Unterzuckerungen sind mir furchtbar peinlich

  • Gestern war es mal wieder soweit. Ich hatte Dienst, saß in meinem Büro und habe nicht gemerkt, wie mein Blutzucker in den Keller rutschte. Zum Glück haben es andere Kolleginnen mitbekommen. Ich war nicht mehr ansprechbar, aber noch bei Bewußtsein. Eine Kollegin erzählte mir gerade, dass ich unkontrollierte Bewegungen gemacht habe. Nachdem sie mir dann Gummibärchen eingeflößt haben, ging es mir aber bald wieder besser. Heute Nacht habe ich aber furchtbar schlecht geschlafen, weil mir das gestern furchtbar unangenehm, unkontrolliert zu handeln und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Und ich weiß natürlich, dass ich mal wieder zuviel Insulin gezapft habe und die Schuld bei mir liegt.

  • Ich wollte mal hören, ob Euch das auch so unangenehm ist, hilflos und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Man ist ja in so einer Situation nicht mehr sein eigener Herr. Diese Hilflosigkeit kann ich einfach für mich nicht akzeptieren, da ich mein Leben gern selbstbestimmt gestalte. Doch der Zucker hat da manchmal etwas dagegen.

  • Eigentlich klappt bei mir das mit der Berechnung der BEs ja recht gut. Doch wenn ich dann Tage habe, wo ich unerwartet (und manchmal kann ich es einfach nicht vorher sagen) recht viel unterwegs bin (laufe), dann liege ich danach auf der Nase. Dummerweise merke ich das Absacken des Blutzuckers oft nicht und muss von anderen Leuten darauf hingewiesen werden, da ich mich merkwürdig verhalte.

  • Erstmal bist du nicht schuld, wenn du in eine Hypo gerätst. So kann nur einer urteilen, der seinen Blutzucker nicht selbst regeln muss und sich auf seine BSP verlassen kann. ALLE Diabetiker haben hin und wieder Hypos, auch wenn Sie noch so toll darin sind, ihren BZ zu managen. Das lässt sich einfach hin und wieder nicht vermeiden.


    Vielleicht hilft dir deine Kollegin ja gern. Ich weis nicht, wie gut du dich mit ihr verstehst, aber vielleicht kannst du ja mal in einer Pause darüber reden, dass es dir unangenehm ist und wie sie das empfand.


    Möglicherweise würde dir auch ein Hypowahrnehmungstrainig helfen bei dem man lernt, bestimmte Dinge automatisiert zu tun, auch wenn man nicht mehr bewusst handeln kann. Sprich doch mal mit deinem Diabetologen darüber, ob in der Praxis sowas angeboten wird.


    VG

  • Wäre in diesem Fall (neben der persönlichen Einstellung wie TZ nach unerwartet viel "Gerenne" essen) ein CGMS die Option der Wahl? Das gibt dir aktiv einen Alarm wenn du "in den Keller gehst" und da es dir nicht zum ersten mal passiert ... Ja, mir wärs auch unangenehm. Kein Mensch zeigt gern offen (s)eine persönliche Schwäche, auch wenn zu viele kein Problem damit haben sich verbal sowas von zum Affen zu machen...

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    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • Hallo Angsthase,


    besprich mal mit deinem Diabetes-Doc, ob du nicht zu "straff" eigestellt bist, bzw. du dich selber unter Druck stellst, stets gute Werte zu haben. Das war mein Problem, daher habe ich dann (auch auf Grund der langen Krankheitsdauer), meine Hypos kaum noch bemerkt. Wir haben dann meine Zielwerte über einige Zeit höher angesetzt, dadurch habe ich dann auch weniger Insulin gespritzt und hatte so weniger Hypos. Manchmal hatte ich einen BZ von 2,5 mmol und habe immer noch gerade am Schreibtisch gesessen, obwohl ich mich ins Bett hätte legen können und Probleme bei der Sprachfindung hatte. Zum Glück konnte ich mir bis jetzt immer selber helfen. Meine Kollegen wissen zwar alle Bescheid, aber ich weiß nicht, ob sie im Falle eines Falles sich wirklich trauen würden, mir zu helfen (gerade auch mit der Pumpe im Zusammenhang). Seit ich aber Pumpenträger bin, hat sich meine Hypo-Wahrnehmung wieder gebessert und ich merke meine Hypos jetzt schon wieder bei 3,9 mmol.


    Aber rede mal mit deinem Doc, vielleicht findet ihr zusammen eine Lösung. Ich kann dich verstehen, aber peinlich brauchen dir die Hypos nicht sein. Sei lieber stolz auf deine Kollegen, dass sie wissen, was sie machen müssen!

    Satt heißt nicht, dass keine Schokolade mehr reinpasst. :rolleyes:


    8o Schokolade löst keine Probleme, aber das tun Äpfel ja auch nicht.

  • Halloli,


    erstmal zur Grundfrage.
    Mir ist es nicht peinlich auf Fremdhilfe angewiesen zu sein.
    Fehler machen kann jeder in jeder Situation - also auch bei Insulinberechnung und
    toll wenn mir dann jemand hilft und sogar richtig - wie deine Kollegen.
    Mir wäre es eher peinlich, wenn mein Umfeld nicht wüsste - was Sie zu tuen haben oder garnicht helfen wollen.
    Ich fühle mich dann wert geschätzt und beachtet.


    Ansonsten ist eigentlich alles gesagt worden : Hypowahrnehmungstraining - finde ich besonders wichtig
    oder auch eine Coping-Schulung um mal von der psychologischen (nicht Diabetes) Seite zu klären,
    warum Du insulintechnisch so handelst - wie Du es tust und Dich damit in für Dich peinliche Situationen führst.
    Mal so ins Blaue geschossen - man will selbstbestimmt leben, aber manchmal braucht man auch mal Leute, die sich um einen kümmern sollen,
    wie die Kollegen in der Notsituation. Oder nur ein Hilferuf nach Beachtung - nur ein paar Denkanstöße.
    Gruss ... Sabine

  • wie harzhexe schon schreibt oder noch deutlicher: versuche generell jeden UZ zu vermeiden!


    versuche auf Dich zu achten. Den Stress zu reduzieren auf die Anzeichen von Hunger, Durst, Müdigkeit etc. zu achten.


    Dann kommt auch das Gefühl für die UZ wieder und auch aus anderen Gründen wirst Du besser leben.


    z.B. weniger unnötige Aufregung. weniger Gegenregulationen, besserer Schlaf.



    In der Zeit als ich recht niedrig eingestellt war, habe ich auch Probleme mit der Netzhaut bekommen.

    let the sun shine

  • Hallo,


    schwere Unterzuckerungen sind, waren und werden sicherlich auch bei mir immer ein Problem sein.
    Leider habe ich mit den schweren Unterzuckerungen viel Erfahrung, seit ich jedoch eine Pumpe befehlige, ist keine schwere Unterzuckerung mehr eingetreten.
    Du schreibst sehr deutlich, dass - wenn du dich viel bewegst - du schnell auf der Nase liegst.
    Leider ist die Basalversorgung der wichtigere Teil der Therapie und der läßt sich nur mit einer Pumpe genau steuern.
    Ich schrieb das schon vor einigen Tagen, dass man mit Pumpe eine Streuung des Insulinspiegels von Tag zu Tag von ca. 3% erreichen kann. Bei Protamin-versetzten-Verzögerungsinsulin erreicht man eine Streuung des Insulinspiegels von nur ±70%. Bei modernen Basalinsulinen ist die Streunung irgendwo dazwischen.
    Nun schreibst du, dass du dir zuviel Insulin gezapft hast: Aber bist du dir da sicher?
    Kannst du davon ausgehen, dass dein basaler Insulinspiegel eine minimale Streuung hat?
    Wenn du dich in einer Phase mit hohem basalen Insulinspiegel bewegst kippst du schneller auf die Nase, als wenn du dich auf einem minimalen basalen insulinspiegel bewegst.
    Ich habe auch Hypowahrnehmungstrainings nach BGAT und HYPOS gemacht, aber geholfen hat letztendlich nur die Pumpe!
    Heute pumpe ich nur halb soviel basales Insulin in meinen Körper, als wie ich vorher gespritzt habe.
    Im Vergleich ist die Basalversorgung besser, konstanter, als mit den Verzögerungsinsulinen, obwohl ich viel weniger Insulin zuführe.
    Folglich hat eine Hypo viel weniger Power, als bei der Spritzentherapie. Eine Hypo gleitet zumindest bei mir nicht mehr in Hilflosigkeit ab und das schon seit 10 Jahren nicht mehr.
    Und sollte ein Diabetiker schwere Unterzuckerungen haben, ist eine Pumpe indiziert.
    Nicht erschrecken, ich arbeite gerade an meiner Therapie, kämpfe dafür gerade ein Buch durch und dort stehen viele interesante Dinge drin, unter anderem auch solche Geschichten mit den Insulinspiegeln.
    Und bitte dran denken, kommt zu deiner Problematik auch noch Bolusinsulin hinzu, kann sich die Problematik auch noch verstärken. Aus meiner Sicht wäre Hilfe von einem Facharzt ratsam, denn der kann bzw. muss eine Empfehlung z.B. Pumpe unterstützen.

  • Unterzuckerungen mit Peinlichkeitsfaktor kenne ich nur aus meiner über 25 Jahre zurückliegenden Zeit vor der Pumpe. Die Hypos selbst sind mir nicht peinlich, aber das, was ich in der Hypo gemacht habe. Ich erinnere mich daran, als Fahrer mit drei anderen damals Jugendlichen in Schlangenlinien auf allen Spuren der dreispurigen Autobahn gefahren zu sein. Und keiner von den Mitfahrern hat irgendetwas gesagt. Ein anderes Mal, wurde mir später erzählt, habe ich dem Arzt, der gerufen wurde, als ich bewusstlos in der Hypo lag, eine Ohrfeige gegeben. Bei meiner ersten Arbeitsstelle wollte mir der Chef in den ersten Tagen dort etwas erklären und sagte zu mir plötzlich: "Sie schlafen ja ein". Ich konnte trotzdem dort noch ein paar Jahre arbeiten, bis ich selbst gekündigt habe.


    Ich bin echt froh, dass ich solche peinlichen Erlebnisse nur aus der fernen Vergangenheit berichten kann.

  • Ich bin echt froh, dass ich solche peinlichen Erlebnisse nur aus der fernen Vergangenheit berichten kann.


    Hier könnte der Eindruck entstehen, dass ich wegen der Pumpe überhaupt keine Hypos mehr habe. So gut ist eine heutige Pumpe ohne CGM doch noch nicht. Ich habe inzwischen auch gelernt, Traubenzucker viel früher einzuwerfen, als früher und kenne und beachte auch viel mehr Hypomerkmale als früher. Am Anfang habe ich Traubenzucker wie ein Notfallmedikament gesehen, dass ich nur im wirklichen Notfall nehmen sollte.

  • Hallo,


    auch von mir eine ganz persönliche Erfahrung, die nicht mit den Erfahrungen anderer übereinstimmen muss!!!


    Mir ist es in den vergangenen Jahren immer wieder passiert, dass ich, sobald die Hypo angefangen hatte völlig irrational reagiert habe; d.h. ich habe mit aller Gewalt versucht zu verbergen und zu verleugnen, dass ich unterzuckert bin, weil ich in der Hypo ständig das Gefühl hatte, dass andere mcih nicht für voll nehmen, über mich bestimmen... Dies war immer um so schlimmer, je aufgeregter oder lauter die Leute, die mir helfen wollten reagiert haben. Ich war in solchen Momenten auch 100% überzeugt, mir ginge es gut, weil ich die Sprachverzögerungen, weg-nicken etc. oft gar nciht mehr bemerkt habe, bis ich dann umgefallen bin.


    Ich war oft in extrem gefährlichen Situationen und habe mich "bei klarem Kopf" und "bei Normal-Blutzucker" immer gefragt, wie ich so reagieren konnte. Das war der Punkt, der mir dann peinlich war.


    Nach 40 Jharen DM habe ich mich zur Pumpe entschieden und aufgrund einer über die 40 Jahre extremen entwickelten Hypowahrnehmungsstörung dann die Pumpentherapie begonnen. Im Nachhinein die beste Entscheidung meines Lebens.
    Da auch Hypowahrnehmungstrainings und Schulungen zu Ernährung, Sport etc., die ich vor Umstellung auf die Pumpe wahrgenommen habe, keinen Erfolg brachten, nutze ich seitdem parallel auch das CGM.


    Ich denke, dieses Tool ist danneine wahnsinnig sinnvolle Hilfe, wenn es ohne nicht mehr geht.
    Vorher sollte man aber meines Erachtens die Selbsteinschätzung bzgl. Hypos und Hypers anhand von Schulungen, optimaler Einstellung etc. trainieren und diesbezügliche Angebote ausschöpfen, denn das CGM ist für den Selbstzahler eben ein großer Kostenfaktor und auch das CGM (Transmitter) muss bekanntlich regelmäßig an die Ladestation. Eine totale Abhängigkeit darf nicht entstehen.


    Ich bin mit meiner Welt seit der Pumpe (CGM) wieder im Reinen, auch deutlich beretier, Hilfe anzunehmen. Die Anzahl der Hypos ist heute verschwindend gering, der HbA1 ist optimal (zw. 5,9 udn 6,1) und ich gehe mti dem Thema deutlich offener um als vor 20 oder 10 Jahren.


    LG "me"