Wie geht Ihr mit unerwarteten Belastungssituationen um, in denen die Basalinsulinwirkung störend bis bedrohlich wird?

  • Hallo,


    ich bin leidenschaftlicher Segler und habe mich gefragt, ob ich nicht für Törns lieber Pumpe statt ICT benutzen soll (habe/kann beides). Grundsätzlich ist mir ICT in dieser Situation sympathischer, da die Pumpe an Bord auch mal abreißen könnte o.ä. aber: Was ist in einer Krisensituation, also schlimmstenfalls Sturz ins Wasser. Hier ist ein noch wirkendes Langzeitinsulin sicherlich nicht vorteilhaft.


    Andere plötzliche Belastungssituationen ergeben sich natürlich auch schon einmal wenn man kleine Kinder hat. E.g. am Baggersee Bier, Pommes und Eis gefuttert und ordentlich Insulin gespritzt, dann kloppen sich die Kinder im Fahrradanhänger und man sieht sich mit der Situation konfrontiert, schlimmstenfalls kilometerweit eine sich nach Kräften wehrende Dreijährige schleppen zu müssen, damit alle beteiligten lebend zu Hause ankommen. Unglaublich, wie der Zucker da runterrauscht.


    Ein hilfreicher Ansatz kann hier natürlich schon mal sein wenig schnelle Kohlenhydrate, wenig schnelles Insulin, klar, aber die Versuchung ist halt doch manchmal groß und meine Frage bezog sich ja auch primär auf Basalinsulin vs. Pumpe. Auch ist mein Eindruck, dass es wenn die Belastung hoch/lang genug ist auch reicht, nur das Basalinsulin intus zu haben, damit die Muskeln sich tonnenweise Kohlenhydrate reinziehen. Die mobilisieren dann halt alles an GLUT-4 was sie haben, i.e. der Unterschied zwischen normaler Basalwirkung und ordentlich Restbolus vom Essen ist gar nicht so groß, was man bräuchte wäre wahrscheinlich eher so 1/10 der normalen Basalwirkung.


    Ich habe bisher bei Bedarf einfach mit massiv schnellen Kohlenhydraten gegengesteuert und würde mir entsprechend auch beim Segeln im Zweifelsfall eher mehr als weniger Jubin in die Jackentasche packen.


    Wie macht Ihr das?


    Gruß, J

  • Nur vom Basalinsulin (bei Pumpentherapie) brauche ich bei unerwarteter Belastung nicht sehr viel Kohlenhydrate. Wenn der letzte Mahlzeitenbolus aber weniger als vier Stunden zurückliegt wirkt bei mir auch schwache Bewegung, wie z. B. den Einkaufswagen durch die Supermarktgänge schieben, stark Blutzuckersenkend.


    Wenn ich vorher schon weiß, dass ich mich bewegen werde, gibt es zur letzten Mahlzeit vor der Bewegung nur ungefähr den halben Bolus. Selbst wenn die Bewegung erst zwei Stunden später beginnt. Dann steigt zunächst der Blutzucker zwar zu stark an, aber die Bewegung bringt ihn schnell wieder runter.


    Wenn ich nicht wusste, dass ich mich nach dem Essen noch bewegen muss, und bereits den vollen Mahlzeitenbolus gepumpt habe, dann wird noch vor der Bewegung die Süßigkeitenschublade geplündert und ich achte darauf, genug Traubenzucker in der Hosentasche zu haben.

  • Ich denke, es macht in dieser Beziehung kaum einen Unterschied, ob du nun Pumpe trägst oder mit dem Pen unterwegs bist. Insulin ist drin, im Körper, und wirkt und richtet sich leider nicht nach unangekündigten Belastungen... Die Pumpe kann man dann mal ausschalten, aber auch hier ist das Basalinsulin von vorher ja schon im Körper unterwegs!
    Da hilft wohl tatsächlich nur mit schnellen KH gegenfuttern!


    Caro <>
    Solange Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade für mich Obst!!!


    Fange niemals an aufzuhören und höre niemals auf anzufangen!

  • Bei unerwarteter Belastung kommt es darauf an, wie viel Insulin schon vorher im Körper drin war. Ich glaube, bei einer Insulinpumpentherapie hat man meistens weniger Basalinsulin im Körper, als bei ICT.

  • Ich sehe hier Unterschiede.
    Beim Basal aus der Pumpe kann eine Änderung innerhalb von 1h -2 h vollständig wirksam werden und so mit bei langanhaltenden Bewegungsänderung, z.B. unvorhergesehenen Sturm auf See und verstärkten körperlichen Einsatz über Stunden, die Aufnahme von zusätzlichem KH, auf ein Minimum, begrenzen. Der Nachbrenneffekt kann abgefangen werden.

    Einmal editiert, zuletzt von nikp ()

  • Wobei die Pumpe "Kurzzeitinsulin" hat, also eine Reduktion dessen sehr viel schneller wirkt.

    --
    Nix Diabetes - das ist lediglich Glucose-Intoleranz.

  • Ich seh das nicht so als riesen Vorteil... Wenn ich unerwartet Action habe, kann ich eine uzi auch kaum verhindern.. Und auch ich kann dann nur gegenfuttern.. Andere Möglichkeiten hat man kaum!


    Caro <>
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  • Zitat

    Nur vom Basalinsulin (bei Pumpentherapie) brauche ich bei unerwarteter Belastung nicht sehr viel Kohlenhydrate. Wenn der letzte Mahlzeitenbolus aber weniger als vier Stunden zurückliegt wirkt bei mir auch schwache Bewegung, wie z. B. den Einkaufswagen durch die Supermarktgänge schieben, stark Blutzuckersenkend.


    Wenn ich vorher schon weiß, dass ich mich bewegen werde, gibt es zur letzten Mahlzeit vor der Bewegung nur ungefähr den halben Bolus. Selbst wenn die Bewegung erst zwei Stunden später beginnt. Dann steigt zunächst der Blutzucker zwar zu stark an, aber die Bewegung bringt ihn schnell wieder runter.


    Wenn ich nicht wusste, dass ich mich nach dem Essen noch bewegen muss, und bereits den vollen Mahlzeitenbolus gepumpt habe, dann wird noch vor der Bewegung die Süßigkeitenschublade geplündert und ich achte darauf, genug Traubenzucker in der Hosentasche zu haben.


    Der Beitrag könnte von mir sein ;-)


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  • Die Problematik ist mir mehr als bekannt, diese habe ich täglich bei der Arbeit. Ich weiß nie so genau was als nächstes passiert. Für mich habe ich so die Lösung das mein Basal so hoch ist das ich bei viel Bewegung meine Kohlehydrate so "wegarbeiten" kann. Entsprechend wenige Kohlehydrate nehm ich allerdings auch zu mir. Wenn ich dann aber überraschender Weise nur am PC sitze oder ähnliches muss ich dann eben ab mittag mit Kurzzeitinsulin etwas großzügiger sein. Eigentlich müsste ich am We mein Basal auch massiv erhöhen, aber das klappt nicht. Weil ich so eine Basaländerung erst so nach zwei oder drei Tagen merke. Ich habe das jetzt mal so als mein Schicksal angenommen und versuche es so gut wie möglich hinzubekommen.
    Vor Libre hat man das alles nicht so genau bemerkt. Letztendlich muss man sich wohl daran gewöhnen das man nicht immer zwischen 80 und 100 herum laufen kann. Aber ein etwas höherer BZ Wert sollte nicht das Problem sein. Schlimmer sind hohe Schwankungen denke ich.

    Wenn du ein Problem hast, versuche es zu lösen.
    Kannst du es nicht lösen, mache auch kein Problem daraus!

  • Erstmal ist ja alles gesagt.


    Für ad hoc Bewegung erscheint mir allerdings ein FGM/CGM noch deutlich wichtiger als die Art der Basalversorgung.
    Speziell beim Segeln, zum Beispiel bei Wetterumschwung will man spontan einsatzbereit sein - dann mal eben auf den BZ gucken und notfalls Saft runterkippen/TZ einwerfen hilft enorm und schützt vor bösen Überraschungen. An einer Pumpe würde ich da nicht mehr gern herumfummeln wollen (es spricht die Ahnungslose), insbesondere würde ich ungern die Pumpe unter die Rettungsweste prummeln wollen und dann auf dem Deck herumkrabbeln und mit irgendeinem Segel oder Leinenzeugs kämpfen. Der Horror, wenn dann der Schlauch an der Klampe hängenbleibt... :pupillen:


    Lg Hubi

    "Sing this corrosion to me!"

    (Stoßseufzer eines unbekannten Seglers)

  • ... und dann auf dem Deck herumkrabbeln und mit irgendeinem Segel oder Leinenzeugs kämpfen. Der Horror, wenn dann der Schlauch an der Klampe hängenbleibt...


    Den rausgerissenen Katheter merkst du dann gar nicht, wenn du im Stress bist. Das tut nicht weh. Aber die Keto, die dann nach ein paar Stunden kommt, wenn du es gar nicht gemerkt hast, ist schon übler. Aber der gemeine Freizeit und Hobbysegler wird wohl nicht so in Stress geraten, wie vielleicht eine Weltumseglerin.

  • Der Horror, wenn dann der Schlauch an der Klampe hängenbleibt...


    Dafür gibt es schlauchlose Pumpen ;)


    Caro <>
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  • Den rausgerissenen Katheter merkst du dann gar nicht, wenn du im Stress bist. Das tut nicht weh. Aber die Keto, die dann nach ein paar Stunden kommt, wenn du es gar nicht gemerkt hast, ist schon übler. Aber der gemeine Freizeit und Hobbysegler wird wohl nicht so in Stress geraten, wie vielleicht eine Weltumseglerin.

    Ich stelle es mir übler vor, wenn der Katheter nicht rausreißt.... :pupillen: Egal, jedenfalls ne fiese Vorstellung.
    Und der gemeine Hobbysegler tut gut daran, sich auf solche Situationen vorzubereiten, weil da im Zweifel schon ein normales Gewitter reicht. Das kann ziemliche Böen und Winddreher geben und dann müssen die Segel runter, und zwar pronto. Da kann die DGzRS und sicher auch für binnen die DLRG Lieder von singen.
    Jedenfalls wäre mir das zu viel Technik, auf die man aufpassen muss/sollte. Da wäre dann noch sicherzustellen, dass kein Wasser dran kommt und man nicht aus Versehen drauffällt...


    Der erste Urlaubstörn mit Freunden nach der DM-Diagnose war für mich auch spannend, weil ich noch nicht so gut abschätzen konnte, wie mein BZ auf welche Situation reagieren würde. Nach meiner Erfahrung ist das Bolusinsulin hier jedoch viel relevanter hinsichtlich Hypo/Einsatzfähigkeit.


    Lg Hubi

    "Sing this corrosion to me!"

    (Stoßseufzer eines unbekannten Seglers)

  • Ich bin ja bezüglich Pumpe genauso ahnungslos, aber ich glaub, man "gewöhnt" sich dran.
    Wie ist es denn beim Libre? Der Service meinte zu mir: am Anfang sind die Türrahmen enger... und mittlerweile geht man da auch einfach durch. Man schaut oder fühlt mal zwischendurch kurz nach dem Sensor, aber das geht genauso unbewusst, wie sich Haare aus dem Gesicht streichen, wenn es draußen recht windig ist.
    In Streß-Situationen kontrolliert man dann auch, ob alles ok ist. Bei ner Pumpe würde ich dann eben auch Katheter etc. mitkontrollieren. Aber ich segle auch nie ;) Ich bild mir dann ein finales Urteil, wenn ich ne Pumpe hab ;)


    War letztens auch spontan noch unterwegs am Nachmittag und hatte nicht dran gedacht, mir n Müsliriegel einzupacken.... So wurde halt mein Handtaschen-Traubenzucker-Vorrat etwas geleert...


    Bin mir aber auch unsicher, ob ne Pumpe wirklich "besser" ist. Das schnellwirkende hat ja theoretisch das Wirkmaximum nach ner Stunde, ich weiß nicht genau, wie das bei so geringen Mengen ist. Es ist ja kaum so, dass ich jetzt die Pumpe ausschalte und in 5 Minuten ist auch die Wirkung des zuletzt zugeführten Insulin vorbei, das dauert ja vermutlich auch etwas länger.
    Wenn man aber weiß, dass man nen längeren Spaziergang vor sich hat wie vom Threadersteller beschrieben, spart man sich sicherlich mit Abschalten bzw Runterregeln der Pumpe ein paar KH-Einheiten, die man mit Basal trotzdem bräuchte.

  • Ich musste sehr schmunzeln über den Vergleich Einkaufswagen schieben und Segel raffen :D


    Der Punkt ist, es ist einigermassen sinnlos sich Konstellationen auszumalen die vermutlich nie eintreten. Wir haben in einem Thread schon mal überlegt, ob wir bei einer Notwasserung eines Flugzeugs aufgrund des Adrenalinanstieges überleben würden oder beim Schwimmen hoffnungslos unterzuckern (na wer hat immer 1kg Jubin in der Unterhose?)


    Meine häufigsten Unterzuckerungen finden bei Gartenarbeit statt, weil ich einfach die Zeit vergesse und hier noch und da noch was mache. Trotzdem habe ich keine Angst und mache weiter Gartenarbeit. Dagegen kann ich mir super ausmalen, wie es wäre ohne Wasser und KH in einem mehrstündigen Stau im Winter oder Hochsommer zu stehen. Die Wahrscheinlichkeit ist vorhanden, aber nicht übermäßig gross, trotzdem baue ich Vermeidungsstrategien auf. Eigentlich völlig sinnlos.


    ICT: ausreichend KH mitnehmen
    Pumpe: ausreichend Wasser und Ersatzpen


    Ungewohnte Bewegungen (Bäume sägen) und Aufregungen (mit dem Kind in die Notaufnahme) führen unter Pumpe - bei mir - eher zu BZ-Anstiegen, wogegen lange Wanderungen eher mehr KH benötigen.

    Leg Dich nicht mit Zucker an, er ist raffiniert! :bigg

  • Hallo JonDoe,
    sehr kurzzeitig zu reagieren ist praktisch unmöglich (ausser mit BE natürlich), dennoch könntest du mal über ein closed Loop nachdenken, welches in einem bestimmten Rahmen durchaus anpassungsfähig ist. Wunder darf man sich da natürlich auch keine erwarten, jedoch ist meine Erfahrung bisher, dass mittelfristige Situationen (unerwarteter Spaziergang etc.) durchaus dadurch reguliert werden können. Des weiteren hast du immer im Blick wieviel Insulin und KH gerade wirksam sind und wie die Entwicklung der nächsten Stunde grob aussieht. Bei guter Dateneingabe finde ich, ist es sehr verlässlich. In Zusammenhang mit einer Smartwatch kannst Du auf einen Blick sehen ob Du Deine Kleine noch 30 min rumtragen kannst, oder lieber vorher was einwerfen solltest.


    Wermutstropfen: abgesehen vom Einrichtungsaufwand:
    fürs Segeln weiss ich nicht obs geeignet ist, da viel Technikkram und Bastelei, besonders wenn man es wasserdicht / geschützt bekommen will.
    Weiterer Nachteil, gerade bei Deinen beschriebenen Situationen. Weniger Freiheit als mit ICT, da deutlich mehr Gerätschaften.


    Fazit: Ich würde es nicht mehr missen wollen, da ich gut 1 Std in die Zukunft schauen kann und mit der Pumpe entsprechend reagieren kann, oder der Loop es eh selbst reguliert. Mache jedoch auch keine grossartigen Wasseraktivitäten.


    VG cheers

    Closed Loop Open Mind

  • Es kommt sehr auf die Situation an. Wenn man beispielsweise beim radfahren eine UZ bemerkt dann hat man eigentlich erstmal genug Zeit anzuhalten, BE einzuwerfen, sich zu erholen und weiterzufahren wenn es besser geht.
    Ich finde es wichtig immer genügend schnelle BE dabei zu haben an die man auch wirklich dran kommt. Auch im dunklen, bei Kälte mit klammen Fingern oder Handschuhen. Oder wenn der Reissverschluss abreisst oä. Auch zu bedenken ist das mal was verloren geht, man merkt immer nicht sofort wenn eine Flasche weggeflogen ist oder eine Tasche nicht richtig zu war.


    Bei Situationen auf dem Wasser ist das aber anders: Man muss jederzeit "schwimmfähig" sein oder in der Lage sein anderen helfen zu können.
    Im blödsten Fall fällt man ins Wasser kurz bevor man gerade messen und essen wollte. Im Wasser BE aufzunehmen halte ich für schwierig, bei Wellen/Strömung ist man ggf schon gut beschäftigt über Wasser zu bleiben und Luft zu kriegen. Dann helfen eigentlich nur höhere Werte als Sicherheitspolster.

  • Ich spritze dreimal Basal (4 - 4 - 2) und das finde ich für mich recht praktisch, weil die Einzeldosis dann nicht so stark wirkt. Wenn ich dann ungeplant mehrere Stunden in Bewegung bin, wird einfach die folgende Basaldosis reduziert oder sogar weggelassen.

    "Wenn du mit dem Finger auf andere Menschen zeigst, zeigen drei Finger auf dich selbst."

  • Danke allen für den vielen Input.


    Ich denke, ich bleib beim Segeln bei ICT. Ich bin mal gespannt wie das funktioniert.


    Erst geht's los mit "Rund Skagen", also 3 Tage durchballern mit Wachsystem, i.e. völlig zerrissenem Schlaf-Wach-Rhythmus und dann kommen noch 10 Tage eher gemütliches Rumdaddeln in Nord- und Ostsee.


    Ich werde berichten ;)

  • ...sehr gut, das wird dich auf andere Gedanken bringen! :)
    Wofür gibt's schließlich das Traumduo Sensor+TZ und niemand erwartet perfekte Werte bei so einer Aktion. Viel Spass und immer die sprichwörtliche Handbreit unter dem Kiel....!


    Lg Hubi

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    (Stoßseufzer eines unbekannten Seglers)