Ein HbA1c von 9,x% ist sicher verbesserungswürdig, aber ich weiß ja nicht, ob es die beste Idee ist, eine langjährige Diabetikerin mit Dialysepflicht und Hypowahrnehmungsstörung (!) auf eine streng normnahe Einstellung zu peitschen, indem man hohe Werte brutal korrigiert und die Alarmgrenze press an die Hyposchwelle stellt.
Selbst wenn der Sensor oft zu tief misst, es kann auch mal anders herum sein und grade unter Dialyse sollte man mit den Werten sowieso vorsichtiger sein (ist der Libre 2 überhaupt für Dialysepatienten zugelassen ). Vor allem wenn schon Folgeschäden vorhanden sind, sollte man häufige Hypos auf jeden Fall vermeiden und auch eine plötzliche, starke Absenkung des HbA1c kann zu einer Verschlimmerung der Folgeschäden führen.
Insofern mag es auf jeden Fall sinnvoll sein die Libre-Werte blutig zu kontrollieren, ansonsten kann vielleicht ein klein wenig Zurückhaltung bei dem Abgeben von Therapieempfehlungen nicht schaden, vor allem wenn man nicht die gesamte Krankengeschichte kennt.
Nochmal zur Sägezahnkurve.
Hier ist ein Bild von gesunden Probanden aus dem Buch 'CGM interpretieren'.
Im Prinzip sieht deren BZ Kurve doch auch wie ein Sägezahn aus, nur in einem kleineren Zielbereich von 80-120? Zu deren GVI werden leider keine weiteren Aussagen im Buch getroffen
Auch Gesunde haben Schwankungen (möglicherweise sind diese sogar physiologisch wichtig), dementsprechend liegt der GVI eines Gesunden auch nicht bei 1,0 sondern bei < 1,2 (laut Dexcom, die den Wert eingeführt haben). Bei der Grafik sieht man aber auch gut, das die Spitzen nur kurz sind und dazwischen kaum Schwankungen auftreten. Hinzu kommt, dass bei "normaler" Skalierung die Zacken eher kleine Hubbel sind.
Aber es entspricht grob meinem Beispiel rechts oben, dort sind zwar pp-Anstiege drinnen, dazwischen aber fast eine gerade Linie, dementsprechend auch der bessere GVI. Wenn ich mit Gewalt versuche, jeden kleinen Anstieg runterzukorrigieren und damit (bei korrekt gebolten Essen) mir zuviel Insulin spritze, dann entsteht die Wellenkurve auf der linken Seite. Damit hab ich zwar ne gute TIR aber eben nen schlechten GVI. Die Lösung ist, Korrekturen von vorneherein so gut es geht zu vermeiden, sprich die Faktoren und die Basalrate gut austesten und das Essen korrekt zu bolen. Klar das klappt nicht immer, aber mit zu knappen Alarmgrenzen kriegt man nie einen stabilen Zustand hin, weil man zu früh reagiert und aufgrund der langen Insulindauer dann hinten übers Ziel rausschießt.
Um den Bogen zurück zum Ursprungthema zu schlagen, ich habe z.B. tagsüber gar keine Hoch-Alarme weil ich davon ausgehe, dass meine KH-Berechnung überwiegend korrekt ist (abgewogenes Essen) und meine Faktoren gut passen. Erst wenn der Blutzucker spät nach dem Bolus noch hoch bleibt und die Prognose sagt, das Insulin feht, wird vorsichtig korrigiert. Damit ist meine TIR sicher schlechter aber ich komme damit oft in den "gesunden" Bereich des GVI (bei 172g KH/d):