Zusammenhang Glucose, Bewegung, Restfunktion

  • Mir ist in den letzten Wochen beim Austesten verschiedenster Lebensmittel bzw. Mahlzeiten zu unterschiedlichsten Tageszeiten aufgefallen, dass ich durch längeres Gehen nach einer Mahlzeit den BZ-Spiegel entweder abfangen oder auch senken kann, je nachdem wieviel Zeit halt vergeht zwischen Essen und Gehen. Dem Ess-Geh-Abstand quasi :-)


    So weit, so normal und logisch.


    Einzig den Zusammenhang habe ich nicht ganz durchschaut:

    Passiert das, weil ich die aufgenommene Glucose quasi sofort verbrauche, bevor sie in den Zellen abgelagert werden kann? Oder unterstützt die Bewegung die noch vorhandene Eigenproduktion meiner BSD? Oder ist es eine Kombination aus beidem?


    Falls die Eigenproduktion da die Hand im Spiel hat, müsste der Faktor Bewegung bei T1 ohne Restfunktion ja entweder gar nicht vorhanden sein oder geringer ausfallen. Ist das bei euch so?


    Zur Verdeutlichung: ich rede von einer Senkung um gute 40 mg/dl innerhalb von 30 Minuten normalem Gehen (kein Spaziergang, kein olympisches Gehen). Bei anderem Sport (Kardioworkout im aeroben Bereich o. ä.) ist der Effekt lange nicht so krass wie bei Gehen.


    Disclaimer: ich glaube nicht an die Neuentdeckung von Gehen als Heilung des Diabetes, falls mich jemand so verstanden haben sollte :bigg

  • Bewegung stimuliert generell die Wirkung von Insulin (Insulinsensivität steigt). Das ist ja das perfide. Man sitzt im Büro, spritzt seinen Bolus zum Essen. Und drei Stunden später sitzt man aufs Rad nach Hause und wird quasi in den Graben gezogen weil irgendwelche Reste noch überstimuliert werden.


    Bewegung zieht allerdings auch Glukose aus dem Gewebe, wo die Libre und Dexcom Sensoren sitzen. D.h es sinkt der Gewebezucker, während der Blutzucker aber stabil bleibt. Beim Libre war dieser Effekt bei mir so extrem, dass ich damit kein Sport machen konnte vor lauter scheinbaren Hypos. Mit dem Dexcom passt das.


    Es gibt aber auch Basalinsuline, z.B. das Lantus, das durch Bewegung etwas aktiviert wird und schneller ins Blut geht und dadurch stärker wirkt.


    Aber es gibt auch eine insulin-unabhängige Stimulation durch Muskelkontraktion. D.h. man kann durch Kraftsport oder intensiven Ausdauersport seinen BZ senken, ganz ohne Insulin (Glut4 Aktivierung durch Muskelkontraktion)


    Der Eigenproduktion ist das egal. Diese kann man nur etwas stimulieren, wenn man anti-entzündlich isst, also weniger Gluten & einfach ungesättigte Fette.


    Interessantes Thema für dich: schau mal hier nach dem thema "Gaba". Ich habe da interessante Studien verlinkt. Gerade als LADA hochinteressant.

  • Disclaimer: ich glaube nicht an die Neuentdeckung von Gehen als Heilung des Diabetes, falls mich jemand so verstanden haben sollte :bigg

    Als Heilung nicht, aber als Teil der Basistherapie, bestehend aus Bewegung und gesündere Ernährung.
    Was Bewegung damit zu tun hat, hab ich mal hier erklärt: https://www.diabetesinfo.de/ei…er/bewegung/bewegung.html
    Kurz zusammengefasst: wenn man die Muskeln bewegt, entleeren sich deren Energiespeicher. Und in dem Zustand bewirkt ein Insulinmolekül, dass mehr Glukose in die Zelle eintreten kann, als wenn die Speicher noch gut gefüllt sind.


    Viele Grüße
    Jörg

  • Das würde bedeuten, dass durch die Bewegung mein Basalinsulin aktiviert wird? Denn einen Bolus spritze ich ja nicht. Und das um gute 40 mg/dl bei so geringer Bewegung wie Gehen?


    Ich hatte tatsächlich über der Anschaffung eines Fahrrades nachgedacht, die neu entstandene Beweglichkeit will ja ausgenutzt werden :-)

    Aber wenn das noch mehr zuschlägt...


    Ich war am Sonntag drei Stunden unterwegs, wirklich nur rumspaziert, 5 km in der Zeit. Trotz einem mit Absicht kohlenhydratreichen Mittagessen musste ich unterwegs eine ganze Birne essen, um nicht komplett abzutauchen.


    Deine links suche ich mal, danke!

  • Der Körper unterscheidet nicht ob Basalinsulin, Bolusinsulin oder aus der Bauchspeicheldrüse. Dem Körper ist es egal was drauf steht, hauptsache Insulin.

  • Genau das. Ist eine Chance wie auch eine Gefahr. Wer soviel Basal setzt, dass man nach kaum 8h auf dem Bürostuhl "Strich" läuft, der hat ein Problem bei Bewegung. Oder muss Basal reduzieren bzw. gegen Sport zunächst "anfressen" um den BZ in einem normalen Bereich zu halten.

    --
    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • BZ fällt beim aeroben Training

    BZ steigt beim anaeroben Training


    Es kommt auch auf die Intensität der Bewegung an.


    Zellen benötigen Energie in Form von Glucose um zu funktionieren. Bei Bewegung sind es die Muskelzellen die davon profitieren. D. h. die Glucose im Blut muss in die Muskelzellen gelangen und dort verbrauchst du sie.


    Bei starker oder lang anhaltender Belastung wird in der Muskulatur besonders viel Energie, sprich Blutzucker, benötigt. Ist im Blut irgendwann nicht mehr genügend Glukose vorhanden, schwenkt der Körper auf Energiereserven um – zunächst auf die Glykogenspeicher in Muskeln und Leber. Sind alle Glykogenspeicher aus Muskeln und Leber aufgebraucht und es kommt nicht genügend Nachschub über die Ernährung, z. B. über ein Glukosegel, und die Fettverbrennung kommt dem Energieverbrauch nicht hinterher, dann kann es zu einem Energiemangel kommen.


    Die Regelung und Zusammenhänge sind sehr komplex und jeder reagiert anders. Hier hast du einen kleinen Überblick darüber:


    https://www.diabinfo.de/leben/…etes-im-alltag/sport.html


    Hier noch wissenschaftlicher:


    Diabetes, Sport und Bewegung.pdf


    Diplomarbeit_Robin_Jakob.pdf

  • Das würde bedeuten, dass durch die Bewegung mein Basalinsulin aktiviert wird? Denn einen Bolus spritze ich ja nicht. Und das um gute 40 mg/dl bei so geringer Bewegung wie Gehen?

    Insulin muss nicht aktiviert werden. Wenn Du es gespritzt hast, wird es irgendwann auch im Blut landen. Von da geht es direkt in die Zellen. Auf die Art des Insulins kommt es nicht an, im Blut ist es einfach nur Insulin und kann als solches wirken.

    Und insbesondere bei geringer Belastung wirkt es BZ-Senkend, weil es dann größere Auswirkungen hat. Das erlaubt auch den Umkehrschluss: wenn man sich richtig körperlich auspowert, kann der BZ auch ansteigen, weil das für den Körper Stress ist und die Stresshormone auch gespeicherte Glukose freisetzen, bzw. die Leber dazu anregen neue Glukose aufzubauen (das nennt sich dann Gluconeogenese).


    Viele Grüße
    Jörg

  • Ich hatte bei Lantus damals dss Problem, dass ich schnell unterzuckert bin bei etwas Bewegung. Bei Toujeo war das nicht so. Nur wenn Bolusinsulin aktiv war.


    Mittlerweile mit Pumpe ist es so, dass es sehr auf die Insulinsensibilität ankommt. Mal unterzuckere ich, mal nicht.


    Wenn es bei dir vorhersehbar ist, kannst du es gut nutzen. Es gibt immer mal wieder Berichte, dass Menschen mit Diabetes (mit Restfunktion als bspw. Lada) sich den Bewegungstrick zu nutzen machen um kein Bolus spritzen zu müssen für eine Mahlzeit. Aber irgendwann geht das nicht mehr.


    Bei jemanden wie mir, ist die Auswirkung von Bewegung auf den BZ unterschiedlich und das macht die ganze Einstellung eher schwieriger.


    Übrigens zählt bei mir auch 10min Fußweg oder Rad fahren schon zu den z.T. deutlich BZ senkenden Bewegungsarten.

  • Bitte berücksichtigt dass es hier um LADA mit ziemlicher Restproduktion handelt! Die üblichen T1 Tipps sind ziemlicher Quark.


    Normales Basalinsulin wirkt stärker bei Bewegung.

    Lantus wirkt aber nochmals stärker, weil es aktiviert wird bei Bewegung, es geht schneller ins Blut. Hier wäre Levemir oder Tresiba stabiler.


    Wie hoch ist denn die Basaldosis?


    Gerade als Lada profitiert man sehr, wenn man den Fettstoffwechsel ankurbelt. Fett liefert dann Energie nicht nur für das Standgas, sondern auch auch für Leistung. Der Basalbedarf sinkt erheblich dadurch, ebenso die Hypogefahr. Ich bin so nach 10 Jahren noch fast Basalfrei und spritze nur ein bisschen Bolus. Fast bedeutet, in Stresssituationen oder Hitze ist der BZ morgens über 110. Dann reichen abends aber 8ie und gut ist's.

    Man muss das aber wollen, denn das ist Arbeit. Ernährung & Sport muss passen.

  • Es kommt auch auf die Intensität der Bewegung an.

    Eben drum. Ich hätte normales Gehen nicht unter so intensive Bewegung einsortiert. Wobei ich auch eine Zunahme der Sensitivität zu bemerken glaube. Die Wege, die ich gehe, gehe ich ja immer. Seit zwei Wochen fällt der BZ aber gefühlt schneller als früher.


    Ich führe aber auch erst seit zwei Wochen akribisch Buch über die zu den Mahlzeiten aufgenommenen KE und nutze Vergleichsmahlzeiten, von daher muss das "gefühlt" nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen.


    In einigen Tagen beginnt mein Rehasport, ich werde da eher nicht mit einem BZ um die 100 mg/dl reingehen. Denke ich mal.

  • Bitte berücksichtigt dass es hier um LADA mit ziemlicher Restproduktion handelt! Die üblichen T1 Tipps sind ziemlicher Quark.



    Wie hoch ist denn die Basaldosis?

    Deshalb fragte ich ja explizit nach den Erfahrungen der T1er ohne Restproduktion, weil ich genau den Unterschied wissen wollte. Mir ist schon klar, dass bei mir noch so einiges anders läuft als ohne Restfunktion.


    Meine Basaldosis sind 6 IE Tresiba.

  • Eben drum. Ich hätte normales Gehen nicht unter so intensive Bewegung einsortiert. Wobei ich auch eine Zunahme der Sensitivität zu bemerken glaube. Die Wege, die ich gehe, gehe ich ja immer. Seit zwei Wochen fällt der BZ aber gefühlt schneller als früher.


    Ich führe aber auch erst seit zwei Wochen akribisch Buch über die zu den Mahlzeiten aufgenommenen KE und nutze Vergleichsmahlzeiten, von daher muss das "gefühlt" nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen.


    In einigen Tagen beginnt mein Rehasport, ich werde da eher nicht mit einem BZ um die 100 mg/dl reingehen. Denke ich mal.

    Ja, das macht schon Sinn. Ruhig den BZ auf 140-160 mg/dl anheben, damit man beim Sport seinen Frieden hat. Das sollte eigentlich erstmal reichen, um die Senkung vom Basal einzufangen und den Effekt auszutesten. Trotzdem zwischendurch auf den Sensor gucken; klingt wie ein no-brainer, aber ich vergesse das auch gern, wenn ich mich auf anderes konzentriere.

    Es ist etwas schwierig, die Wirkung bei vorhandenem Eigeninsulin abzuschätzen. Das wirkt sich nämlich durchaus unterschiedlich aus und kann auch "stottern", so dass man am Ende nicht genau wissen kann, wie hoch das BZ-senkende Potential gerade ist. Bewegung ist jedenfalls immer zu beachten; das fängt im Zweifel auch schon beim Bügeln oder dem Badputzen an. Sehr blöd, aber da muss man durch. Ich esse inzwischen die Gummibärchen, bevor ich den Staubsauger rauskrame, aber ich habe Jahre gebraucht, um das als "normal" zu akzeptieren.

    "Sing this corrosion to me!"

    (Stoßseufzer eines unbekannten Seglers)

  • Meine Basaldosis sind 6 IE Tresiba.

    Was quasi nichts ist. Für Typ-1 "üblich" sind etwa 0.3-0.6 IE/kg Körpergewicht normal. Ausnahmen nach unten sowie Mehrbedarf durch eine kombinierte Typ-2 bestätigen die Regel.

    --
    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • In einigen Tagen beginnt mein Rehasport, ich werde da eher nicht mit einem BZ um die 100 mg/dl reingehen. Denke ich mal

    Erstmal höher reingehen beim ersten Mal und dann beobachten. Es kommt ja auch stark auf die Bewegung an. Als ich frisch auf ICT eingestellt wurde vor ein paar Jahren in der Reha - da hatte ich definitiv noch Restfunktion, bin ich z.T. mit 110mg/dl in bestimmte Sportangebote gegangen (insb. Zirkeltraining) und bei 140-160mg/dl rausgekommen. Aber ja.


    Sinnvoll ist eine Sporthose mit Reißverschlusstaschen und dort Handy/Sensorlesegerät rein, damit du es bei dir hast. Je nach Turnhalle etc. könnte es sonst ggf. zu Signalverlust kommen, wenn das Gerät zu weit weg von dir liegt.


    Ist der Rehasport eine Diabetes-Sportgruppe? Dort könnte nämlich auch eine Diabetesberaterin/-assistentin dabei sein, die dir anfangs vermutlich Tipps geben kann.

    Bei uns in der Region gibt es so eine Diabetes-Rehasportgruppe. Allerdings nur für (ältere) Typ2. Das wollte ich dann doch nicht.

  • Ist der Rehasport eine Diabetes-Sportgruppe? Dort könnte nämlich auch eine Diabetesberaterin/-assistentin dabei sein, die dir anfangs vermutlich Tipps geben kann.

    Bei uns in der Region gibt es so eine Diabetes-Rehasportgruppe. Allerdings nur für (ältere) Typ2. Das wollte ich dann doch nicht.

    Nein, das ist eine WirbelsäulenWehKnieAuaMuskelkräftigungsgruppe in einem Allerweltsfitnessstudio. Erfahrung erwarte ich da nicht. Aber Handy in Hosentasche ist ein guter Tipp, danke!

  • Es kommt auch auf die Intensität der Bewegung an.

    Eben drum. Ich hätte normales Gehen nicht unter so intensive Bewegung einsortiert.

    Je intensiver die Bewegung ist desto eher steigt der BZ. (z. B. Cardiowork-out)

    Je moderater und gleichmäßiger die Bewegung ist desto eher sinkt der BZ. (z. B. gehen)

    In einigen Tagen beginnt mein Rehasport, ich werde da eher nicht mit einem BZ um die 100 mg/dl reingehen.

    Ja, würde ich dir auch empfehlen. Hubi hat das schon ausführlich geschildert.

  • Ich hatte tatsächlich über der Anschaffung eines Fahrrades nachgedacht, die neu entstandene Beweglichkeit will ja ausgenutzt werden :-)

    Aber wenn das noch mehr zuschlägt...

    Go for it! Bei all den Sachen die man im Zusammenhang Diabetes und Bewegung bedenken muss könnte man sich leicht entmutigt fühlen. Da ist es wichtig, etwas zu finden, was man gern macht. Denn meiner Meinung nach ist Sport wirklich hilfreich, zum einen hat es einen positiven Einfluss auf die mentale Gesundheit, zum anderen wirkt das Insulin einfach besser wenn man regelmäßig aktiv ist.


    Ansonsten könnte ich glaube ich seitenweise zum Thema philosophieren, aber ich mach es kurz. Du musst es ausprobieren und wenn es dann mal klappt - ist es nächstes mal wieder anders. Zum Start hast du glaube ich schon viele Ansatzpunkte. Mit einem stabilen BZ reingehen, aktives Insulin vom letzten Bolus auch berücksichtigen, im Zweifel lieber noch einen kleinen Apfel oder so vorher essen. Ich persönlich mache oft direkt am Morgen Sport, da ich dann eher resistenter bin und nichts extra gegenessen muss. Ansonsten fahre ich mit so 10-15 g KH pro 20-30 Minuten Bewegung eigentlich ganz gut. Alles weitere wird dann irgendwie spontan entschieden.

  • Meine Basaldosis sind 6 IE Tresiba.

    ist fast nix auf 24h gesehen!

    Kannst auch mal probeweise weglassen und schauen, ob dein BZ stabil bleibt.


    Brauchst du aktuell auch Bolus-Insulin? Ich habe in meiner Remission gut 15g-25 KH essen können ganz ohne Insulin.