Hallo,
Ich hatte die Gelegenheit, den neuen Omnipod, der bei uns im Herbst auf den Markt kommen soll, vorab vier Wochen zu testen. Für alle Interessierten hier mein persönliches Fazit dieser 4 Wochen:
Ausgangssituation:
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- 20 Jahre Typ 1
- seit rund 7 Jahren Pumpe (aktuell VEO)
- sehr skeptisch gegenüber dem Omnipod ("Wer braucht den so was? Der Schlauch stört doch nicht!")
Der erste Eindruck
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Wider Erwarten stellt sich sofort ein Gefühl größerer Freiheit ein, da die Limitation des Schlauchs (obwohl ich 110 cm trage) entfällt. Duschen ohne Abkoppeln, am WC einfach die Hose runter rutschen lassen... Man kann das wohl doch brauchen!
Auch beim Schlafen empfinde ich den Pod nicht als störend. Hier hatte ich die größten Bedenken. Selbst als ich ihn an der Seite trage, merke ich ihn als Seitenschläfer kaum.
Das Befüllen empfinde ich wegen der kurzen Nadel der Spritze komplizierter als bei der VEO. Nach ein paar Mal stellt sich aber auch hier die Routine ein.
Der weitere Verlauf
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Der Pod macht Spaß. Könnte aber auch daran liegen, dass er neu ist und die gewohnte Pumpenroutine durchbricht. Das Befüllen macht deutlich mehr Laune als bei der Pumpe. *Das automatische Setzen der Kanüle ist prima, wenn auch die Wartezeit ab Drücken der Start-Taste bis zum Setzen doch ein ähnlich unangenehmes Gefühl vermittelt, wie wenn ich zögere, beim SoftSerter abzudrücken. Die Schmerzen beim Setzen sind etwas geringer, aber für mich ist der Unterschied nicht so deutlich.
Anfangs habe ich immer Bedenken, den PDM zu vergessen, denn ohne den funktioniert das System ja nicht. Meine VEO ist per Schlauch angebunden und damit "unvergessbar". Die erste Woche kette ich den Autoschlüssel an die Tasche des PDM. Mit ein bißchen Routine lässt aber auch diese Sorge nach.
Der PDM ist mit seinem großen Display und den vielen Infos (so wird z.B jeder Schritt des Setzens inkl. Vermeidung möglicher Fallstricke in Textform Schritt für Schritt beschrieben) eine prima Sache - so lange man drinnen ist. Draußen lässt sich das Display bei Sonnenschein deutlich schlechter (man kann auch sagen kaum) ablesen als meine VEO. Da kann die Sonne drauf knallen und ich kann immer noch alles lesen, beim PDM hingegen ist raten angesagt.
Erschwerend kommt hinzu, dass teilweise die Belegung der Tasten wechselt. Für okay muss man bei ein und dem selben Schritt einmal links und beim nächsten Mal rechts drücken. Überhaupt ist der Druckpunkt der Tasten bescheiden bzw. die Tasten sind viel zu schwergängig.
Beim Einschalten des PDM muss man per Tastendruck bestätigen, dass man den eigenen PDM in der Hand hält. Ganz offensichtlich hofft der Hersteller auf eine große Verbreitung. Nervig ist, dass man auch nach dem Einschieben eines Teststreifens auf OK klicken muss. *Mind. 1x pro Woche vergesse ich das, trage Blut auf und bekomme eine Fehlermeldung. Wieder ein kostbarer Teststreifens verschossen...
Zudem ist der PDM aus Billigplastik gefertigt, dass war schon Ende des letzten Jahrtausends nicht mehr state of the art. Die Hüllen in grellen Farben helfen da nicht wirklich weiter, zumal man den PDM damit kaum noch in die Hosentasche geschoben bekommt.
Die BE-Faktoren lassen sich nur deutlich grober eingeben, als ich das von der VEO gewohnt bin. Außerdem muss nicht IE pro BE, sondern umgekehrt eingegeben werden. Klingt einfach, erfordert aber einiges Nachdenken - trotz der Umrechnungstabelle, die Ypsomed beilegt. 1:1 lassen sich die Faktoren aus der VEO nicht übernehmen, es muss auf- oder abgerundet werden.
Der Pod muss mit 85 - 200 IE Befüllen werden. Nach drei Tagen (+ 8 Stunden Karenz) ist Ende und auch nichts mehr verlängerbar. Man muss also den Insulinbedarf für drei Tage vorplanen, damit man den Pod nicht früher abnehmen muss, weil er vor den drei Tagen leer ist. Entsprechend fülle ich ca. 180 IE obwohl ich im Schnitt in drei Tagen 150 IE brauche. Man will ja flexibel sein und bei mir als Schleckermaul heißt das, Eis, Kuchen etc. mit entsprechendem Insulinbedarf. Man kann den alten Pod aber nach dem Befüllen des neuen mit der Spritze dieses neuen Pods "entleeren" und das Insulin wiederverwenden. Ca. 20 - 30 IE bleiben aber im Pod.
Die Kosten
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Von Herstellerseite ist zu hören, dass der Omnipod ähnlich viel kostet wie die herkömmlichen Pumpen. Teilweise wird auch von 200 - 300 € mehr pro Jahr gesprochen. Wenn man genauer hinterfragt, wie diese Zahlen zu Stande kommen, wird es recht neblig. Ich habe auch gehört, dass für diesen Vergleich herkömmliche Teflonkatheter mit dem Omnipod, der ja ebenfalls Teflonkatheter nutzt, verglichen wurden. Angeblich wurde bei den herkömmlichen Kathetern von einem Wechsel alle zwei Tage ausgegangen und beim Omnipod von drei Tagen. Warum konnte mir keiner sagen. Hier gilt wohl das alte Churchill Motto "Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast."
Also habe ich mal mit meinen realen Werten gerechnet. Grundlage ist meine Nutzung der QuickSet, die ich drei Tage trage. Basis sind die Listenpreise bei DiaExpert, die ja auch mit Ypsomed zusammen hängen. Ich gehe zu Gunsten des Omnipod davon aus, dass das Insulin, dass ich im Schlauch verliere in etwa der Menge entspricht, die im Omnipod verbleibt.
Über das Ergebnis meiner Rechnung bin ich baff erstaunt. Nicht fast gleiche Kosten, sondern 40% mehr beim Omnipod! Das sind über € 1.000 im Jahr! Natürlich zahlen die Krankenkassen keine Listenpreise, aber ich glaube nicht, dass Ypsomed so viel mehr Rabatt gibt als die anderen Hersteller.
Und das gilt nur, wenn ich davon ausgehe, dass die Kasse mir nach genau vier Jahren eine neue Pumpe bezahlt. Nutze ich die Pumpe länger, steigt der Kostenabstand des Omnipod, denn die Anschaffungskosten der klassischen Pumpe verteilen sich dann auf einen längeren Zeitraum, die Kosten pro Monat sinken.
Der Wechsel zurück
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Vor dem Wechsel zurück zur VEO hatte ich etwa Bauchschmerzen, dafür habe ich die Freiheit ohne Schlauch zu sehr genossen. Doch auch hier ein "wider Erwarten": Ab der ersten Sekunde ist der Schlauch wieder völlig selbstverständlich. In den letzten vier Wochen seit dem Wechsel zurück gab es nicht einen Tag, an dem ich mir den Omnipod unbedingt zurück gewünscht hätte.
Mein persönliches Fazit
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Ohne Schlauch ist toll, keine Frage. Diese Freiheit erkauft man sich aber mit einer ganzen Reihe Nachteile:
- ca. 40% Mehrkosten, evtl. deutlich mehr [Wir alle sollten einen Beitrag leisten, damit unser Gesundheitssystem bezahlbar bleibt.]
- Man produziert viel mehr Müll. Der Pod wird zwar recycelt, in vielen Fällen dürfte das aber nur ein Downcycling (aus Joghurtbechern werden Parkbänke) sein. Auch die Entsorgung der Batterien im Pod sei gewährleistet, aber sie können ja nicht wieder verwendet werden. Die Batterie in der VEO hält Wochen und wird nicht nur drei Tage genutzt.
- Mit dem Pod klebt man sich ein ganz schön großes Teil an den Körper. Je figurbetonter die Kleidung, desto schwerwiegender wird das Probelm. Die QuickSet sind deutlich diskreter.
- Die herkömmliche Pumpe mit abkoppelbarem Katheter ermöglicht mehr Flexibilität in bestimmten Lebenslagen: Sauna (Insulin im Pod hält das nicht aus), Kuscheln und mehr (Pod kann nicht abgenommen werden, wenn er den Partner stört...)...
Aus diesen Gründen wird meine nächste Pumpe wohl wieder eine klassische werden.
Sorry für die Länge des Beitrags, aber vielleicht helfen meine Eahrungen ja dem einen oder anderen bei seinen Überlegungen.