieren (nicht anstregend), muss ich ca 3BE zusätzlich zu mir nehmen. Das ist viel, wenn man nicht unbedingt hunger hat. Laufe ich etwas länger, wird es gleich 1 Tafel Schokolade. Ebenfalls muss ich bei Bewegung jede 30min messen, damit ich es ansatzweise noch unter Kontrolle habe. Wenns geht, versuche ich mit einer niedrigen Insulindosis vor dem Essen entgegenzusteuern, allerdings klappt das nur bei “planbarer” Bewegung, was oft nicht der Fall ist.


    Wenn ich richtigen Sport (Radfahren z.B.) mache, muss ich meine Dosis halbieren, damit ich eine chance habe einer hypo zu entkommen. Natürlich muss ich noch zusätzliche BEs essen.


    Nun meine Frage an euch: ist das üblich so? Reagieren andere Körper ähnlich, oder bin ich ein Spezialfall? Eine Einschränkung habe ich erwartet, aber nicht so sehr. Am Anfang meinten die Aerzte es sein normal, und dass es nach einer Weile besser wird. Das ist aber schon über 2 Jahre her. Mein Arzt war bis jetzt leider keine Hilfe, also fühle ich mich da etwas alleingelassen.


    Wenn ich weiss, dass ich da nicht der einzige bin, würde es mir schon weiterhelfen :(


    Ebenfalls ein seltsamen phänomen: wenn ich verreise, reagiert mein Körper oft unterschiedlich auf Insulin, und ich muss meine Dosis sehr oft anpassen. Ich bin in der letzten Zeit oft umgezogen, und an jedem Ort habe ich unterschiedliche Insulinempfindlichkeit. Ich vermute das hat aber mit dem Stressfaktor zu tun (anderes Thema/Forum)...


    Gruss
    Ingo

  • Zitat von copacetic;304641


    . . .
    Wenn ich weiss, dass ich da nicht der einzige bin, würde es mir schon weiterhelfen :(
    . . .


    Nee bist du nicht. Ich gehöre auch dazu. Genug geholfen oder darf ich dir noch ein paar Links spendieren? ;)


    Für die Art der sportlichen Bewegung, die du beschrieben hast, kann ich dir diese Seiten empfehlen:


    Körperliche Bewegung


    Therapieanpassung an Bewegung


    Falls dich der Ehrgeiz packt und du etwas intensiver Sport treiben möchtest:


    Bitte sehr: Laufen mit Diabetes


    Gruß


    Ariola



  • Hi Ariola,


    Bei sportlicher Bewegung hätte ich das erwartet, aber zählt dazu auch ein Spaziergang (also normales Gehen ohne jegliche Anstrengung)? Ich habe nämlich auch schon versucht noch ruhiger zu gehen als...mal pause zu machen z.B. ...aber ohne Erfolg :(


    Sinkt die Empfindlichkeit wenn man des öfteren Sport treibt?


    Danke auch für die Links...die werde ich mir heut Abend anschauen :)


    Gruss
    Ingo

  • Das klingt für mich gar nicht unberechenbar, sondern ganz normal. ;)


    Unter Boluswirkung saust mein BZ bei Bewegung auch viel schneller nach unten.


    Beispiel aus meinem Alltag:


    Ich esse morgens 6 BE und brauche dafür 4 IE. Gehe ich 1 - 2 Stunden nach dem Bolus ca. 15 Min. spazieren, muss ich 2 BE Saft trinken, um eine Hypo zu vermeiden.


    Mache ich aber Sport in Form von Nordic Walking und weiß das vorher, spritze ich nur 3 IE für 6 BE und trinke zu Sportbeginn 2 BE Saft zur Hypovorbeugung.


    Auf Reisen verändert sich mein Insulinbedarf auch immer, meist geht er nach oben wegen Bewegungsarmut und Völlereien. Dann muss ich mehr Basal spritzen. Ist die Reise beendet, wird das Insulin wieder wie gewohnt gespritzt.

    "Wenn du mit dem Finger auf andere Menschen zeigst, zeigen drei Finger auf dich selbst."

  • Wie ist es denn ganz ohne Sport? Kann es sein, dass Du dort bereits leicht (also unmerklich) unterzuckerst, weil Du zu viel Bolus spritzt? Wenn dann noch Sport dazukommt, wird es natürlich spürbar. Interessant wären so 1h, 2h, 3h pp-Werte.


    Zwotens, das Problem "Faktor und Menge": Du gibst an 1 BE = 1 IE. Aber in der Realität ist es natürlich nie so glatt, dort sind es vielleicht 1.12 BE = 1 IE, d.h. es gibt einen Fehler. Wenn Du nun grosse Mengen isst - und 8 BE sind für mich schon zwei (!) volle Mahlzeiten - dann multipliziert sich natürlich dieser Fehler entsprechend. Es kann dann durchaus sein, dass Du üblicherweise eine IE zu viel spritzt. Abhilfe schaffen kleinere Portionen: halbe Nahrungsmenge, halbes Problem.

  • Jamuna: Danke für die Antwort ;) Da fühle ich mich schon etwas besser, wenn ich nicht der einzige bin :P Ich bin vor ein paar Monaten ca 30km weggezogen, und nun sinkt mein insulinbedarf drastisch...aber ich versuche es nicht mehr zu verstehen. ;)


    @T.M.: In der jetzigen phase sinkt mein Insulinbedarf wieder....d.h. ich reagiere schon so etwas empfindlicher. Zur Zeit muss ich mein Basalinsulin immer weiter Redzuzieren. z.B. spritze ich für die Nach jetzt bald nur noch 7IE anstatt die gewohnten 9IE. Das mit der Bewegung war aber schon immer so, jetzt evtl etwas stärker als sonst.


    Der 1BE = 1IE faktor war eigentlich nur als Beispiel gedacht. Bei mir varriert es natürlich je nach Tageszeit und je nachdem was ich esse. Das "genaue rechnen" hat sich für mich als nutzlos erwiesen. Ich spritze höchstens mal ein paar Einheiten mehr oder weniger, auch nach Gefühl. Wenn ich mich nicht bewege, komme ich meist gut hin. Ich messe auch in der letzten Zeit mind. jede 2 Stunden.


    8BE = 2 Mahlzeiten? Dann esse ich wohl besonders viel...der Arzt meinte damals zu mir, dass man versuchen soll unter 10BE zu bleiben. Ich habe grosse Mühe mein Gewicht zu halten. Ich schaffe es nur, wenn ich zusätzlich noch Speisequark und Fleisch (z.B. Salami Sticks) esse. Zur Zeit wiege ich ca 70kg bei 1,80m. Das ist noch im grünen Bereich, aber wie gesagt nur mit 40% Quark usw. Mein Idealgewicht von 78kg werde ich wohl nicht mehr erreichen.

  • So als Daumengröße funktioniert bei mir (in Anlehnung an die bei Chrostek genannten Muster):
    Sitzenbleiben (Büro): 100% Bolus
    leichte Bewegung (Spazieren gehen, Aufräumen etc.): 75%
    leichter Sport (z.B. mit dem Rad zur Arbeit dödeln): 50%
    richtig Sport (z.B. Mountainbiken): 0-25%

  • Zitat von copacetic;304663

    . . .
    Bei sportlicher Bewegung hätte ich das erwartet, aber zählt dazu auch ein Spaziergang (also normales Gehen ohne jegliche Anstrengung)? Ich habe nämlich auch schon versucht noch ruhiger zu gehen als...mal pause zu machen z.B. ...aber ohne Erfolg :(


    Sinkt die Empfindlichkeit wenn man des öfteren Sport treibt?


    Danke auch für die Links...die werde ich mir heut Abend anschauen :) . . .


    Hi Ingo,


    oh ja, so'n harmloser, ungeplanter, relaxter Schaufensterbummel kann schon für die ein oder andere Hypo sorgen. ;)


    LG


    Ariola

  • Hallo Ingo,
    ich muss auch immer zwei BE essen, wenn ich meinen Sohn zum Kindergarten gebracht habe. Das sind 20 bis 30 Minuten sehr langsames gehen. Am Wochenende komme ich ohne diese Zusatzmahlzeit aus.

    Un wenn de amme Chrüzweg stohsch
    un nümme weisch, wo s ane goht.
    halt still un frog die Gwisse zerscht,
    s cha dütsch, gottlob, un folg sim Rot.
    (Johann Peter Hebel)

  • Zitat von copacetic;304670

    Ich bin vor ein paar Monaten ca 30km weggezogen, und nun sinkt mein insulinbedarf drastisch...aber ich versuche es nicht mehr zu verstehen. ;)


    Dafür wird es auch Gründe geben. Mögliche Gründe:



    • mit dem Umzug oder dem Wechsel der Jahreszeiten hat sich die Ernährungsweise verändert
    • du isst weniger als früher
    • du hast in deinem Alltag mehr Bewegung als früher
    • veränderte Schlafenszeiten
    • andere Arbeitsstelle
    • mit PartnerIn frisch zusammengezogen oder Single-Leben frisch begonnen :D
    • ...


    Um auf deine Ausgangsfrage zu kommen: Ja, auch harmlose Tätigkeiten, die nicht unter "Sport" fallen, senken den BZ, wenn du gerade einen Bolus wirken hast. Habe ich mir einen Bolus gespritzt und will ich (ohne dass es vorher geplant war) Geschirr abspülen, muss ich zur Hypo-Vorbeugung Saft trinken.


    Wie viel Basal spritzt du denn und welches?


    Für deine Fragen bietet es sich auch an, das Buch "Diabetes- und Sportfibel" zu lesen.

    "Wenn du mit dem Finger auf andere Menschen zeigst, zeigen drei Finger auf dich selbst."

  • Zitat von copacetic;304663


    Sinkt die Empfindlichkeit wenn man des öfteren Sport treibt?


    Nein, sie steigt.


    Gruß
    Joa

  • Zitat von Joa;304744

    Nein, sie steigt.


    Aber ist es nicht so, dass Leute, die in einer Sportart trainiert sind, weniger stark auf genau diese Form der Bewegung reagieren? Also dass Leute, die oft spülen, dafür keine Sport-BEs mehr brauchen? ;)

    „Soll ich den Notarzt rufen?“ – „Nein, das ist ein Fall für Spezialisten, rufen Sie die Gummibärenbande!“ (diabetes-leben.com)


  • Zitat von TryHarderFish;304760

    Aber ist es nicht so, dass Leute, die in einer Sportart trainiert sind, weniger stark auf genau diese Form der Bewegung reagieren? Also dass Leute, die oft spülen, dafür keine Sport-BEs mehr brauchen? ;)


    Da kommen wohl verschiedene Zusammenhänge zusammen.


    Grundsätzlich steigt die Insulinwirkung durch vermehrte Bewegung, auch über die Zeit der Bewegung hinaus, da sich u.a. die Anzahl der Mitochondrien, der Zellkraftwerke erhöht. Wer im Training ist, kann z.B. mehr und effektiver Energie auch aus der Verbrennung freier Fettsäuren nutzbar machen. Auch erhöht sich durch Training die Kapazität der Glykogenspeicher.


    Zitat von Ich zitiere mal Ulrike Thurm:


    Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes profitieren von einer Steigerung der körperlichen Aktivität, weil Muskelarbeit die Körperzellen insulinempfindlicher macht. Mit derselben Menge an Insulin können die Zellen dann mehr Glukose aus dem Blut aufnehmen, der Blutzuckerspiegel sinkt ab und die Insulinresistenz der Körperzellen wird durchbrochen.


    http://www.ulrikethurm.net/typ2.html


    Dort ist das zwar auf Typ 2 bezogen, wo es besonders deutlich zutrifft, aber grundsätzlich gilt es auch für den Typ 1 und den Nichtdiabetiker. :)


    Gruß
    Joa

  • Ja, dass Sport grundsätzlich die Insulinsensitivität erhöht, ist klar. Ich dachte nur, der TE wollte mit der Frage wissen, ob durch einen besseren Trainingszustand weniger Sport-BEs beim Sport an sich nötig werden und das sollte doch schon so sein oder?

    „Soll ich den Notarzt rufen?“ – „Nein, das ist ein Fall für Spezialisten, rufen Sie die Gummibärenbande!“ (diabetes-leben.com)


  • Hihi, hier auch noch die (scheinbare) Antithese:

    Zitat von Sport und Insulinpumpenfibel

    Einen Satz noch zum Schulsport ... Für den Schulsport muss ich nicht einmal mehr das Insulin reduzieren. Die Belastung ist für mich so gering, dass ich allerhöchstens bei einem zu niedrigen Ausgangsblutzucker vorher eine BE esse.


    http://www.ulrikethurm.net/kinder.html


    Die Auflösung des vermeintlichen Widerspruchs steckt in dem Satz: "Die Belastung ist für mich so gering ...". Auch der untrainierte Diabetiker wird nicht für einen Schlurfgang zum Klo den Bolus reduzieren müssen. :D


    Gruß
    Joa