Welche Erfahrungswerte gibt es z. Wirkabnahme von Insulinanaloga?

  • Hallo zusammen,


    aus aktuellem Anlass, hier eine Anfrage an die Pharmakologen unter uns.
    Gibt es Erfahrungswerte wieviel Wirkverlust nach welcher Zeit z. B. Novo Rapid außerhalb vom Kühlschrank hat?


    Viele Grüße an alle
    Eva

    Easy come, easy go.

  • Novorapid wird bei Körperwärme (also so >30°C) mit ca. 6 Tagen angeben.
    Bei Zimmertemperatur wesentlich länger... im Kühli ewig?


    Bei meiner Pumpenhotline, empfahlen sie mir Insulin was länger als 24-48h am Körper war (also z.B. im Tank) nicht wiederzuverwenden.


    LG Wildrose

    Leg Dich nicht mit Zucker an, er ist raffiniert! :bigg

  • Zitat von sera;414511


    aus aktuellem Anlass, hier eine Anfrage an die Pharmakologen unter uns.
    Gibt es Erfahrungswerte wieviel Wirkverlust nach welcher Zeit z. B. Novo Rapid außerhalb vom Kühlschrank hat?


    Hmmm, ich bin zwar kein Pharmakologe, und mit Novorapid habe ich auch keine Erfahrung, aber mit Humalog, das sich bei mir diverse Monate lang (Haltbarkeitsdatum abgelaufen) außerhalb des Kühlis im Pen befand, habe ich keine signifikant auffallenden Wirkverluste bemerkt.


    Mit der Insulindegradierung ohne Kühlung wird es halt gerne übertrieben. Aber mach doch einfach mal selbst ein paar Versuche?


    Penampulle im Bücherregal deponieren und nach einem halben Jahr, bei stabiler Stoffwechsellage, den BZ hochbringen und dann gezielt korrigieren.


    Ich vermute, Du wirst staunen.


    Gruß
    Joa

  • Ich kann bei meinem Notfall-Novorapid selbst nach Monaten keinen Wirkverlust feststellen.
    Was ist/war denn der aktuelle Anlass?

    Liebe Grüße
    butterfly



    "Insulin is a remedy primarily for the wise and not for the foolish, whether they be patients or doctors."
    Elliot Proctor Joslin, 1923 (Pionier der Insulintherapie)

  • Der aktuelle Anlass war eine böse Entgleisung. Fehlerquelle kann nur noch das Insulin gewesen sein, was bereits paar Tage am Körper in der Animas war und dann für 30 Tage in die Schublade verbannt wurde. Beim Wiederanlegen wirkte es kaum mehr.


    Joa
    Ich hätte präzisieren sollen, Insulin, was bereits Körperwärme abbekommen hat.
    Sonst stimme ich dir völlig zu, mein Insulin lagerte immer bei Zimmertemperatur ohne, dass etwas war. Nur diese Geschichte hat mich ein wenig vorsichtiger werden lassen.

    Easy come, easy go.

  • War im Februar in Chile und da gab es leider keinen Kühlschrank in der Unterkunft und zumindest tagsüber über 30°C, in der Atacama wohl auch an die 40°C denk ich. Waren knapp 3 Wochen und ich konnte dort und auch hinterher noch keinen Wirkverlust bei meinem Novorapid feststellen, obwohl ich mir schon etwas Sorgen gemacht hatte.

    PS: Habe so gut es geht mit Wasser und sonstigen existierenden begrenzten Mitteln versucht das zu lagernde Insulin halbwegs "kühl" zu halten, vielleicht hab ich einfach nur Glück gehabt und es ist gerade noch im Temperaturrahmen geblieben, wer weiß.

  • Zitat von sera;414575

    Der aktuelle Anlass war eine böse Entgleisung. Fehlerquelle kann nur noch das Insulin gewesen sein, was bereits paar Tage am Körper in der Animas war und dann für 30 Tage in die Schublade verbannt wurde. Beim Wiederanlegen wirkte es kaum mehr.


    Also das würde ich eigentlich auch nicht als so problematisch erwarten, dass es zu bösen Entgleisungen führt.


    Klar, mir ist auch schon Insulin in der Pumpe verkocht. Da hatte es aber für längere Zeit eine thermometerabgelesene Umgebungstemperatur über 55 Grad im Auto.
    Geri z.B. macht ja auch, afaik, in NovoRapid. Er transportierte seinen Insulinvorrat auch ungekühlt diverse Wochen lang durch tropische Regionen.


    Vielleicht gab es doch noch einen anderen/weiteren Grund für die Entgleisung?


    Gruß
    Joa

  • Zitat von Joa;414578


    Vielleicht gab es doch noch einen anderen/weiteren Grund für die Entgleisung?


    Oder ein Zusammentreffen von diversen Ursachen. Das Ding ist nur, wenn jahrelang erprobte Lösungen nicht zum erwünschten Ergebnis führen, ist das erstmal beunruhigend. Na, ja solange das ein Einzelvorfall war, kann ich's abhaken.


    Danke Euch allen für die schnellen Reaktionen

    Easy come, easy go.

  • Ich, für meinen Teil, könnte mir vorstellen, daß das Insulin, welches anscheinend in der abgelegten Insulinpumpe die Zeit in der Schublade verbracht hat, mit dem Kunststoff/Plastikmaterial der Pumpenampulle/Reservoir reagiert hat. Ich stellte mal fest, das der Schlauch meiner Pumpe nach mehrmaligen Verwenden immer starrer wurde, er war nicht mehr so flexibel wie ein neuer Schlauch.

    Stolpern und Hinfallen ist keine Schande.
    Nicht wieder Aufstehen und Liegenbleiben schon.

  • Da Insulin ein Protein ist, halte ich es für Unwahrscheinlich, dass es mit dem Kunststoff reagiert. Da hätte ich eher einen anderen Inhaltsstoff, nämlich bei einigen Insulinen m-Cresol im Verdacht, der Schuldige zu sein.

    Viele Grüße
    Sebastian

  • Zitat von MUC;414656

    Ich stellte mal fest, das der Schlauch meiner Pumpe nach mehrmaligen Verwenden immer starrer wurde, er war nicht mehr so flexibel wie ein neuer Schlauch.


    Dat haben alte Schläuche so an sich:D

    Beste Grüsse,
    Akina


    "Es scheint mir, dass der Versuch der Natur, auf dieser Erde ein denkendes Wesen hervorzubringen, gescheitert ist "
    (M.Born)

  • Allgemein heißt es unter Diabetologen, dass das Insulin in einem Temperaturbereich von 20-35 Grad pro Monat 1% an Wirkung verliert. Das heißt, dass selbst bei einer halbjährigen Rucksackreise in tropischen oder subtropischen Weltgegenden keine Kühlung des Insulins erforderlich ist, da der Wirkungsverlust in dieser Zeit nicht mehr als 5-6% beträgt, und das ist so gut wie nicht bemerkbar. Bei höheren Durchschnittstemperaturen, und diese sind selten auf unserer Welt, wird der Wirkungsverlust etwas höher liegen, aber auch nicht bedrohlich. Es gilt, dass Insulin nicht abrupt unbrauchbar wird, sondern langsam und stetig an Wirkung verliert, was man im Notfall durch eine kleine Dosisanpassung ausgleichen kann. Eine solche Dosisanpassung wird aber so gut wie nie erforderlich sein.
    Irgendwo wird es wohl eine Temperatur-Grenze geben, über der Insulin tatsächlich zerstört wird. Diese konnte ich bis jetzt nicht herausfinden. Bei einer 3-monatigen Fahrradreise durch die Sahara und den Sahel, Insulin ungekühlt im Rucksack am Gepäcksträger, bis 46 Grad im Schatten, konnte ich keinen Wirkungsverlust feststellen.


    Vorsichtiger wäre ich beim Einfrieren von Insulin. Hier gibt es zumindest einen Bericht einer Schweizer Bergsteigerin, dass das Insulin nach dem Gefrieren kaputt war. Dem entgegen stehen die Berichte von Will Cross und meine eigenen Erfahrungen, dass nach dem Auftauen des Insulins kein Wirkungsverlust zu bemerken war. Vorsichtig bin ich hier aber trotzdem, denn was einige Male klappt, muss nicht immer klappen. Und beim Einfrieren geht es nicht um langsamen kontinuierlichen Wirkungsverlust, der ausgleichbar ist, hier steht die Gefahr plötzlicher Zerstörung im Raum.


    Liebe Grüße


    Geri

  • Zitat von Geri;414687

    Allgemein heißt es unter Diabetologen, dass das Insulin in einem Temperaturbereich von 20-35 Grad pro Monat 1% an Wirkung verliert.


    Diesen Wirkverlust würde ich wohl eher bei 35 Grad erwarten. Bei 20 Grad würde ich dann eher an 0,xxx % denken.

    Zitat

    Bei höheren Durchschnittstemperaturen, und diese sind selten auf unserer Welt, wird der Wirkungsverlust etwas höher liegen, aber auch nicht bedrohlich.


    Die Durchschnittstemperatur halte ich nicht für den relevanten Punkt, sondern die Frage der Spitzenbelastung.

    Zitat

    Es gilt, dass Insulin nicht abrupt unbrauchbar wird, sondern langsam und stetig an Wirkung verliert


    Yep, bei Temperaturen unterhalb des Gerinnungspunktes der Insulinmoleküle. Da Insulin ein Eiweißmolekül ist, kann man sich das bildlich wie bei Eiern vorstellen.


    Lagert man die bei 38 Grad, fangen sie irgendwann an zu stinken, behalten aber ihre Konsistenz bei. Gibt man sie aber 10 Minuten in den Eierkocher mutieren sie zu golfballartigen Gebilden. Unstabilisiertes Eiweiß gerinnt bei 42 Grad, weshalb Fieberthermometer da eine Obergrenze haben.

    Zitat

    was man im Notfall durch eine kleine Dosisanpassung ausgleichen kann. Eine solche Dosisanpassung wird aber so gut wie nie erforderlich sein.


    Das mag auch auf die Therapieformulierung ankommen. Insbesondere unter ICT hast Du i.d.R. noch einen automatischen Regelkreis am Start, der Wirkverluste in gewissem Rahmen ausgleichen kann. Im normalen Fall gibt es noch ein Potenzial zur Up-Regulation der Rezeptoren, die dann einfach im Verhältnis eines langsamen, theramisch bedingten Wirkungsverlustes, ihre Anzahl erhöhen können. Womit der Verlust unauffällig kompensiert werden kann.

    Zitat

    ... Irgendwo wird es wohl eine Temperatur-Grenze geben, über der Insulin tatsächlich zerstört wird. Diese konnte ich bis jetzt nicht herausfinden ...


    Um mal wieder Frau Dr. Austenat aus 1988 zu zitieren:
    "45 Grad" laut Hoechst". Zumindest gab Hoechst an, dass ihr H-Tronin (Spalte 3, unten) bis zu dieser Temperatur gerinnungsstabil bleibe. Da wird es sicher auch noch Luft nach oben gehabt haben. H-Tronin wurde später zu Insuman Infusat (Sanofi) umgetauft und war das erste speziell für die Pumpe thermisch stabilisierte Insulin.
    Apidra, Humalog und NovoRapid sind gelten ebenfalls als pumpenstabil, sollten also auch entsprechend höhere Temperaturen vertragen.
    Wie bereits vorgehend zeigte Humalog in der Pumpe bei mir nach ca. 1h zischen 50 und 60 Grad keine erkennbare Wirkung mehr. :11weinen2:

    Zitat

    Bei einer 3-monatigen Fahrradreise durch die Sahara und den Sahel, Insulin ungekühlt im Rucksack am Gepäcksträger, bis 46 Grad im Schatten, konnte ich keinen Wirkungsverlust feststellen.


    Beeindruckend! :cool: :) :6yes:


    Gruß
    Joa

  • Zitat von Joa;414746

    Diesen Wirkverlust würde ich wohl eher bei 35 Grad erwarten. Bei 20 Grad würde ich dann eher an 0,xxx % denken.


    Ich habe letztes Jahr im August eine Pen-Patrone Novorapid als Ersatz in meine Handtasche getan. Ich weiß nicht mehr, wie lange sie dadrin war, ich würde aber sagen höchstens 3-4 Monate. Als ich sie dann benutzen wollte (in der Pumpe) hatte ich den ganzen Tag Werte über 200mg/dl und die haben sich auch nur seeeeeehr schwierig korrigieren lassen. Ich hab das Insulin dann gewechselt (Schlauch ûnd Katheter nicht, habe den Schlauch aber neu gefüllt), von da an war alles wieder normal. Besonders hohe oder niedrige Temperaturen hat es nicht abbekommen in den 3-4 Monaten.


    Vielleicht warens aber auch irgendwelche anderen Faktoren außer der Temperatur, die dem Insulin irgendwie geschadet haben.

    „Soll ich den Notarzt rufen?“ – „Nein, das ist ein Fall für Spezialisten, rufen Sie die Gummibärenbande!“ (diabetes-leben.com)


  • Zitat von TryHarderFish;414778

    Ich habe letztes Jahr im August eine Pen-Patrone Novorapid als Ersatz in meine Handtasche getan. Ich weiß nicht mehr, wie lange sie dadrin war, ich würde aber sagen höchstens 3-4 Monate. .


    Genauso einen Pen habe ich auch immer, meistens (wenn ich dran denke) ziehe ich sie nach spätestens einem halben Jahr in einen Pod auf. Bisher habe ich nie Wirkprobleme gehabt.
    Eine andere Variante ist, das ich 200 IE rausziehe und die anderen 100 im Pen lasse (das reicht ja i.d.R. für den Notfall) und diese 100 dann irgendwann in einem Insulinfläschen untermische - das nie 100% altes Insulin in der Pumpe landen, aber auch nichts verworfen wird.


    LG Wildrose

    Leg Dich nicht mit Zucker an, er ist raffiniert! :bigg

  • Zitat von TryHarderFish;414778

    Ich habe letztes Jahr im August eine Pen-Patrone Novorapid als Ersatz in meine Handtasche getan ...


    Ich habe auch schon den Pen gut ein Jahr lang im Rucksack mitgeschleift, ohne dass mir eine Wrikungseinbuße auffiel. Ok, ich habe da nicht genauer drauf geachtet... .


    Gruß
    Joa

  • Zitat

    Diesen Wirkverlust würde ich wohl eher bei 35 Grad erwarten. Bei 20 Grad würde ich dann eher an 0,xxx % denken.

    Ja, das sehe ich genauso. Da ich solche Prozentwerte für den Wirkungsverlust nicht selbst austesten kann, habe ich diese von Diabetologen bekommen. Und ich hatte auch das Gefühl, dass diese schon sehr sehr vorsichtig formuliert waren. Trotzdem wollte ich dies hier erwähnen, denn selbst diese übervorsichtigen Angaben geben ein großes Maß an Freiheit, während die Beipacktexte nichts als unnötige Panik verbreiten und die Diabetiker total verunsichern. Auch hier im Forum ist bei einem 3-tägigen Open Air-Festival oder bei einem Strandurlaub mit Hotel von Kühltaschen und Frio die Rede.


    Zitat

    Die Durchschnittstemperatur halte ich nicht für den relevanten Punkt, sondern die Frage der Spitzenbelastung.

    Das hat mich auch überrascht, aber sowohl Diabetologen als auch Hersteller meinen, dass die Durchschnittstemperatur entscheidend ist. Das gilt natürlich nur so lange, als die Spitzenbelastung unter jenem Wert bleibt, der das Insulin im Nu killt.
    Wo dieser Grenzwert liegt, ab dem das Insulin zerstört wird, würde mich echt interessieren. Du hast immerhin einen Wert von 45 Grad erhalten und wie du sagst, wird da noch Luft nach oben sein. Das auszutesten ist sicher schwierig. Eigentlich sollten das die Herstellerfirmen für uns tun anstatt Panik mit absurden Beipacktexten zu verbreiten.
    Welche Temperatur das Insulin aushalten musste, wenn ich bei 46 Grad im Schatten mit dem Rad ohne Schatten dahinfuhr, das kann ich einfach nicht sagen.


    Ich habe gesagt:

    Zitat

    Eine solche Dosisanpassung wird aber so gut wie nie erforderlich sein.

    Natürlich würde ich die Dosis bei zB. 5% Wirkungsverlust anpassen, wenn ich heute die Basis mit 27 IE spritze und morgen eine Ampulle einlege, die 6 Monate herumgelegen ist. Doch das passiert so in der Praxis nie. Wenn ich 6 Monate auf Reisen bin, muss ich zwischendurch derart viele Therapieanpassungen und Algorithmenänderungen durchführen (wegen starkem Gewichtsverlust, Klimaänderung, viel oder wenig Bewegung), oft täglich, dass eine Dosisanpassung wegen Wirkungsverlust defacto nicht ins Gewicht fällt.


    Liebe Grüße


    Geri

  • Zitat von Joa;414746


    Apidra, Humalog und NovoRapid sind gelten ebenfalls als pumpenstabil, sollten also auch entsprechend höhere Temperaturen vertragen.


    Mir ist jetzt das erste Mal das Wort pumpenstabil untergekommen. Daraus und aus der Tatsache, dass mir Lantus mal auf einer Fensterbank über einer Heizung in einer Stunde ausgeflockt ist, würde ich schließen, dass sich kurz- und langwirkende Analoga dabei unterscheiden. Bzw. die Hersteller die kurzwirkenden Insuline für die Pumpe extra stabilisieren? :confused:
    Wieder was gelernt. :6yes:


    Lg, Hubi

    "Sing this corrosion to me!"

    (Stoßseufzer eines unbekannten Seglers)

  • Zitat von Joa;414788

    Ich habe auch schon den Pen gut ein Jahr lang im Rucksack mitgeschleift, ohne dass mir eine Wrikungseinbuße auffiel. Ok, ich habe da nicht genauer drauf geachtet... .


    Gruß
    Joa


    Ist es möglich, dass besonders insulinsensitive Menschen jede Schwankung stärker bemerken als jemand, der vielleicht eh größere Mengen Insulin abruft?
    Von daher wäre die Wirkabnahme in jedem Fall richtig, nur eben mit jeweils anderen Folgen.

    Easy come, easy go.