Bolus und Bewegung - Was läuft schief?

  • Hallo zusammen!


    Da ich ja noch relativ neu in der Materie bin, stehe ich aktuell immer wieder vor dem ein oder anderen Rätsel. Hier nun meine bitte um Hilfe bei folgendem Rätsel:
    Laut "Lehrbuch" soll man bei geplanter Bewegung (während der Bolus der letzten Mahlzeit noch wirkt) weniger Insulin spritzen. So habe ich getan. Geplant war ein ca. 1 stündiger Spaziergang. Gespritzt habe ich 50 % Bolus. Nach ca. 30 Minuten dann der Pfeil steil abwärts bei einem Wert von ca. 100 (Freestyle Libre). Also 1 KE Traubenzucker genommen und weiter. Ja, aber dann geht s nur noch aufwärts mit dem Zucker und ich komme zu Hause an mit deutlich zu hohen Werten, so dass man glauben müsste, ich hätte die 1 KE eigentlich nicht gebraucht.
    Dieser Ablauf ist mir 3 mal passiert, dann habe ich es ganz ohne Bolus probiert, tja was soll ich sagen, der Zucker zeigte mir den Stinkefinger und sah es garnicht ein, auch nur ein wenig zu fallen...
    Da ich mich LowCarb ernähre habe ich mit der Menge Insulin zu spritzen nicht mehr wirklich Spielraum nach unten. Aber deswegen nie spazieren gehen nach dem Essen oder jedes Mal mit zu hohen Werten leben?
    Jemand einen Tipp für mich, was ich anders/ besser machen kann?
    Bin dankbar für jeden Hinweis!

  • Hm, so ähnlich hätte ich es auch gemacht. (Die genauen Zahlen sind ja bei jedem anders.)
    Weniger Bolus und bei "100" kurz nach Mahlzeit bei geplanter Bewegung wohl auch noch etwas gegessen; weil ich erwarten würde dass der BZ bei noch starker Insulinwirkung schnell runtergeht.
    Man muss rumprobieren...eventuell hätte sich der Trendpfeil von selbst gedreht und falls nicht, auch bei 80 kann man ja noch TZ essen. Vieleicht der reduzierte Bolus aber ohne/weniger Traubenzucker? Oder langsamere Kohlenhydrate anstatt Traubenzucker. Oder, da ein einstündiger Spaziergang ja nicht sooo viel Bewegung ist, vielleicht doch etwas mehr Bolus und ggf unterwegs etwas TZ.

  • Kann ja sein, dass dein Körper noch eigenes Insulin zum gespritzten Insulin dazuproduziert. Dann stellt sich die Frage, ob die Lehrbuch-Meinung im Lehrbuch für Menschen ohne eigenes Insulin steht, oder für Menschen in der Remissionsphase? Grundsätzlich muss man leider immer ganz viel selbst herausfinden, ob die Regeln funktionieren.


    Bei deiner Spaziergang-Erfahrung fällt mir jetzt auch kein guter Tipp ein.

  • Ich hätte bei 30 min "hartem" Training auf dem Crosstrainer nach dem Essen das gleiche Problem wie Du. Ich weiß jetzt natürlich nicht, in welcher körperlichen Verfassung Du bist und ob für Dich so ein Spaziergang schon einen Kraftakt darstellt.


    Wirkliche körperliche Anstrengung nach dem Essen stoppt normalerweise die Verdauung, der Bolus ist aber im Blut und daher der BZ-Abfall.


    Nach der körperlichen Anstrengung setzt die Verdauung wieder ein (die KH und das EW gelangen ins Blut), der Bolus wurde aber schon vom Traubenzucker aufgebraucht und der BZ beginnt zu steigen. So wie Du schreibst: wie wenn ich den Traubenzucker nicht gebraucht hätte.


    Um festzustellen, ob das bei Dir schon ein Spaziergang auslöst, würde ich die nächsten Tage mit dem Spaziergang 2 (besser 3) Stunden bis nach dem letzten Bolus warten....


    Ein Indiz (unter der Annahme, dass der Bolus für das Essen korrekt war) wäre auch, wenn der BZ 5 Stunden nach dem Essen genau um den Traubenzucker zu hoch ist. Ein Dextro mit 4 g würde bei einem Menschen mit 70 kg Körpergewicht den BZ um 20 mg/dl erhöhen (1 g Glukose erhöht bei 70 kg den BZ üblicherweise um 5 mg/dl, bei 140 kg um 2,5 mg/dl usw.).

  • Wenn man sich LC ernährt, kann so ein BZ-Verlauf, wie ich ihn oben beschrieben habe auch eintreten, wenn der SEA zu lang ist.


    Ich habe in der Früh einen SEA von 25 min (bei Actrapid), für exakt das gleiche Essen darf ich am Abend das Actrapid erst nach dem Essen spritzen.


    Wenn die Spaziergänge am Abend stattfinden, würde ich das auch noch in Betracht ziehen....

  • Hast du die Situation auch blutig gegen gemessen?


    Meiner Erfahrung nach ändert die Abweichung zwischen Libre und blutig erheblich, sobald nur geringe Aktivität ins Spiel kommt. Glukose aus dem Gewebe wird in die Muskeln gesaugt, der Wert sinkt. Aber nicht der Wert im Blut.
    Aber auch die Lageänderung spielt bei mir oft mit. Liegend sind die Werte oft 20mg niedriger als wenn ich aufstehe und mich bewege. Blutig sind sie aber oft identisch.


    Während Sport verlasse ich mich nicht mehr auf das Libre, schon gar nicht als Grundlage für Korrekturinjektionen - da hätte ich mich sonst recht oft in eine Hypo gespritzt.

  • Ich kenne das vom Sport. Ich bin auch regelmäßig verunsichert und weiß nicht, ob und wie viel ich weniger spritzen soll. Bei einem normalen Spaziergang hätte ich persönlich aber nichts an meiner Bolus-Rate geändert, da ich hier kaum was merke. Vielleicht liegt es daran, dass ich fast jeden Tag Sport mache, und sich der Körper daher nicht "anstrengt" beim Spazieren.


    Grob würde ich auch 50% weniger Bolus vor sportlicher Tätigkeit spritzen. Kommt aber auch darauf an, was ich esse oder wie mein Wert ist. Jedes Mal wieder ein Experiment. Gestern erst wieder gescheitert - musste einen hohen Wert korrigieren, ist dann aber trotz geringer Dosis (2 IE Novo bei 240 mg/dl) voll abgerauscht und vor dem Tennis brauchte ich sogar 4(!) BE. Könnte aber auch dem ungewöhnlich warmen Wetter geschuldet sein.


    Moral von der Geschichte: Wie man's macht.... :D


    PS: Mit Libre kann man bei noch nicht zu niedrigen Werten sonst nach ein paar Minuten noch einmal messen, bevor man Gegenmaßnahmen wie Traubenzucker ergreift. Vielleicht fängt sich die Kurve von selbst wieder. Dann ist zumindest nicht extra gefuttert worden. :)

    Einmal editiert, zuletzt von Jean ()

  • Hallo Witnez,
    das Problem hatte ich auch lange: In den 1-2 Stunden nach einer Mahlzeit war an Bewegung nicht zu denken (und das schließt insbesondere Spazieren mit ein).
    Wenn ich mich doch bewegt habe, bin ich direkt in die Hypo gerutscht und später kam ich dann zu hoch raus.


    Bei mir war die Lösung die Umstellung auf ein langsamer wirksames Insulin (konkret von Humalog auf Huminsulin)
    Da passt (zumindest bei mir, auch Low Carb) die Insulin-Wirkkurve besser zur Verdauuung.


    Beste Grüße
    Ove


    Nachtrag:
    ...und "richtigen" Sport mache ich mittlerweile morgens im "gefasteten" Zustand. Das reduziert die Komplexität etwas.

    Basal: Lantus (5 IE/d), Bolus: Normal-Insulin (0,5-1,3 IE/(gKH + gEW/2)/10), Pre-Workout: Humalog (1-2 IE), Hypo-Helfer: Dextro, KH-Menge pro Tag: 30-50g, Diaversary: 19.11.

    Glukosewerte werden vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.

    Einmal editiert, zuletzt von Ove ()

  • Hui, so viele Antworten... Erstmal vielen dank euch allen.


    Zu euren Antworten/ Vorschlägen:

    @ Ove:
    Wird es mit Humaninsulin nicht noch schwieriger, wegen der langen Wirkkurve? Da hat man doch quasi ständig aktiven Bolus im Körper und Sport ist wirklich nur noch morgens nüchtern möglich, oder?


    LocMa
    Über das mit der Verdauung habe ich indirekt auch schon nachgedacht, aber ein bisschen anders... Da ich nur langsame KH zu mir nehme und die Wirkkurve des Insulins scheinbar ziemlich perfekt dazu passt, würde eine Wirkbeschleunigung durch Bewegung das Gleichgewicht durcheinander bringen? Nur so ne Idee...
    Merkwürdig ist nur, dieses Problem tritt nur bei längerer Bewegung auf, alles was unter 30 Minuten liegt macht hier kaum was aus. Passt also auch irgendwie wieder nicht zu dieser Theorie?!

    Hast du die Situation auch blutig gegen gemessen?


    Meiner Erfahrung nach ändert die Abweichung zwischen Libre und blutig erheblich, sobald nur geringe Aktivität ins Spiel kommt. Glukose aus dem Gewebe wird in die Muskeln gesaugt, der Wert sinkt. Aber nicht der Wert im Blut.
    Aber auch die Lageänderung spielt bei mir oft mit. Liegend sind die Werte oft 20mg niedriger als wenn ich aufstehe und mich bewege. Blutig sind sie aber oft identisch.


    Während Sport verlasse ich mich nicht mehr auf das Libre, schon gar nicht als Grundlage für Korrekturinjektionen - da hätte ich mich sonst recht oft in eine Hypo gespritzt.

    @butterkeks:
    Nein, habe nicht blutig gemessen, dachte nicht, dass das notwendig ist, da es ja kein Sport war. Aber vielleicht sollte ich das dann mal ausprobieren.
    Das mit der Lageänderung kann ich bestätigen, ist bei mir auch so.

    @ Jean:
    Da ich im Normalfall viel in Bewegung bin, gehe ich eigentlich nicht davon aus, dass ein normaler Spaziergang so anstrengend für meinen Körper ist, aber es ist eben zumindest nach dem Mittagessen eine ungewohnte Belastung, daher wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen.
    Noch länger warten mit Gegenmaßnahmen, da bin ich zugegebenermaßen ein kleiner Angsthase, besonders wenn der LibrePfeil steil nach unten steht... :S



    Was ist das alles kompliziert... ;( Bewegung hat mal so viel Spaß gemacht... Na ja, demnächst geht es in den Urlaub in die Berge, da werde ich wohl einfach ganz viele Möglichkeiten ausprobieren und sehen, wie es am Besten klappt...


    LG Witnez

  • @ Ove:
    Wird es mit Humaninsulin nicht noch schwieriger, wegen der langen Wirkkurve? Da hat man doch quasi ständig aktiven Bolus im Körper und Sport ist wirklich nur noch morgens nüchtern möglich, oder?


    Genau so mache ich es.
    Und bei den kleinen Dosen, die ich verwende (1-3 IE pro Mahlzeit), ist die Wirkdauer ja auch nicht sooo lang: Meist pendelt sich die BZ-Kurve nach ca. 2 Stunden nahe des Zielbereichs ein und ab Stunde 4 beginnt allmählich schon wieder der Anstieg wegen möglicher Seiteneffekte (Eiweißkonsum, Stress, was auch immer)
    Naja, und wenn ich ausnahmsweise doch mal nachmittags oder abends sporten will, dann wird eben etwas engmaschiger gemessen und entsprechend Traubenzucker eingeworfen.


    Zumindest bei mir funktioniert das so ganz gut.

    Basal: Lantus (5 IE/d), Bolus: Normal-Insulin (0,5-1,3 IE/(gKH + gEW/2)/10), Pre-Workout: Humalog (1-2 IE), Hypo-Helfer: Dextro, KH-Menge pro Tag: 30-50g, Diaversary: 19.11.

    Glukosewerte werden vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.