Frischlingsfragen zum Spritzen

  • hei,


    seit kurzen treibe ich mich auch hier rum und habe auch schon einiges gelesen, gelernt und erfahren.


    Nur eines fällt mir auf:
    - anscheinend brauche ich zu viel Insulin!


    Seit ich das Freestyle Libre habe, bin ich relativ stabil, d.h., ich bewege mich gut in meinem Zielbereich (70-180) und dies auch mit fast 90% (momentan 88%) bei 1% Unterzucker und dementsprechend 11% im Überzucker (wobei ich die 230 fast nicht überschreite.


    Nur eines ist seltsam:
    - meine Spritzmengen um mich in diesen Bereich zu halten!


    Z.B., heute, morgen 25 Einheiten HumaLog, gefrühstückt (Sonntags immer ein bißchen besser), mittags 30 Einheiten (bin Knödelfan mit Schweinefleisch, wobei meine Fleischportionen eher Senior sind, plus Naschtisch Erdbeeren mit creme fraiche), dann Kaffee und Kuchen wieder 30 Einheiten (ist eben Sonntag) und zum Abendessen (Vom Grill aber auch nur wenig) 25 Einheiten.
    Sind eben mal 110 Einheiten Bolus plus 30 Einheiten Basal (Lantus morgens gegen 10:00 Uhr) welche abends um 22:00Uhr noch mit 20 für die Nacht ergänzt wird.


    Wenn ich hier so durchlese, erscheint es mir doch sehr viel.


    Seit dem Libre habe ich meinen Langzeitwert aber auf 6,4 senken können (von vorher 8,4), nur meine Insulinmengen sind gestiegen.


    Vielleicht noch erwähnenswert, das ich zwar adipös bin, aber seit einiger Zeit doch etwas abgenommen habe (vorher fast 100 kilo und nun "nur noch 96 kilo" - und versuche weiter runter zu kommen), also am Gewicht sollte es nicht liegen.


    Ist es überhaupt zu viel?


    Wenn ich zurückdenke, angefangen mit 5 Einheiten vor 4 Jahren und jetzt "fresse" ich die Pens, ob das gut ist?


    Wer kann dazu was sagen?


    Und zur Info:
    - Typ 2, mit einigen zusätzlichen Morbiditäten (Copd Stadium IV, chronische Niereninsuffizienz und zwar behandelter Krebs, aber leider etwas mit der Strahlenproktitis kämpfend, sprich Darmprobleme - vor kurzem behandelt mittels Argon Plasma Coagulation)


    Meine Diabetologin meinte nur, wenn du es brauchst, brauchst du es - nur wo ist viel zu viel?

    lg
    Harald alias Flüstermann (nomen est omen)

  • Wenn ich hier so durchlese, erscheint es mir doch sehr viel.

    Vergiss nicht, dass die meisten hier T1 sind und meist ohne Insulinresistenz.

    Wenn ich zurückdenke, angefangen mit 5 Einheiten vor 4 Jahren und jetzt "fresse" ich die Pens, ob das gut ist?

    ich würd mal behaupten, hohe BZ-Werte dauerhaft sind schädlicher.


    Ich habe leider keine Ahnung, was ein T2er mit all deinen "Wehwehchen" so braucht...

  • Grob kann man sagen, dass die benötigten GesamtInsulinmenge vom Gewicht, einer individuellen Komponente und der Insulinresistenz abhängen. Grob wird gesagt, dass der Gesamt-Insulin-Bedarf typischerweise (ohne, oder mit kaum Resistenz) zwischen 0,5 und 1 I.E. pro Kg Körpergewicht liegt. Bei deinen 96 Kg müsste, der typische, Gesamtinsulinbedarf zwischen 48 I.E -96 I.E liegen. Eine große Spanne, die als typisch bezeichnet wird, wie man sehen kann.


    Mit meinem 58 Kg müsste der Gesamtinsulinbedarf, theoretisch, zwischen 29 - 58 I.E. liegen. Das tut es auch, wenn ich die körperliche Bewegung nicht hätte. Ohne Bewegung liegt mein Gesamtinsulinbedarf bei 40 I.E. Aber wenn ich mich viel bewege, was oft vorkommt, reduziert sich der Verbrauch um über 75 %. Und schon ist mein Gesamtinsulinbedarf nicht mehr "typisch"


    Ahsoooo, ich bin Typ-1-Diabetiker.

  • Meine Diabetologin meinte nur, wenn du es brauchst, brauchst du es


    Das sehe ich genau so. Für mein Verständnis gibt es nur ein einziges Kriterium, das aussagt ob du zu viel oder zu wenig spritzt: Deine BZ-Werte! Wenn die stimmen, ist das Ziel erreicht, gleichgültig ob du für eine Mahlzeit nun 2 iE spritzt oder ein halbes Penfill.


    Ich (Typ 2) hab mich am Anfang auch erschrocken. Meine Lebensgefährtin war Typ 3 c, superschlank und sportlich, ständig aktiv. Die Menge, die ich für ein Bier spritzen muss, hätte bei ihr für den ganzen Tag ausgereicht.


    Liebe Grüße vom Arbyter

    Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht!

    Einmal editiert, zuletzt von Arbyter ()

  • Im Prinzip muss man natürlich so viel Insulin spritzen wie es braucht um den BZ im Zielbereich zu halten.
    Aber ich denke es macht trotzdem Sinn zu überlegen ob diese Insulinsummen eine Resistenz anzeigen. Auch weil man ja nicht will dass es sich ins unendliche entwickelt. Ich glaube niedrige Insulinmengen und höhere Empfindlichkeit machen die BZ-Steuerung einfacher: Zum Beispiel wenn der BZ auf Korrekturen schneller reagiert oder der Spritz-Ess-Abstand kürzer ausfallen kann.


    So ganz optimal sind Knödel, Kaffee & Kuchen, Grillen und Nachtisch ja nicht ;) Es ist Sonntag aber wie repräsentativ sind diese Mahlzeiten denn für andere Tage?
    Grünzeug und Ballaststoffe scheinen zu fehlen. Das macht satt und der BZ steigt langsamer an. Vielleicht Sauerkraut zu den Knödeln und Bohnen beim Grillen oder sowas?
    Nimmst du wegen den Darmproblemen beim Fleisch kleinere Portionen? Denn Kohlenhydrate brauchen Insulin, Fett & Protein nicht (so viel).
    Hier im Forum bzw Internet findet man viele Rezepte mit wenig Kohlenhydraten. Auch in diesen Zeitschriften die in den Apotheken immer rumliegen sind oft "low carb" Rezepte drin.
    Die Insulinempfindlichkeit hängt auch vom Gewicht ab, daher ist es gut dass du weiter abnehmen willst.


    Dann gibt es noch die "Up & Down Regulation:" Benötigt man über einige Zeit mehr Insulin dann werden die Zellen insulin-unempfindlicher und man braucht noch mehr Insulin. Diese Spirale kann sich aber auch andersrum drehen: Wenn man weniger Insulin spritzt werden die Zellen empfindlicher für Insulin.
    Wobei man natürlich nicht einfach Insulin weglassen soll, das funktioniert nicht. Sondern die Insulin-tagessummen senken indem man zum Beispiel durch weniger Kohlenhydrate Bolus einspart. Oder sich mehr bewegt, wobei das vielleicht schwierig ist mit Kennzeichen G usw?


  • Im Prinzip muss man natürlich so viel Insulin spritzen wie es braucht um den BZ im Zielbereich zu halten.
    Aber ich denke es macht trotzdem Sinn zu überlegen ob diese Insulinsummen eine Resistenz anzeigen.


    Ich denke mal, bei einem - wie er ja schrieb - Typ2 ist die Resistenz systemimmantent :woot:


    Und ja, es gibt T2er welche mit Faktoren rund um 1:1 (was wohl so im Bereich eines T1 liegen dürfte? - wobei der natürlich aber nicht zusätzlich noch das Eigeninsulin hat), aber auch 5 oder gar 10IE pro BE.


    Das einzige,was ich ein wenig irritiert ist die Verteilung der Gesamt-IE auf Bolus und Basal. Die liegt üblicherweise so "um" die 50:50. Könnte also sein, daß hier einiges an Basal fehlt und durch sehr hohe Bolusdosen ausgeglichen wird.

  • Das einzige,was ich ein wenig irritiert ist die Verteilung der Gesamt-IE auf Bolus und Basal. Die liegt üblicherweise so "um" die 50:50. Könnte also sein, daß hier einiges an Basal fehlt und durch sehr hohe Bolusdosen ausgeglichen wird.


    Unter ICT wird die 50:50 Regel selten eingehalten, auch nicht bei T1.
    Oft liegt es an an der Wirkkurve des Basal, welcher nicht zu 100 % zum benötigten Basalbedarf passt.
    Es fließt also fast immer Bolus in die Basalversorgung ein.

    Einmal editiert, zuletzt von nikp ()

  • Moin Flüstermann,


    ich gebe mal meinen Senf dazu, da es mir (als Typ 1) vor einiger Zeit auch so ging. Bei mir war es so:
    - vor Jahren stabil, 30 Regel, 2,5 IE/BE, je 20 Einheiten Langzeit morgens/abends. Das führte zu so 80 Einheiten Insulin am Tag.
    - das wurde schleichend immer mehr. Am Ende war es eher eine 60er Regel, 3,5 IE/BE und 35 Einheiten Langzeit. Das führt dann zu fast 150 Einheiten Insulin am Tag.
    - Es hatte sich also schleichend fast verdoppelt, obwohl im Prinzip alles beim Alten war.


    Als ich dann an einem Tag wie jedem Anderen ein plötzlich auftretendes Hypo-Erlebnis, welches ich mir so gar nicht erklären konnte, hatte, bin ich direkt zum Diabetologen spaziert und hab mich mal durchchecken lassenn.


    Das Ergebnis: Wiederholtes Spritzenkopfwiederverwenden und zu seltenes Spritzstellenwechseln führte zu Fetteinlagerungen, welche das Insulin "mitfraßen". Der plötzliche Unterzucker kam zu Stande, weil ich mal eine "normale" Stelle erwischte und die 27 Einheiten Kurzzeit viel zu viel waren.


    Lange Rede, kurzer Sinn:
    Wenn du dir das bei dir auch vorstellen kannst, könntest du es mal testen, indem du an einer komplett anderen Stelle spritzt. (Oberer Bauch, weit überm Bauchnabel, beispielsweise)


    viele Grüße
    grosb


    PS: Nachdem ich konsequent die alten Stellen gemieden habe, kamen auch die alten Faktoren usw. wieder. Und das nicth schleichend, sondern von jetzt auf morgen :)

    Using FSL

  • Das einzige,was ich ein wenig irritiert ist die Verteilung der Gesamt-IE auf Bolus und Basal. Die liegt üblicherweise so "um" die 50:50.


    Aber auch da greift ja noch die Eigenproduktion. Ich liege im Schnitt auch bei einer Verteilung von knapp 30 % Basal und gut 70 % Bolus. Funktioniert bestens (wenn ich nicht gerade mal wieder Mist baue).


    Liebe Grüße vom Arbyter

    Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht!

  • War ja auch eine sehr KH-reiche Ernährung an dem Tag...



    Durchaus vorstellbar, dass ein Auslassversuch zu einem näher an die 50:50 Regel führt.


    Ergänzung:
    Aber, es müsste, besonders bei Typ 2, die Eigenprodukton bedacht werden. Diese ist zu meist, bei Typ-2, sehr beachtlich.

    Einmal editiert, zuletzt von nikp ()

  • Sind eben mal 110 Einheiten Bolus plus 30 Einheiten Basal


    Man rechnet den Insulinbedarf grob nach Gewicht und zwar mit 0,5 bis 1 IE pro Kilo. Bei Dir wären es also etwa 50 bis 100 Einheiten. Das ist aber natürlich nur eine Richtschnur, man kann auch darüber oder darunter liegen. Ich kann Dir sagen, dass hohe Insulinsensiblität auch nicht immer angenehm ist (ich brauche 20IE/Tag auf 60kg) aber ausser dass man ziemlich genau schätzen muss, ist es eher unschädlich.


    Die hohen Dosen bei Dir kommen sehr wahrscheinlich durch eine Insulinresistenz, welcher die Ursache für Typ 2 ist. Es besteht die Gefahr, dass sich diese immer weiter verstärkt und es immer höhere Dosen werden. Gegen die Resistenz kann man als Typ 2 im Prinzip nur mit Bewegung und kohlehydratarmer Ernährung ankämpfen. Da Du vermutlich nicht "sporttauglich" bist, könnte aber auf jeden Fall moderate Alltagsbewegung (Schrittzähler) helfen und natürlich die Ernährung.
    Das Problem immer höhere Insulindosen liegt auch darin, dass Insulin die Fettverbrennung hemmt, es wird immer auch als "Masthormon" bezeichnet. Das macht es schwer, an Gewicht abzunehmen und verstärkt so den Typ 2.
    Natürlich soll man die Insulinzufuhr an den BZ Werten messen und nicht höhere Werte in Kauf nehmen um weniger Insulin zu brauchen, aber aus o.g. Gründen kann man als Typ2 den Insulingesamtverbrauch nicht völlig ignorieren.

  • Meine Diabetologin meinte nur, wenn du es brauchst, brauchst du es - nur wo ist viel zu viel?

    Deine Diabetologin hat Recht. Sieh es mal so: es gibt Diabetiker, die brauchen so viel Insulin, dass dafür mittlerweile U500 hergestellt wird, d.h. in einem Milliliter sind 500 I.E. enthalten.
    https://www.humulin.com/


    Für DM2 ist eine TDD (Total Daily Dose) von 140 nichts außergewöhnliches.


    Viele Grüße,
    Jörg

  • so vielen Dank erstmal für eure Antworten,


    und ja, anscheinend zeigt sich, das ich immer mehr von dem -wie meine Frau sagt- Kuhstallzeugs brauche!


    Natürlich ist der Sonntag immer ein bißchen der Sündentag (obwohl auch viel Grünzeugs dabei ist und ich meinen Fleisch und Wurstkonsum wegen den Nieren einschränke) aber ein bißchen Genuss möchte ich doch noch haben.


    Ein Problem ist sicherlich auch meine körperliche Inaktivität, aber wenn man meine Einschränkungen ansieht, verständlich. Versuche dem etwas gegenzuarbeiten, habe mir nun eine Kraftstation mit Bank und Klimmstange, sowie eine reine Bank gekauft und auch den Stepper wieder aktiviert, bzw. bin noch dabei dies aufzubauen um den inneren Schweinehund nicht nachgeben zu müssen (wenn du dir das Zeugs kauft und es nur rumsteht, kriegste mit mir -Frau!- Probleme).
    Das mit dem Hund ist auch in Arbeit (und wer macht den Dreck weg -wieder Frau, da wir eigentlich immer einen hatten aber der Letzte ist doch schon 5 Jahre her und meine Frau schon wegen der Katze und den Haaren sich immer beschwert, was zudem für mich als Allergiker auch nicht ohne ist, ich bezeichne es aber als schleichende Iimmunisierung).
    Zudem bin ich zwar noch berufstätig, leider meist nur im Büro und wenn draußen dann im Auto und auch nur zu Kundengesprächen oder um den Leuten etwas nachzubringen, also auch nicht so der körperliche Einsatz.


    Und speziell an Jörg Möller: gibt es eigentlich eine neue Version der Diabetes Info?


    Werde auf jeden Fall versuchen, mein Gewicht langsam aber stetig zu senken. Denke das wird auf Dauer auch etwas bewirken (und ich selbst spüre unmittelbar mit meiner Luft jedes Kilo).
    Auch die Ernährung werde ich versuchen mehr auf Low Carb hin zu bringen.


    Und dann hoffe ich, das die Mengen wieder weniger werden (wobei meine Einstellung momentan doch super ist, wenn ich so an früher denke mit den Ausreißern über 500 und den lang anhaltenden Werten über 300). Daher, wenn nötig, dann ist es eben nötig (vom HumaLog habe ich sowieso schon die 200er).


    Sobald ich auch hier etwas mehr erfahren bin, werde ich meine Werte auch mal reinstellen, nicht nur schreiben.


    Bis dahin nochmal danke für die aufklärenden und auch aufmunternden Beiträge,

    lg
    Harald alias Flüstermann (nomen est omen)

  • Und speziell an Jörg Möller: gibt es eigentlich eine neue Version der Diabetes Info?

    Nein, weil die Infos da immer noch aktuell sind. Das ist ja keine Seite á la "Was gibt es neues?", sondern eher eine Seite á la "Wie funktioniert das eigentlich?". Diabetes Basics eben.
    Die wird im Lauf der Zeit immer nur ergänzt (demnächst im Urlaub kommt noch ein Artikel über die SGLT-2 Hemmer dazu)


    Viele Grüße,
    Jörg