"Nachspritzen"

  • Folgende Situation:


    Man hat bei Freunden übernachtet und stellt am Morgen entsetzt fest, daß man nicht spritzen
    kann (Nadeln oder Pen vergessen, Insulin ausgegangen etc.).
    Man nimmt ein kleines Frühstück, fährt nach Hause, kontrolliert den BZ und möchte nachspritzen.


    Was sollte man spritzen? Entsprechend der gegessenen BE oder nach Korrekturfaktor?

  • Kommt drauf an, wie lang du fährst würd ich sagen, ist mir auch schonmal passiert und sind ca. eine dreiviertel Stunde nach Hause gefahren.
    Hab dann nach BE gespritzt und nach 2 Std. kontrolliert.
    Fährst du länger nach Hause (2 Std. und aufwärts) würd ich messen und dann schauen.

  • HI,


    kommt (wie so Vieles) darauf an.


    Wie viel Zeit ist vergangen nach dem Essen?
    Wie viel KE/BE waren es? Waren es schnelle oder langsame?
    Wie hoch ist der gemessene BZ?


    Ich "kontere" mal mit einem Gegenbeispiel:


    Ich hab's schon mal geschafft, einen Bolus zum Frühstück zu vergessen und erst 2 Stunden später auf der Arbeit isses mir eingefallen. Wenn der Nüchternwert bei 100 oder drunter ist, spritze ich für mein Müsli (ungesüßt) erst nach dem Essen, weil das Müsli bei mir recht lange braucht, bisses im Blut ankommt und ich einen Puffer für die Autofahrt auf die Arbeit brauche. Nun, kam es schon das eine oder andere Mal vor, dass ich den Bolus hinterher einfach vergessen hab.
    So gegen 9:30 Uhr auf der Arbeit fällt es mir ein (mein Frühstück ist gegen 7:15 Uhr gewesen). Ohne den BZ zu messen habe ich schon mal den urspünglich errechneten Essenbolus pauschal um 2-3 Einheiten reduziert und "nachgespritzt", z.B. errechneter Bolus war 11 IE, ich spritzte 9 IE nach. Zum Mittag (13:00 Uhr) war der Wert bei 135, also ganz passabel für den "Ausrutscher".
    Natürlich ist Spritzen ohne Messen immer ein Glückspiel und ich würde das echt nur einem erfahrenen DMler empfehlen, bzw. jemand, der sehr gut einschätzen kann, wie seine Werte reagieren.


    In Deinem Fall mit Remission würde ich da gar keine Versuche in der Art machen! Also, messen und nach Korrekturfaktor spritzen. Ggf. kannste 1 IE draufpacken, wenn der Wert jenseits der 300 angekommen ist oder in diesem Fall den Korrekturfaktor z.B. von 50 auf 30 erhöhen. Aber wenn der Wert - sagen wir - 2 Stunden nach dem Frühstück unter 160 liegt, würde ich mit Remission wahrscheinlich gar nix machen, erst recht nicht, wenn es vorwiegend schnelle KE/BE waren. Dank der Remission solltest zum Mittag eigentlich wieder wieder unten sein, aber verlassen kannste Dich leider nicht darauf. Remission ist unberechenbar. Allerdings: Ist der Wert vor dem Mittagessen dann zu hoch, kannste ja die Korrektur mit dem Essesbolus spritzen und damit sollte der Käse gegessen sein.


    Gruß,
    Veri

    *****
    "Bevor du dir selbst eine Depression oder einen Minderwertigkeitskomplex diagnostizierst, stelle sicher, dass du nicht einfach nur von Arschlöchern umgeben bist." Prof. Dr. Sigmund Freud

  • Zitat von Veri183;289120

    kommt (wie so Vieles) darauf an.
    ...
    In Deinem Fall mit Remission würde ich da gar keine Versuche in der Art machen!


    Hallo Veri,


    danke für Deine ausführliche Antwort ...


    In diesem konkreten Fall habe ich nur das Basal-Insulin nachgespritzt,
    denn um 12:00 Uhr lag der BZ bei idealen 112 mg/dl, drei Stunden später
    nach einem (kleinen) Frühstück und ca. 1 Stunde Radfahrt bei 140 mg/dl.
    Das ist eigentlich genau der Wert, den ich hätte, wenn ich bis dahin nichts
    gegessen und nichts gespritzt hätte.
    Zur nächsten Mahlzeit werde ich sehen, welche Werte das BZ-Meßgerät
    ausspuckt.
    EDIT:
    Um 18:15 vor dem Essen 101 mg/dl

  • Hatte das Problem mal bei einem Abendessen. Waren eingeladen und ich Depp vergess mein Spritzzeug im Büro. Das Essen war anderthalb Stunden von daheim weg und ging ne Weile ... hab dann bei den KH etwas vorsichtig zugelangt, ein Glas Wein mehr getrunken (gute Ausrede ...) und daheim mal gemessen. Und entsprechend gespritzt. Als Beilage gabs Fritten, die gehen bei mir persönlich relativ gut. Kartoffeln mit Fett. Da schiessts bei mir nicht grad hoch.


    Wärs bei nem Frühstück passiert, hätt ichs wohl weggelassen. Und wär ohne los. Da ich eh nicht frühstücke im Alltag, wär das normal gewesen.


    Ansonsten würd ich auch in diesem Fall daheim messen und mal was spritzen, danach etwas enger messen. Damit ich bis am Abend wieder im gewohnten Bereich bin.

  • Wenn ich nicht Spritzen kann würde ich doch auf keinen Fall was essen... Selbst wenn ich am verhungern wäre: nach Hause fahren und die Ausrüstung holen oder das Essen eben ausfallen lassen.

  • Genauso hab ich das bisher auch immer gemacht. Wenn ich kein Insulin habe, wird auch nichts gegessen. Ist doch eigentlich ganz logisch, oder?

  • Bei mir käme es drauf an, wie weit entfernt mein Pen ist. Wenn ich eine halbe Stunde Fahrt hätte, würde ich essen. Aber wenn ich erst nach 2 Stunden oder so an mein Insulin kommen würde, da würde ich mir genau überlegen ob ich überhaupt was esse.

    LG Heike
    ________________
    Der Kluge läßt sich belehren, der Unkluge weiß alles besser.

  • Zitat von jq4o;289222

    Wenn ich nicht Spritzen kann würde ich doch auf keinen Fall was essen... Selbst wenn ich am verhungern wäre: nach Hause fahren und die Ausrüstung holen oder das Essen eben ausfallen lassen.


    Zitat von kalk;289245

    Genauso hab ich das bisher auch immer gemacht. Wenn ich kein Insulin habe, wird auch nichts gegessen. Ist doch eigentlich ganz logisch, oder?


    Sorry, aber sooo logisch ist das bei Weitem nicht. Z.B. folgende Situation selbst erlebt:


    Für ein 2-tägiges Meeting nach Madrid geflogen und am Abend hatten wir den Kunden zum Dinner eingeladen. Also, ein wichtiges Geschäftsessen. Wie es manchmal so läuft, hat das Meeting viel länger gedauert als geplant. Ich bin in völliger Hektik ins Hotel gedüst, um mich unzuziehen, spritzte noch schnell meine Basis wie Abends üblich und los gings mit dem Taxi und zwei Kollegen einmal quer durch die ganze Stadt ins Restaurant. Im Taxi mess ich meinen BZ: 185 (ist oft so bei stressigen Meetings mit wenig Essen und nur Süßkram auf dem Tisch). Wir sind im Restaurant, das Essen ist bestellt und ich möchte wegen des hohen Wertes vorher schon mal spritzen. Da es ein Geschäftsessen ist, gehe ich auf die Toillette, mach meine Tasche auf und.... Scheiße! Das Mäppchen mit den Pens liegt im Hotelzimmer am anderen Ende der Stadt. Und nun soll ich meinem Kunden sagen, den ich ja extra eingeladen habe: Sorry, ich muss nochmal durch die ganze Stadt zurückfahren (was bei Feierabendverkehr so ca. 1,5 bis 2 Stunden dauert)? Fangt schon mal ohne mich an!?
    Es klingt im Nachhinein wahnsinnig banal, doch es ging in dieser Situation einfach nicht anders. Zum Glück besteht traditionelles spanisches Abendessen hauptsächlich aus Fleisch...


    Wenn man sowas einmal erlebt hat, passiert einem das so schnell nicht wieder. Ich bin seitdem schon fast etwas paraniod, was das Liegenlassen von meinem Pen angeht. Ich guck ständig und immer wieder in meine Handtasche, ob auch ja alles da ist. Besonders, wenn ich beruflich unterwegs bin. Ich musste aber auch schon mal meine Mittagspause ofpern, um nach Hause zu fahren und Nachschub zu holen. Denn Mittagessen ohne spritzen wäre genauso, wie kein Mittagessen: ich hätte den Arbeitstag nicht gut überlebt.


    Worauf ich hinaus will: Man vergisst sein Insulin am besten erst gar nicht. Das ist die oberste Regel. WENN es denn mal passiert, kann man schauen, wie man sich arrangieren kann in Abhängikeit von Situation und Zeit.


    Gruß,
    Veri

    *****
    "Bevor du dir selbst eine Depression oder einen Minderwertigkeitskomplex diagnostizierst, stelle sicher, dass du nicht einfach nur von Arschlöchern umgeben bist." Prof. Dr. Sigmund Freud

  • Gar nicht essen find ich auch etwas übertrieben. Die Marzipantorte auf Fruchtspiegel mit Caramelfäden würd ich in diesem Fall dann weglassen. Aber wenn man dann halt einmal mit einem etwas erhöhten BZ rumläuft, den man sich erklären kann, dann würd ich, wenns die Situation ergibt, halt trotzdem essen. Aber zurückhaltender sein bei den KH.

  • Zitat von Kochloeffel;289342

    Aber wenn man dann halt einmal mit einem etwas erhöhten BZ rumläuft, den man sich erklären kann, dann würd ich, wenns die Situation ergibt, halt trotzdem essen. Aber zurückhaltender sein bei den KH.


    Kommentar einer Diabetes-Beraterin in einer Schulung:
    "Wenn man mal über die Strenge schlägt und das genießt,
    wird der überhöhte Blutzucker niemanden umbringen ..."
    So halte ich das auch:
    Wenn der BZ ausnahmsweise mal über's Maß hinausschießt,
    mache ich mir nicht ins Hemd, wenn ich schon bald wieder
    im Zielbereich liegen kann.

  • Wenn das eine Ausnahme ist, ist das dann natürlich keine große Sache. Zu 100 % ordentlich bekommt man es eh nicht hin, ich habe etwa alle 1 - 1 1/2 Monate auch mal einen Wert > 200 einfach weil man sich verschätzt oder sonst einen Fehler macht. Aber wenn ich mir die Beiträge im Forum hier manchmal so durchlese, habe ich das Gefühl, solche Werte sind für einige an der Tagesordnung. Deswegen wundert es mich halt.


    Zitat von Kochloeffel;289342

    Die Marzipantorte auf Fruchtspiegel mit Caramelfäden würd ich in diesem Fall dann weglassen.


    Die würde ich auch mit Insulin nicht essen. Ich kann nicht einmal ein Nutella-Vollkornbrötchen essen ohne Anstieg und späte UZ, deshalb lasse ich von schneller wirkenden Sachen generell die Finger.

  • Wie schon vorher gesagt wurde: der Nachspritz-Bolus ist davon abhängig wie lange das Essen her ist, wie "schnell" die Kohlenhydrate waren und wie hoch der BZ vor dem Essen war. Wenn es öfter vorkommt, kann man da sicher seine eigenen Erfahrungen machen. Ohne Erfahrung sollte man vielleicht einen erhöhten BZ in Kauf nehmen und erst 3 Stunden nach dem Essen spritzen.


    Was ähnliches ist mir auch mal passiert. Ich hatte vor dem Frühstück einen BZ von um die 50. Hab 6 BE gegessen und wollte wegen der Hypo erst 15 Minuten nach dem Frühstück spritzen. Das habe ich aber leider vergessen und mittags war der BZ bei ca. 280. Immerhin konnte ich mir dadurch ausrechnen, dass 1 BE meinen BZ um diese Zeit um ca. 38 mg/dl erhöht...

    "Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht."
    (Oscar Wilde)

  • Zitat von jq4o;289490

    Aber wenn ich mir die Beiträge im Forum hier manchmal so durchlese, habe ich das Gefühl, solche Werte sind für einige an der Tagesordnung. Deswegen wundert es mich halt.


    Bei den Leuten, die sich hier im Thread gemeldet haben, habe ich diesen Eindruck nicht. Vielmehr glaube ich, dass manche DM-Frischlinge zu überängstlich sind. Wie oft kommt denn so eine Situation vor? Ich selbst habe mal meinen Pen verloren, als ich mit meinen Kollegen vormittags in einem Restaurant essen wollte, BZ war bei 150. Ersatzpen von zuhause zu holen, hätte 90 Min. Zeitverlust bedeutet. Also aß ich einen großen Salat (mit Croutons) und ließ das beigelegte Brot weg. Den Rest des Tages bewegte ich mich auf der Arbeit viel, Treppen statt Aufzug. Abends zuhause war der BZ im grünen Bereich.


    Seither habe ich immer einen bereits angefangenen, noch nicht leeren Pen als Ersatzpen in meinem Rucksack.

    "Wenn du mit dem Finger auf andere Menschen zeigst, zeigen drei Finger auf dich selbst."

  • Kurz nach der Diagnose, wenn man die Schulung hinter sich hat, wenn alles neu ist, ist man schnell mal verunsichert, wenn was nicht ganz nach Plan läuft. Die Gelassenheit kommt mit der Zeit. Ein Auge darauf haben, möglichst alles richtig zu machen, ist sehr wichtig. Aber manchmal passts halt nicht. Dann darf man sich nicht stressen lassen; erstmal durchatmen, daran arbeiten.

  • Zitat von Jamuna;289520

    Seither habe ich immer einen bereits angefangenen, noch nicht leeren Pen als Ersatzpen in meinem Rucksack.


    Ich werde mir auf dem nächsten Rezept EinwegPens verschreiben lassen.


    Denn die Utensilien zum Wochenende zu verlieren ist auch für mich eine
    SDchreckensvorstellung. Lange genug haltbar ist das Insulin, daß man
    für unterwegs einen EinwegPen einpackt und einen weiteren am Arbeits-
    platz hinterlegt.

  • Zitat von Jamuna;289520

    Seither habe ich immer einen bereits angefangenen, noch nicht leeren Pen als Ersatzpen in meinem Rucksack.


    Mir wurde gesagt, dass eine bereits angefangene Ampulle Insulin ca. 4 Wochen haltbar ist. Wie machst Du das mit dem Ersatzpen? Das Insulin ist doch dann schon älter als vier Wochen... :confused:

    Kann nicht schlafen, kann nicht essen,
    kann Deine Augen nicht vergessen.
    Die Zeit steht still- Du bist so fern,
    Du fehlst mir so mein kleiner Stern.

  • Hallo Gika,


    selbst bei Dir ist ein Pen bzw. eine Ampulle nach spätestens drei Wochen leer.
    Wenn man den "alten ReservePen" rechtzeitig gegen einen neuen austauscht
    und leer macht, bleibt man in der üblichen Verbrauchszeit ...
    Vorausgesetzt, man nutzt EinwegPens, die angeblich nicht teuerer sind als die
    Ampullen (laut meinem Arzt).


    Gruß - ml


  • Also könnte ich mir auch die Ampulle mit dem restlichen Insulin und Einwegspritzen als Reserve hinterlegen?!

    Kann nicht schlafen, kann nicht essen,
    kann Deine Augen nicht vergessen.
    Die Zeit steht still- Du bist so fern,
    Du fehlst mir so mein kleiner Stern.

  • Einwegspritzen habe ich noch nie in der Hand gehabt. Deshalb weiß ich nicht,
    ob die Skala darauf zu der Konzentration der Insulinampullen kompatibel ist.


    Bei Deinem Vorschlag sehe ich die Gefahr, daß die Restmenge des Insulins
    verfällt. Oder würdest Du das wirklich im Auge behalten?


    Da finde ich es sinnvoller, sich zwischendurch EinwegPens verschreiben zu
    lassen, von denen man immer einen bei sich hat.


    Bald beginnt die Rennrad-Saison mit Tagestouren. Da wären EinmalPens
    sinnvoll. Zu leicht verliert man etwas aus den Rückentaschen des Trikots.